Nachkritik

Abgespeckter "Wallenstein" mit Gert Voss

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Gert Voss brillierte am Burgtheater in Thomas Langhoffs sehr „heutiger“ Inszenierung als Schillers schillernder Kriegsherr Wallenstein.

2005 war „Schillerjahr“ (anlässlich des 200. Todestages), 2009 wird zumindest eine Art Schillerjahr werden (anlässlich des 250. Geburtstages). Die meiste, beinahe hysterische Aufmerksamkeit kommt und kam dem Dichter allerdings heuer zu: Im Sommer inszenierte Peter Stein Schillers im Dreißigjährigen Krieg angesiedelten Theater-Marathon Wallenstein mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle: Zehn Stunden dauerte die fast ungekürzte, texttreue Aufführung in einer Berliner Fabrikshalle; die Kostüme waren historisierend (Stulpenstiefel, aufgeklebte Bärte); die Kritiker schwelgten („Triumph“, so die Süddeutsche) oder gähnten: „eine lähmend langatmige Inszenierung“, so der Spiegel.

Gestrichen
Im Wiener Burgtheater hatte gestern Thomas Langhoffs Wallenstein-Inszenierung mit Gert Voss in der Titelrolle Premiere. Markantester Unterschied zur Berliner Aufführung: Der Theaterabend dauerte nur vier Stunden, denn Langhoff hatte den ersten Teil der Trilogie (Wallensteins Lager), den er in einem Interview schon einmal als „saublöde“ abqualifiziert hatte, kurzerhand gestrichen.

Konträr zu Peter Stein wird der Wiener Wallenstein auch nicht als „Kostümfest“ zelebriert, sondern verwendet modernes Outfit und Equipment: Den historischen Hellebarden (Hieb- und Stichwaffen) ziehen Langhoffs Söldner die weit effektiveren Maschinenpistolen vor.

Welten
Welten liegen auch zwischen Brandauers Rollengestaltung, der – wie der Spiegel bemerkte – Schillers schillernden Kriegsherrn so komisch anlegte wie Johnny Depp seinen Käpt’n Jack Sparrow (in Fluch der Karibik), und dem Wiener Wallenstein Gert Voss: Dieser konzentriert sich auf die tragische Seite des genialen und fantasievollen Strategen, der durch seine taktische Entscheidungsschwäche zum Untergang verurteilt ist.

Der Beste
Mit Schillers Wallenstein verkörpert Gert Voss, knapp nach Shakespeares König Lear, ein weiteres Endspiel eines Mächtigen, dessen tiefen Fall er so atemberaubend und schwindelerregend darzustellen vermag, dass man sofort an den Honorartitel denkt, den die Londoner Times dem Burgtheater-Mimen zugeeignet hat: „Gert Voss ist der beste Schauspieler Europas.“

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