Jazz Fest Wien

Bryan Ferry rockte Wiener Staatsoper

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Legendärer Pop-Dandy entführte im Haus am Ring in längst vergangene Zeiten.

 Dass Auftritte alter Helden eine recht eigenwillige Dynamik entwickeln können, ist wohl weithin bekannt. Dass aber gestandene Popstars vergangener Dekaden sich selbst einmal auf längst Verblichenes besinnen und den eigenen Sound in beinahe antike Sphären entführen, ist nicht ganz alltäglich. Als Bryan Ferry mit seinem Orchestra am 1. Juli die Wiener Staatsoper beehrte, gab es nicht nur knalligen Pop, sondern auch schwungvolle Jazz- und Brassklänge, die gut 100 Jahre in die Vergangenheit führten.

Zweite Mal bei Jazz Fest

Was insofern passend war, als Ferry wie schon 2011 zum Jazz Fest Wien geladen wurde. Die Regentschaft des beschwingten Klangs, exerziert von einer zehnköpfigen Dixieland-Truppe, genoss der Meister anfänglich abseits der Bühne. Die ersten 20 Minuten gehörten ganz Bandleader Colin Good und seinen Mannen, die Roxy-Music-Klassiker wie "Avalon" oder "Do the Strand" in ein Südstaatenflair betteten. Knallig, farbenfroh und druckvoll wurde da agiert, wobei es für Nichteingeweihte teils eine Herausforderung gewesen sein dürfte, die kurzweiligen Darbietungen den entsprechenden Originalstücken zuzuordnen.

Von Beginn an ein Erfolg
Dies wurde spätestens dann erleichtert, als der 67-jährige Pop-Dandy unter tosendem Applaus die Bühne betrat und das Motto lautete: Zurück in die Zukunft. Von den "Roaring Twenties" wurde der Sprung in die 70er und 80er Jahre gewagt, nun auch elektronisch verstärkt und mit einer auf insgesamt 15 Personen angewachsenen Band. Wenn es dann etwa bei "Reason Or Rhyme" hieß "Just A Dance To The Music Of Time", war man sich nicht ganz sicher, welche Zeit denn nun gemeint war. Für Ferry schien es ohnehin einerlei, er tänzelte zu Funk- und Disco-Schnippseln, war aber leider stimmlich der Soundwand, gegen die er anzukämpfen hatte, nicht immer gewachsen.

Die "Mehr ist Mehr"-Maxime   
Denn auch "Re-Make/Re-Model" oder "N.Y.C." galten an diesem Abend als Versuche, der "Mehr ist Mehr"-Maxime zu folgen: Jede noch so kleine offene Stelle der Stücke wurde mit Tönen vollgestopft, bis die Gefahr eines undefinierbaren Breis zum Greifen nahe war. Eine Wohltat dann das Amy Winehouse Cover "Back To Black", etwas zurückhaltender intoniert und von Ferry ebenso überzeugend dargeboten wie Curtis Mayfields Gassenhauer "Move On Up" als Rausschmeißer. Da passte die Abstimmung zwischen Blechbläsern, Schlagzeugdoppel und den Bedienern der diversen Saiteninstrumente, womit Ferry seinen leicht dekadenten Charme spielen lassen konnte.

Loblied an Haus am Ring
Ansagen benötigte er dafür keine, neben ein paar gehauchten Dankeschöns gab es nur einen kleinen Satz über "dieses wunderschöne Theater, diese wunderschöne Stadt". Wobei Schmeicheleien eigentlich nicht notwendig waren, misst man den Zuspruch etwa am Applaus für "Smoke Gets In Your Eyes" - wohlgemerkt bereits nach den ersten gespielten Tönen. Auf den Punkt auch das pulsierende "Chain Reaction", wenngleich die Musiker hier - nicht zum einzigen Mal an diesem Abend - mit Rückkoppelungen und Soundproblemen zu kämpfen hatten. Sollte es Ferry gestört haben, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

Staatsoper shakte mit
Knapp zwei Dutzend Songs und recht kurze eineinhalb Stunden später gab es folglich viel Liebe vonseiten des Auditoriums, das es die letzten drei Songs nicht mehr auf den Sitzen hielt. Die musikalische Reise von den Anfängen schwarzer Popmusik bis zum glamourösen Aufblitzen elektronisch verfremdeter Klänge war in jedem Fall unterhaltsam, wenn auch an einigen Wegstellen vom Überfluss geprägt. Welch großartige Stimme Ferry auch heute noch hat, wurde leider zu wenig unter Beweis gestellt. Als Lehrstunde des Entertainments mit doch recht einfachen Mitteln - und vor allem starkem Songmaterial - ging dieser Abend aber in jedem Fall durch.

Info
Alle Informationen zum Jazz Fest Wien erhalten Sie unter www.viennajazz.org

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