Seine Memoiren

Das irre Leben des John le Carré

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John le Carré, Autor von Agenten-Megasellern, erzählt aus seinem Leben.

85 wurde der britische Schriftsteller John le Carré am Mittwoch. Von Interviews hält er sich „so weit wie möglich fern“, und auch sonst sieht er ungern Artikel über sich, wie er in Der Taubentunnel beschreibt. Der rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse erschienene Memoirenband gibt interessante Einblicke in Leben, Denk- und Arbeitsweise des Autors – auch wenn er, wie er sagt, über vieles nie schreiben wird.

Der Taubentunnel ist keine durchgehende Geschichte und kein chronologisch erzählter Erfahrungsbericht, sondern eine Sammlung von „Geschichten aus meinem Leben“, wie schon der Untertitel deutlich macht.

Spion. In 38 Kapiteln schildert le Carré, der 1963 mit Der Spion, der aus der Kälte kam seinen ersten großen schriftstellerischen Erfolg feierte, besondere Begegnungen, Erlebnisse und Phasen seines bewegten Lebens – „wahre Geschichten nach meiner Erinnerung (…), verschleiert, wenn nötig. Verfälscht auf gar keinen Fall.“

Immer wieder taucht in dem Buch die Welt der Geheimdienste auf, wenn er auch über seine eigene Tätigkeit für britische Dienste in den späteren 50er- und frühen 60er-Jahren wenig mehr als einzelne Eckdaten und allgemeinere Eindrücke über die damalige Atmosphäre preisgibt. „Ich bin durch Reste altmodischer Loyalität meinen früheren Diensten gegenüber ebenso gebunden wie durch Vereinbarungen, getroffen mit den Männern und Frauen, die mit mir zusammengearbeitet haben“, hält er fest.

»Sie verfluchter Mistkerl«, rief einmal ein Agent

Amüsant beschreibt le Carré, wie sich im Laufe seines Lebens die unterschiedlichsten Leute an ihn wandten, die in ihm offensichtlich mehr als einen Autor ­sahen, der über Spionage schreibt. Er habe sich „über Nacht und allein aufgrund meiner Schriftstellerei als Experte für alle Fragen rund um den Geheimdienst“ wiedergefunden. Leser wollten von ihm wissen, „wie man denn Spion oder Spionin werden könne“, und der damalige italienische Präsident Francesco Cossiga fragte ihn nach Einschätzungen zu den Geheimdiensten Italiens, worauf er „keine im Geringsten nützliche Antwort“ gehabt habe.

Ex-Kollegen. Geschildert wird aber auch, dass die ­Begeisterung bei manchen Ex-Kollegen über die Art und Weise, wie le Carré britische Geheimdienstmitarbeiter darstellte, gelinde gesagt enden wollend war. „Sie verfluchter Mistkerl“, brüllte ihm etwa einmal ein MI6-Agent bei einer Veranstaltung in Washington entgegen.

Für le Carré sind Spionage­tätigkeit und Schriftstellerei „wie füreinander geschaffen“: „Beide erfordern sie ein waches Auge für menschliche Verfehlungen und die vielen Wege hin zum Verrat.“ Wobei le Carré, der mit bürgerlichem Namen David Cornwell heißt, so manches nach eigenem Empfinden nicht erst beruflich erlernen musste – „mit acht Jahren war ich schon ein gut ausgebildeter Spion“, schreibt er an einer Stelle. Und an einer anderen: „Nicht die Spionage lehrte mich Verschwiegenheit. Ausflüchte und Täuschungsmanöver waren die wichtigsten Waffen meiner Kindheit.“

Hochstapler. Dieser Kindheit und der Beziehung zu seinem Vater – „Hochstapler, Fantast, immer wieder mal Knastbruder“ – und der weitestgehend abwesenden Mutter, die eines Nachts die Familie verließ, ist auch der persönlichste Abschnitt des Buches mit dem Titel Der Sohn des Vaters des Autors gewidmet. „Trotz der vielen Stunden, die ich mich in Gedanken mit ihm abgequält habe, bleibt er mir immer noch genauso ein Rätsel wie meine Mutter“, merkt le Carré einmal an.

Ein humorvolles Buch, 
voller Selbstironie

Der Taubentunnel ist ein vielseitiges Buch, streckenweise ernst und kritisch, dann wieder humorvoll und voller Selbstironie. Im Kapitel Verlorene Meisterwerke geht es etwa um berühmte Regisseure und geplante Le-Carré-Verfilmungen, aus denen nie etwas wurde.

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