Unkorrekt

Charlotte Roche über Puff und Sadomaso

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"Fair Trade Puffs" und Autorenzukunft: Bestsellerdame Charlotte Roche spricht über ihren Buch-Bestseller Feuchtgebiete.

Das Buch-Wunder des Jahres heißt Feuchtgebiete und stammt von der TV-Moderatorin (VIVA, Pro 7) Charlotte Roche. Egal, in ­welche Buch-Bestenliste man schaut – ob Spiegel, ÖSTERREICH oder Amazon: Die Feuchtgebiete der gebürtigen Engländerin rangieren unangefochten auf Platz 1.

Talkshows
Dass die Dreißigjährige in den letzten Wochen auch zu Mini-Lesungen in sämtliche TV-Talkshows – von Kerner bis Stefan Raab – eingeladen wurde, hat vor allem damit zu tun, dass die Neo-Autorin in ihrem Debütroman ausspricht, was viele Frauen nur zu denken wagen: In den Feuchtgebieten geht es – sehr offenherzig und nicht nur appetitlich – um Masturbation, Analverkehr, Sex während der Menstruation, Intimrasur, aber auch um den Hygiene-Overkill der Kosmetikindustrie, der heutigen Mädchen eine permanente Panik vor Bakterien eintrichtert.

Ein Porno?
450.000 Exemplare soll Charlotte Roche in Deutschland und Österreich schon verkauft haben. Und ihre Lesetourneen sind Publikumsmagneten. Wer sich ­allerdings von den Feuchtgebieten einen stinknormalen Porno erwartet, ist schiefgewickelt: Denn in Roches Romanerstling geht es weniger um den alltäglichen „Vollzug“ als um die ganz und gar unalltäglichen Sex-Experimente einer 18-jährigen Erzählerin, die – wegen einer „Analfissur“, die sie sich beim Rasieren zugezogen hat – im Spital liegt und ihre zum Teil nicht unriskanten Selbstversuchsreihen Revue passieren lässt.

Riesenspaß
„Also habe ich mich zu einem lebenden Muschihygiene­experiment gemacht“, heißt es da etwa in dem Buch. „Mir macht es Riesenspaß, mich nicht nur immer und überall bräsig voll auf die dreckige Klobrille zu setzen. Ich wische sie auch vor dem Hinsetzen mit meiner Muschi in einer kunstvoll geschwungenen Hüftbewegung einmal komplett im Kreis sauber (…). Das mache ich jetzt schon seit vier Jahren auf jeder Toilette. Am liebsten an Raststätten, wo es für Männer und Frauen nur eine Toilette gibt.“

„Vorsicht, nichts für Sauberkeitsfanatiker!“, warnte der Buchrezensent der Tageszeitung Die Welt alle Empfindlichen vor der Lektüre.

Lieblingsthemen. Sie habe sich schon als Jugendliche für derlei Themen – „Hämorrhoiden, Rasur, Masturbation und Krankenhaus“ – interessiert, sagt Charlotte Roche im ­ÖSTERREICH-Interview. „Das sind meine absoluten Lieblingsthemen!“

Bereits als erfolgreiche Moderatorin (VIVA Fast Forward) – Harald Schmidt nannte sie die „Queen of Pop-TV“ – habe sie versucht, die ­Interviews „in diese Richtung zu lenken“. Dafür wurde sie immerhin mit dem erlauchten Grimme-Preis belohnt. Doch die Senderchefs hätten ihr zu viel dreingeredet und auf „Verharmlosung“ gedrängt.

Deshalb könne sie sich vorstellen, künftig mehr Buch als TV zu machen. „Ich kam in den Genuss der absoluten Freiheit zwischen Buchdeckeln“, schwärmt die neue Bestseller-Produzentin.

ÖSTERREICH: Sie haben unlängst „Fair-Trade-Puffs“ vorgeschlagen. Was kann man sich darunter vorstellen?

Charlotte Roche: Auch ich bin ja so erzogen worden, dass Pornografie oder Puffs böses Männerwerk sind und rundum ekelhaft. Aber: Nicht Prostitution ist schlimm; die Arbeitsbedingungen der Prostituierten sind schlimm. Daher fände ich es eine ganz witzige Idee, „Fair-Trade-Puffs“ zu machen.

ÖSTERREICH: Sie sagten auch: Frauen wären sadomasochistisch veranlagt. Tatsache?

Roche: Alice Schwarzer hat ­früher mal sadomasochistische „Bondage“-Bilder von Helmut Newton verteufeln und verbieten wollen. Sie fand solche Bilder, die nahelegen, dass Frauen von Natur aus masochistisch seien, politisch inkorrekt. Aber es muss ­Gebiete geben – wie Sex im Bett –, die frei sind von politischer Korrektheit und in denen Frauen nicht nur an Alice Schwarzer denken.

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