In den spanischen Ferienorten hat die Hochsaison begonnen. An den Badestränden der Costa Brava, auf Mallorca und an der Costa del Sol tummeln sich Tausende von Urlaubern und genießen das sonnige Wetter. Zugleich brauen sich jedoch über der spanischen Tourismusbranche dunkle Wolken zusammen. Hoteliers und Reiseveranstalter erwarten ein schwarzes Jahr und einen dramatischen Rückgang der Urlauberzahlen. In den ersten fünf Monaten kamen heuer 11,8 Prozent weniger ausländische Touristen nach Spanien als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Für das gesamte Jahr 2009 erwartet die Regierung ein Minus von 10 Prozent. Dies wäre der schärfste Einbruch, den der spanische Tourismus jemals erlebt hat. Die Spanier waren es bisher gewohnt, dass die Urlauberzahlen Jahr für Jahr auf immer neue Rekordwerte steigen. Mit zuletzt fast 60 Mio. Touristen im Jahr war Spanien nach Frankreich das zweitwichtigste Reiseland der Welt. Mittlerweile jedoch mussten die Spanier den zweiten Platz an die USA abtreten.
Nach der Bauwirtschaft ist mit dem Tourismus nun auch der zweite Schlüsselsektor der spanischen Wirtschaft ins Stocken geraten. "Wenn bei einem Flugzeug ein Triebwerk ausfällt, kann die Maschine noch weiterfliegen. Wenn aber beide Triebwerke aussetzen, wird die Lage hochgefährlich", schreibt die Zeitung "El Mundo". Der Tourismus steuert elf Prozent zum Bruttosozialprodukt bei und gibt 1,5 Mio. Menschen Arbeit.
Dass in diesem Jahr mehrere Millionen Urlauber wegbleiben, hat zu einem großen Teil mit der Wirtschaftskrise in den Herkunftsländern zu tun. Viele Briten, Deutsche und Franzosen verkürzen ihre Urlaubsreisen, gehen seltener essen, geben weniger Geld in spanischen Geschäften aus oder verzichten ganz auf die Ferien in Spanien. "Wenn wir uns die Lage in Großbritannien oder Deutschland vor Augen halten, müssen wir froh sein, dass überhaupt noch so viele Touristen nach Spanien kommen", meint Jose Manuel Macineiras, Präsident des Dachverbands der Reisebüros.
"Sol y playa" - Veraltete Strategie
Die Probleme des Tourismus in Spanien sind jedoch nicht nur konjunktureller Natur, sondern auch grundsätzlicher Art. Die meisten Urlauber werden von Sonne und Strand ins Land gelockt. Die Formel "sol y playa" (Sonne und Stand) gilt jedoch als überholt. Andere Länder wie die Türkei, Kroatien, Tunesien oder die Dominikanische Republik bieten Badeferien zu Preisen an, mit denen Spanien kaum konkurrieren kann.
Seit Jahren fordern die Experten, dass Spanien seinen touristischen Auftritt auf mehrere Beine stellen soll. Statt nur Badefreuden bei gutem Wetter, sollten auch die anderen touristischen Attraktionen herausgestellt werden. "Wir sollten uns nicht an Billiganbietern in Osteuropa oder anderen Gegenden orientieren", sagt der Ökonom Josep Oliver. "Spanien sollte sich an bestimmten Regionen in Italien und Frankreich ein Beispiel nehmen. Es kommt nicht darauf an, möglichst viele Besucher ins Land zu locken, sondern darauf, was die Urlauber bei uns ausgeben."
Bei der Überwindung der "Monokultur" des Badetourismus kamen die Spanier bislang jedoch nur langsam voran. Noch immer macht der Bereich "sol y playa" zwei Drittel der Reisebranche aus. Einige Fortschritte gab es aber doch. Barcelona entwickelte sich mit seinem Angebot an Kultur und Kongressen zu einem beliebten Ziel von Städtereisen und erzielt mittlerweile höhere Einnahmen aus dem Tourismus als die Costa Brava. Die Industriestadt Bilbao wurde durch den Bau des Guggenheim-Museums für den Tourismus neu entdeckt.
Auch auf Mallorca beginnen die Zeiten sich zu ändern. Die Bucht von Palma soll von Grund auf umgestaltet werden und bis 2020 in neuem Glanz erstrahlen. Dazu soll die Hälfte der 40.000 Hotelbetten verschwinden.