Das weite Land

Da sitzt man im falschen Film

Teilen

Alvis Hermanis inszenierte „Das weite Land“ völlig an Schnitzler vorbei.

Gleich zu Beginn blähen sich unheilschwanger die Vorhänge; der Sturm stößt eine Vase mit künstlichen Rosen um; ein blonder Vamp blickt angstvoll durch die Jalousien, hinter denen sich der Schatten eines Mannes mit breitkrempigem Hut abzeichnet. Dazu dröhnt ein nervenzerfetzender Hollywood-Sound der Vierziger- oder Fünfzigerjahre … Man glaubt, man ist im falschen Film!

„Film noir“-Ästhetik
Nein, eigentlich sitzt man ja in Wahrheit im Burgtheater und sieht Schnitzlers Weites Land, aber der lettische Regisseur Alvis Hermanis hat das Stück – bekanntlich eines der famosesten Stücke der Weltliteratur, das wie kein anderes gesellschaftliche, familiäre und eheliche Auflösungsprozesse im Wien des Fin de Siècle thematisiert – im Stil eines amerikanischen „Film noir“-Thrillers inszeniert. Und das passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Aug.

Zur Warnung sei gesagt, dass Hermanis in den folgenden vier Stunden nicht allmählich zurückrudert, sondern sich immer weiter von Schnitzler entfernt: Wenn etwa in der Bergwelt des Völser Weihers ein Kleinwüchsiger auf einem Haufen Filmblondinen herumturnt und hektisch dirigiert, wirft die Geduld auch des geduldigsten Zuschauers das Handtuch.

Künstlichkeit
Wirklich entziehen kann sich dieser albernen Regie-Künstlichkeit nur der großartige Peter Simonischek als charmanter und gefühlskalter Hofreiter; alle anderen Akteure – auch Dörte Lyssewski (Genia), Corinna Kirchhoff, ja sogar Kirsten Dene – wirken wie Schemen auf Filmplakaten. Da wird man ganz nostalgisch und sehnt sich … nein, nicht nach alten Hollywood-Filmen, sondern nach guten Schnitzler-Inszenierungen.

Alvis Hermanis inszenierte „Das weite Land“ völlig an Schnitzler vorbei. Nicht nur der permanente Hollywood-Sound nervte.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.