Reisen im Alter: Gesundheit immer wichtiger

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Der demografische Wandel stellt den Tourismus vor neue Herausforderungen: Die älteren Bevölkerungssegmente werden zwar größer, es findet aber nicht automatisch ein touristisches Wachstum in diesen Gruppen statt, warnt Karen Winkler, Projektleiterin am Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (N.I.T.) in Kiel.

Winkler plädiert für mehr zielgruppenspezifisch geschärfte Services. Insbesondere im für die älteren Generationen wichtigen Bereich Gesundheit sei das vorhandene Angebot unübersichtlich, bemängelt die Expertin in einer Analyse, die bei der ITB (10.-14. März) in Berlin präsentiert wird.

Konsumfreude trotz Wirtschaftsflaute

Ältere Reisende gelten gemeinhin als krisenfester und ausgabefreudiger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Weisheit dürfte sich im schwierigen Jahr 2009 bewahrheitet haben: Laut deutscher Reiseanalyse sind im Vorjahr 79,8 % der 40- bis 59-Jährigen auf Urlaub gefahren, 1 Prozentpunkt mehr als noch 2008. In der Gesamtbevölkerung waren es nur 75,7 % - ein Rückgang um 1,5 Prozentpunkte zu 2008.

Kein Wunder also, dass sich gerade in Zeiten der strauchelnden Konjunktur international die Touristiker intensiv um Menschen mit höherem Alter bemühen. Die Bandbreite reicht dabei von Projekten mit sozialtouristischem Anstrich - etwa ein 100-Euro-Zuschuss für einen Spanienurlaub - bis zu neuen Qualitätssiegeln für ausgewiesene "50plus-Hotels" im deutschsprachigen Raum.

Bei dem erwähnten spanischen "Europe Senior Tourist"-Modell, das kürzlich auf der Ferienmesse Wien vorgestellt wurde, sollen Reisende über 55 Jahre aus ganz Europa den Betrieb in der Nebensaison ankurbeln. Von Oktober bis Anfang Februar wurden rund 50 % der 80.000 verfügbaren Plätze nach Andalusien und auf die Balearen verkauft, berichtet die Tourismusbehörde Segittur gegenüber dem APA-Branchendienst Touristik. Österreicher, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, erhalten 100 Euro vom spanischen Staat. Austro-Partner sind die Veranstalter Pegasus, Stafa Reisen und Bentour/Genon.

Im Auge habe man die 102 Mio. Europäer über 55, von denen die Hälfte noch nie im Ausland war, die aber die steigende Bereitschaft und Möglichkeit dazu aufweist, heißt es bei Segittur. Auf der iberischen Halbinsel hat Tourismus im Alter eine lange Tradition - gekoppelt an das Sozial- und Gesundheitsministerium, das seit über 20 Jahren spezifische Reiseprogramme anbietet.

Thema positiv besetzen

Von sozialtouristischen Ansätzen will Hermann Paschinger, Initiator und geschäftsführender Obmann des Vereins 50plus Hotels Österreich, nichts wissen. Seit zehn Jahren trete man am österreichischen Markt bewusst für die Etablierung einer durch Themen wie Lifestyle oder Wellness positiv besetzten Marke auf. Dass diese Herangehensweise Anklang findet, zeige sich nicht nur in der Treue der Gäste in Krisenzeiten und einem hohen Stammkundenanteil in den 50plus Hotels, sondern auch in den Kooperations-Anfragen von Hotels aus Spanien und der Schweiz. Dort seien mittlerweile entsprechende Projekte im Aufbau. "Es herrscht eine starke Dynamik in diesem Markt", so Paschinger.

Die Gruppe der Reisenden ab 50 Jahre werde nicht nur immer größer, sondern vor allem immer anspruchsvoller und verlange ein breiter gefächertes Angebot (Stichwort Multioptionalität). Die Wünsche würden mit dem Alter individueller, selbstbewusster und klarer, weswegen in dieser Sparte die Hotels mehr maßgeschneiderte Lösungen anbieten müssten, so Paschinger. Darunter können etwa kostenlose Transfers vom Betrieb zu öffentlichen Verkehrsmitteln fallen oder der Verzicht auf Einzelzimmerzuschläge sowie die Nachfrage nach Gästevorlieben (zB. allergikergerechte Betttwäsche, gewünschte Freizeitaktivitäten, etc.) schon bei der Buchung.

Personalisierung als Führungsthema

Es gehe in erster Linie nicht um Aufwände, wie der Bau eines noch größeren Wellnessbereichs, sondern vielmehr um eine verbesserte personalisierte Servicequalität. Der Erfolg bei den Gästen würde zumeist auf eher "unspektakulär" klingenden Bemühungen fußen: "Täglich gelebte Kleinigkeiten machen den großen Unterschied aus",  Themen wie "die persönliche Prägung, die einem Hotel erst eine Seele gibt", müssten zunehmend zum Führungsthema in den Betrieben werden, fordert Paschinger.  

Zur Objektivierung dieser Leistungen wollen die 50plus Hotels auf der diesjährigen ITB das RAL-Gütezeichen präsentieren. Die ersten damit versehenen zwölf Betriebe in Österreich und Deutschland bieten unter dem Motto "Träume leben" ein "generationsgerechtes Rund-um-Paket in Ausstattung, Service und Bewirtung", heißt es in den Unterlagen des Vereins.

Gesundheit "überdurchschnittlich wichtig"

Die Forderung nach Spezialisierung und Konkretisierung der Leistungen für ältere Reisende betrifft insbesondere den für diese Gruppen "überdurchschnittlich wichtigen" Bereich Gesundheit. Der starken Nachfrage in dieser  Sparte stehe ein unübersichtliches Angebot gegenüber, geht aus dem Bericht der deutschen Tourismusforscherin Winkler hervor, der dem APA-Branchendienst Touristik vorliegt. Datengrundlage bildet die deutsche Reiseanalyse.

Die Mehrheit der Befragten interessiert sich im Dreieck Gesundheit, Wellness und Kur im Urlaub für jeweils nur eines dieser Themen, wobei bei den Älteren der Trend naturgemäß stärker in Richtung Gesundheit und Kur geht, bei den Jüngeren eher in Richtung Wellness. Betriebe, die Potenziale aus diesem Bereich abschöpfen wollen, müssten daher ihre Angebote genau abgrenzen und diese konsequent nach Zielgruppen differenziert darstellen, so Winkler.

60plus - Mehr als die Hälfte an Kur interessiert

Im Detail stellt die Studie einen nachfragebezogenen Strukturwandel fest: Die Anzahl der Personen über 60 Jahre, die an einem Gesundheitsurlaub interessiert sind, hat sich seit dem Jahr 2000 um neun Prozentpunkte auf 52 % im Jahr 2009 erhöht, eine Wellnessreise fänden in dieser Altersgruppe 26 % (statt 19 % 2009) spannend, und Kur im Urlaub begrüßen mittlerweile schon 56 % (statt 51 %). Unter den 40- bis 59-Jährigen besteht hingegen ein stärkeres Interesse an Wellness (40 Prozent statt 39 % im Vorjahr). Immer weniger Befragte wünschen sich in dieser Gruppe Gesundheit (34 Prozent statt 37) und Kur (30 % statt 34) im Urlaub. Bei den 30- bis 39-Jährigen nehmen die Bereiche Gesundheit (8 %), Wellness (17 %) und Kur (8 %) überhaupt einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein.

Auch die spezifischen Leistungen, die sich Reisende in diesen Bereichen erwarten, wurden in der Analyse aufgespalten: Bei einem Gesundheitsurlaub wollen die meisten Befragten hauptsächlich gesundes Essen und Trinken (82 %) und ein zuträgliches Klima (78 %), gefolgt von Schwimmen (72 %), einem Gesundheitscheck (68 %), medizinischer Betreuung (63 %) und einer Bade-/Saunalandschaft (62 %). Bei einer Kur während einer Urlaubsreise stehen hingegen medizinische Betreuung (84 %), klassische Kuranwendungen (80 %) und ein Gesundheitscheck (76 %) an erster Stelle. Ernährung (72 %), Klima (70 %) und Schwimmen (64 %) folgen. Im Wellnessbereich gehören Schönheitsanwendungen (82 %), vor Verwöhnangeboten (81 %) und einer Bade-/Saunalandschaft (80 %) "unbedingt" dazu. Dahinter rangieren Entspannungsangebote (78 %), Schwimmen (72 %) und gesundes Essen&Trinken (65 %).

Haupturlaubsmotiv ohne "Gesundheitsetikett"

Für fast 60 % aller Befragten ist das Urlaubsmotiv "etwas für die Gesundheit tun" sehr wichtig oder wichtig. Bevorzugt werden aber im Großen und Ganzen Reisen, die nicht explizit dieses Etikett tragen. Gäste wählen in den meisten Fällen einen Urlaub mit einem anderen Hauptmotiv - etwa Erholung - suchen dort aber gesundheitsspezifische Angebote.

Nach konkreten Urlaubsformen befragt, stehen in der Zielgruppe 50plus Ausruhen, Natur und Strand/Baden/Sonne sowie Städtereisen ganz oben. Bei den Aktivitäten sind es "landestypische Spezialitäten genießen, Ausflüge in die Umgebung machen, ausruhen und viel schlafen sowie Naturattraktionen besuchen", so Winkler.

Die Zahlenverhältnisse der deutschen Reiseanalyse sind für Österreich nicht nur wegen des Haupt-Touristenherkunftsmarktes bedeutend, sie können laut Paschinger "ungefähr" auch auf Österreich umgelegt werden. Mit den hierzulande erhobenen Daten seien die Ergebnisse nicht direkt vergleichbar. Laut den aktuellsten verfügbaren Zahlen der Statistik Austria verbrachten 2008 76,1 % der Österreicher eine Urlaubsreise. Wobei die 15- bis 44-Jährigen, die zu über 80 % verreisten, am aktivsten waren. Ab einem Alter von 45 Jahren sank der Wert unter 80 % und ab 65 Jahren traten nur noch knapp 62 % eine Reise an.

Österreich an sich hat sich international jedenfalls bereits den Ruf einer Traumdestination für die Generation 50plus erworben. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes listete die Alpenrepublik im Jahr 2009 als das lebenswerteste Land für Ältere dar und zeigte auch gleich den Nachholbedarf punkto Lifestyle auf: "Österreich ist wie die Schweiz, nur günstiger." Besonders Lebensqualität, medizinische Versorgung, "die elegante Architektur, klassische Musik und Straßenbahnen, die funktionieren" wurden hervorgehoben. Der Nachteil: "Keine mediterrane Lebenslust".

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