Vergessene Verabredungen, verlorene Schlüssel oder eine verlegte Brille – diese Situationen kennen wir alle, und sie sind keinesfalls Grund zur Panik. Nehmen solche Vorfälle jedoch zu, besonders im fortgeschrittenen Alter, kann es sich bereits um erste Anzeichen einer Demenzerkrankung handeln. Demenz bleibt meist lange unbemerkt und schleicht sich langsam in den Alltag ein. In Österreich sind etwa 130.000 Personen betroffen. Mit steigender Lebenserwartung wird sich die Anzahl der Demenzpatienten in den nächsten Jahren drastisch erhöhen.
Geistiger Verfall
Demenz hat viele Ursachen. Genaugenommen handelt es sich um keine eigenständige Krankheit, sondern um ein Symptom einer Gruppe von Krankheitsbildern mit einer Gemeinsamkeit: dem langsamen Verlust der geistigen Fähigkeiten. Häufigste und bekannteste Form der Demenz ist die Alzheimerdemenz. Sie beginnt schleichend und führt allmählich zum geistigen Verfall. Betroffene leiden unter einem Verlust der Nervenzellen im Gehirn, weshalb es in der Folge auch zu einem Abbau der Hirnmasse kommt. Durch das Schwinden der Nervenzellen werden die Synapsen, die für die Informationsweiterleitung zuständig sind, zerstört. Die Konzentration der neuronalen Botenstoffe nimmt ebenso ab. Es kommt zu Störungen der Lern- und Gedächtnisleistung und zu Problemen der Informationsverarbeitung im Gehirn. Teile der abgestorbenen Nervenzellen lagern sich im Gehirn ab. Eine weitere häufige Ursache ist die vaskuläre Demenz aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn.
Risikofaktoren
Demenz ist nicht heilbar, und das Risiko einer Erkrankung erhöht sich mit zunehmendem Alter. Neben genetischen Faktoren zählen Rauchen, Alkoholkonsum, ein Zuviel an gesättigten Fettsäuren, chronischer Stress sowie Schilddrüsenunterfunktion, Depression und schwere Gehirnverletzungen zu den Risikofaktoren. Volkskrankheiten, wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus, verschlechtern eine bestehende Demenz und können diese auch mit hervorrufen.
Kampf gegen das Vergessen
Neueste Studien belegen jedoch, dass wir durch rechtzeitiges und gezieltes Vorbeugen lange fit im Kopf bleiben können. Eine der bisher größten Studien zur Demenzproblematik ist die sogenannte FINGER-Studie aus Finnland. 1.260 Frauen und Männer im Alter von 60 bis 77 Jahren nahmen daran teil. Alle Studienteilnehmer zeigten erste Anzeichen einer Demenz. Ziel der Studie war es, den geistigen Abbauprozess aufzuhalten. Am Ende der zweijährigen Studienperiode zeigten sich beeindruckende Ergebnisse. Studienteilnehmer, die in den Bereichen Bewegung, Ernährung, geistiges Training und soziale Kontakte gezielt unterstützt wurden, schnitten bei umfangreichen Demenztests deutlich besser ab und zeigten höhere kognitive Leistungen als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Wir können also selbst eine Menge dafür tun, damit wir möglichst lange geistig fit bleiben.
So halten Sie Ihr Denkorgan fit
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Bewegung
Jeder Schritt zählt Schon die alten Griechen wussten: In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Mittlerweile ist es sogar wissenschaftlich bewiesen, dass durch Sport neue Gehirnzellen entstehen können. Körperliche Aktivität verbessert nicht nur die Durchblutung des Gehirns, sondern fördert auch die Neurogenese – so wird in der Wissenschaft die Entstehung neuer Nervenzellen genannt. Wissenschafter vermuten, dass durch Sport – ganz besonders in jungen Jahren – die Konzentration von Wachstumsfaktoren im Blut erhöht wird, was dazu führt, dass neue Nervenzellen sprießen. Es entsteht somit eine kognitive Reserve, sodass sich Abbauprozesse im Gehirn deutlich später bemerkbar machen. Weitere positive Effekte: Bestimmte Sportarten, wie Joggen, fahren die Aktivität des präfrontalen Kortex, der für kognitive Aufgaben zuständig ist, herunter. Durch diesen „Reset“ werden Kapazitäten im Gehirn frei und so die Konzentrationsfähigkeit gesteigert. Tanzen oder Kampfsportarten bieten durch das Erlernen neuer Bewegungsabläufe konditionelle, koordinative und kognitive Herausforderungen. Durch regelmäßigen Sport lassen sich auch chronische Entzündungen im Körper, die das Demenzrisiko erhöhen, reduzieren. Was bedeutet regelmäßiger Sport? Es reicht nicht, hin und wieder zu joggen oder ein paar Bahnen zu schwimmen. Sport sollte vielmehr als Grundlage verstanden werden und mindestens zwei- bis dreimal pro Woche eine halbe Stunde ausgeführt werden. Hilfreich ist auch, Bewegung in den Alltag einzubauen, etwa durch Treppen steigen oder eine Station früher aus Bus oder Bahn auszusteigen.
Ernährung
Essen gegen das Vergessen Auch wenn sich die Weisheit nicht gerade mit dem Löffel essen lässt, kann die richtige Ernährung einen wichtigen Beitrag leisten, dass der Gehirnstoffwechsel gut funktioniert. Die alltäglichen Ernährungsgewohnheiten sind es, die auf lange Sicht mitbestimmen, wie schnell das Gehirn altert und ob ihm chronische Entzündungen, hohe Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckerwerte im Laufe der Jahre Schaden zufügen. Eine vorbeugende Ernährung sollte vitaminreich – häufig wird bei Alzheimerpatienten ein Vitamin-E- und -C-Mangel festgestellt –, und kohlenhydratreduziert (Blutzuckerspiegel) sein und auf ungesättigte Fettsäuren, wie Olivenöl, Avocado und Nüsse (enthalten gesunde ungesättigte Fettsäuren und versorgen den Körper mit Arginin, das die Gefäßinnenwände schützt), setzen. Carotinoiden (Carotin ist in grünen, gelben und orangen Gemüsen und Früchten enthalten), die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen und eine Vorstufe von Vitamin A darstellen, wird ebenso eine Schutzwirkung gegen Demenz nachgesagt wie Vitamin B6, Folsäure und B12 (in Vollkorn, Fisch, Fleisch, grünem Gemüse, Hülsenfrüchten). Auch ein Vitamin-D-Mangel wurde schon direkt mit Alzheimer in Verbindung gebracht. Wichtiger Vitamin-D-Spender ist das Sonnenlicht. Mit der Nahrung kann Vitamin D in geringer Dosis über den Verzehr von Leber, Molkereiprodukten, Fisch oder Champignons aufgenommen werden. Beeren sind eine (hirn-)gesunde Alternative zu kohlenhydratreichen Obstsorten, wie Bananen oder Weintrauben. Sie bekämpfen die schädlichen freien Radikale und können den Blutzuckerspiegel senken. Kaffee soll die Menge der Beta-Amyloid-Peptide, die für die Entstehung der Alzheimer typischen Plaques verantwortlich sind, deutlich reduzieren. Offensichtlich setzt Koffein die Entstehung zweier Enzyme herab, die zur Bildung der Peptide erforderlich sind, und könnte zudem Entzündungen im Gehirn verhindern, die ebenfalls zur Bildung von Beta-Amyloid-Peptiden beitragen. Schlecht für das Gehirn ist zu viel Zucker. Auch der Süßstoff Aspartam steht im Verdacht, das Gehirn zu schädigen.
Geistiges Training
Neues lernen Die moderne Gehirnforschung hat festgestellt, dass das Gehirn ein Leben lang lernfähig und flexibel bleibt. Dafür muss man aber etwas tun, denn die Nervenverbindungen, die man nutzt, bleiben erhalten, jene, die man nicht nützt, werden abgebaut. Deshalb sollten wir unser Gehirn beschäftigen, mit dem Ziel, eine kognitive Reserve aufzubauen und zu aktivieren, damit sich Abbauprozesse nicht so schnell bemerkbar machen. Das Tüfteln an einer Denkaufgabe – etwa das Lösen eines Kreuzworträtsels, Sudoku oder Computerspiele – ist zwar förderlich, jedoch nur, wenn man es nicht automatisiert tut. Mit der Routine wird das Gehirn weniger angestrengt und der Nutzen nimmt ab. Ein effektives Training ist, wenn das Gehirn ständig vor neue Herausforderungen gestellt wird. Schachspielen, Puzzles lösen, Fremdsprachen oder ein Instrument lernen lassen im Gehirn neue Verbindungen sprießen. Experten empfehlen, Gehirntrainings in den Alltag zu integrieren. Persönliche Schwachstellen können dabei als Ansporn dienen. Beginnen Sie beispielsweise, Telefonnummern, die man häufig wählt, wieder händisch ins Telefon einzutippen. Sobald man sich eine Nummer gemerkt hat, widmet man sich der nächsten. Oder verzichten Sie bewusst auf das Navi, schulen Sie Ihren Orientierungssinn und orientieren Sie sich an der Straßenkarte.
Soziale Kontakte
Wir-Faktor Bei sozialer Interaktion wird das Gehirn gleich auf verschiedenen Ebenen gefordert. Studien zeigen, dass Alleinlebende etwa ein doppelt so hohes Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken, als Menschen in einer liebevollen Partnerschaft. Freunde bilden gewissermaßen die Familie, die wir uns selber aussuchen. Auch sie senken unser Demenzrisiko. In einer US-Studie zeigten Menschen, die sich häufig mit anderen trafen oder mit ihnen am Telefon plauderten, deutlich bessere kognitive Fähigkeiten als Vergleichspersonen ohne häufige Kontakte. Auch Babysitten oder das ehrenamtliche Engagement in gemeinnützigen Vereinen wirkt sich positiv auf die Gehirnentwicklung aus.