55. Viennale

Flüchtlinge: Redgrave fordert "Weckruf für alle"

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Oscarpreisträgerin präsentierte Flüchtlingsdoku "Sea Sorrow".

 "Sea Sorrow" ist das Regiedebüt von Vanessa Redgrave: Die 80-jährige Oscarpreisträgerin widmet sich in der Dokumentation der Situation von Flüchtlingen in Europa und hat den Film am Donnerstagabend, 26.10., bei der  Viennale  präsentiert. Im Anschluss an die Vorführung im Gartenbaukino sprach die Britin im Festivalzentrum über ihre Erfahrungen und forderte "einen Weckruf für uns alle".

Persönliches Thema

"Es gab dieses brennende Verlangen in ihr, diese Dokumentation zu machen", erklärte Redgraves Sohn Carlo Nero, der "Sea Sorrow" produziert hat. "Das ist gewissermaßen auch die Kulmination ihres Lebenswerks." Während des Zweiten Weltkriegs als Kind selbst Flüchtling in ihrem Heimatland, hat sich Redgrave zeit ihres Lebens für Menschenrechte eingesetzt. "Es ist zwar ein sehr persönliches Thema, aber nun ist es universal geworden", so Nero. Die Schauspielerin ("Julia") selbst gab sich im eineinhalbstündigen Gespräch sehr kritisch. "Ich habe gelernt, genau achtzugeben, was Menschen sagen, was niedergeschrieben wird und was damit jeweils gemeint ist." Mit Amnesty International habe sie in Amerika Gefängnisse besucht, wo Flüchtlinge eingesperrt wurden. "Ich konnte mit diesen Menschen sprechen. Sie haben kein Verbrechen begangen, sie haben um Asyl angesucht. Sie haben gedacht, die USA sind das Land der Freiheit."

Integration funktioniert

Kurt Riha von der Caritas Wien verwies angesichts von knapp zwei Jahren Wahlkampf in Österreich darauf, dass Integration in erster Linie negativ dargestellt werde. "Aber das Gegenteil ist der Fall: Integration funktioniert." Es gebe viele positive Beispiele, die allerdings in der öffentlichen Diskussion kaum vorkommen würden. "Diese wird von negativen Aspekten dominiert." Außerdem werde seitens der Politik teils mit symbolischen Lösungen gearbeitet, sprach er u.a. das aus seiner Sicht "lächerliche" Verhüllungsverbot an. "Das ist bezeichnend, wie die österreichische Politik in bestimmtem Zusammenhang mit Problemen umgeht. Man glaubt offenbar, so politisches Kleingeld machen zu können."
 

Menschlich, zu helfen

Was sich seit 2015 getan hat, brachte Eva-Maria Burger von Amnesty International Österreich auf den Punkt: "Ist Willkommen noch ein gutes Wort? Stellte man sich 2015 die Frage, was man für Flüchtlinge tun kann, war die Antwort so offensichtlich. Es war so menschlich, ihnen zu helfen, zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Heute scheint es ein Problem zu sein." Die Stimmung habe sich gedreht, auch beeinflusst durch Politik und Medien - aber eigentlich müsse die Antwort immer noch lauten: "Sprecht mit ihnen, nehmt Kontakt auf, es sind genauso Menschen wie wir. Wir müssen aufstehen und ganz laut Willkommen rufen." Abschließend betonte Redgrave die Bedeutung der Menschenrechtsgesetze. "Es gibt Druck von verschiedenen Seiten in der Gesellschaft, diese zu missachten." Man müsse diesbezüglich "oben und unten" ansetzen, sprach sie davon, dass sowohl Bürgerbewegungen wie politische Entscheidungsträger wichtig seien. Demokratische Abläufe dürften nicht untergraben werden. "Sonst könnte diese Kerze jederzeit erlöschen. Wir brauchen einen Weckruf für uns alle. Wir sollten uns von Bezeichnungen wie runder Tisch oder Diskussion verabschieden, wir sollten es Weckruf-Momente nennen."
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