Familienfest

"Die Habsburgischen" - Nicht immer lustig

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Brilliante Darsteller, durchwachsene Kompositionen, engagiertes Buch - so lässt sich die Premiere zusammenfassen.

Es kommt wohl nicht oft vor, dass das Programmheft in der Pause begehrter ist als der Prosecco. Doch bei der Uraufführung des Musicals "Die Habsburgischen", das gestern, Samstag, in den ehemaligen Hofstallungen der Herrscherdynastie - heute MuseumsQuartier genannt - eine Achterbahnfahrt durch die österreichische Geschichte wagte, obsiegte der Wissensdurst. Dass eine ausklappbare Ahnentafel der Habsburger nicht viel übersichtlicher ist als das Geschehen, das Michaela Ronzoni (Buch) und Christian Kolonovits (Musik) in zweieinhalb Stunden auf die Bühne brachten, zeigte sich dann beim wenig euphorischen und dementsprechend kurzen Schlussapplaus.

Viele Klischees
"Bitte schalten Sie Ihr Handy aus. Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Bild- und Tonaufnahmen in der Gruft untersagt sind, um die Ruhe der Toten nicht zu stören", hallte es zu Beginn der Vorstellung durch die Halle E des Museumsquartiers. Ein nicht sehr origineller Gag am Rande, der jedoch symptomatisch für den Abend werden sollte. Dass 700 Jahre Geschichte nicht ohne Augenzwinkern auf die Bühne zu bannen sind, ist klar. Dass dieses Unterfangen nicht ohne allseits bekannte Zitate - ob nun historisch wahrheitsgetreu oder nicht - auskommt, ebenso. Ob Klischees in dieser Fülle auf Kosten des natürlichen Witzes einer Zusammenkunft aller Herrscher nötig sind, ist schon eher fraglich.

Tiefgang durch Ort der Handlung
Als eine "Komödie mit Tiefgang" wurde die von Stefan Huber inszenierte neue Produktion der Vereinigten Bühnen Wien angekündigt. Doch bereits nach wenigen Szenen wurde klar: Lustig ist diese Produktion nicht wirklich, für Tiefgang sorgt oft mehr der Ort der Handlung - die Kapuzinergruft, wo eine Putzfrau (herrlich: Sigrid Hauser) zu den Klängen von "Wie Böhmen noch bei Öst'reich war" ihren Wischmob durch die leeren Hallen schwingt, als Maria Theresia (den Abend mittragend: Maria Happel) den Schauplatz betritt.

Zuerst will die Putzfrau die Monarchin ja noch abstauben, entschließt sich dann aber doch dazu, ihr den Niedergang der Monarchie mit Hilfe von Filmwissen zu erklären. Doch schnell überschlagen sich die Ereignisse: In (oft allzu) kurzen Szenen treten bunt aus den Jahrhunderten zusammengewürfelte Verwandte auf, um sich über politische oder private Entscheidungen zu streiten. Da reiten Ottokar von Böhmen (Roman Frankl) und Rudolf I. (Sascha Oskar Weis) auf Steckenpferden ein, um sich nach kurzem (Wort-)gefecht umzubringen. "Ein Königreich für ein Pferd", heißt es da, die Putzfrau bemerkt lakonisch: "Das war 'Ottokars Glück und Ende'". Bevor das überrumpelte Publikum richtig lachen kann (oder will), folgt schon der nächste Auftritt, jetzt streiten sich Rudolf I., Friedrich III. und Rudolf IV. (Raphael Johannes Kübler) in einer Komposition von Kolonovits lautstark, wer von ihnen nun der Wichtigste war.

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Immer wieder greift Maria Theresia rettend ins Chaos ein, erklärt der Putzfrau - und wohl auch dem verwirrten Publikum - in aller Kürze, wer nun wer ist und für welche Taten er in die Geschichte eingegangen ist. Hoch droben steht Kolonovits am Dirigentenpult und rahmt die Handlung mit eher schwachen Eigenkompositionen und dann doch eindrucksvoll bearbeiteten Klängen von Wagner, Chopin, Brahms oder Johann Strauss ein.

Sieben Darsteller in über 40 Rollen
Nur sieben Darsteller schlüpfen in rasender Geschwindigkeit in insgesamt 40 Rollen. Dass Ronzoni hier einen Erzähler eingefügt hat, ist ein gescheiter Schachzug. Dass man sich bei all den verrückten Monarchen auskennt, ist schlussendlich aber den größtenteils sängerisch und durchgehend darstellerisch brillanten Akteuren zu verdanken, die jeder ihrer Rollen schillernde Charakterzüge verleihen. Nicht gespart hat man auch bei den Kostümen von Susanne Hubrich, die eine historische Einordnung wesentlich erleichtern. Bei so viel Bewegung auf der Bühne hat Stefan Huber einen schlichten, aber wirkungsvollen Weg gefunden, die Szenerie mit Hilfe der schweren, mobilen Särge (Bühne: Harald Thor) blitzschnell zu verwandeln.

Zwischenapplaus fällt selten leicht
Doch so lustig Luises Kurzauftritt vor der Hochzeit mit Napoleon ("Ich bin mein Uterus!") oder die Beinamputation von Friedrich III. ist, so wenig kann sich in den kurzen Auftritten Spannung aufbauen. Nicht selten fällt der Zwischenapplaus dem Publikum nicht gerade leicht, etwa nach Textzeilen wie "Wenn ich auch am Samenstau erstick', bin ich ein echter Katholik" oder Maria Theresias an das Musical "Elisabeth" erinnerndem Solo "Ich bin stark". Musikalisch wie darstellerisch erfrischende Auftritte wie die Lack- und Lederperformance von Johanna (in allen weiblichen Rollen herausragend: Delia Mayer) und Philip I. werden durch wenig umwerfende Einlagen wie Franz Stephans' peinlicher Botschaft aus dem Jenseits ("Mon tendre Amour") relativiert.

Originelle Sisi
Originell ist der Sekundenauftritt von Kaiserin Sisi (ebenfalls Delia Mayer), die - auf einen Fotowunsch hin - schrill kreischt "Ich gehör nur mir" oder das "Dinner for one" gegen Ende der Monarchie, als Kaiser Franz Josef (u.a. Alexander Waechter, Boris Eder) in fünffacher Ausführung (darunter als Innen- und Außenminister und Oberbefehlshaber der Armee) diniert und dann allein zu opulenten Klängen von Haydns Kaiserhymne selbst in den Sarg steigt, weil er einfach keinen Tafelspitz bekommt. Viel Applaus für die Akteure, höflicher Beifall für Buch, Komposition und Regie. So viel Geschichte geboten wurde, in die Geschichte eingehen werden "Die Habsburgischen" nicht.

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