Nicholas Ofczarek

Der nackte "Jedermann" in Wien

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Blutrausch am Wiener Burgtheater

Freizügig
Viel mehr Details kann man vom neuen „Jedermann“ Nicholas Ofczarek, der 2010 Peter Simonischek am Salzburger Domplatz ablösen wird, nicht mehr enthüllen. Bei der Premiere von Alfred de Mussets Historiendrama Lorenzaccio am Freitagabend an der Burg zeigte sich der künftige Jedermann, wie Gott ihn schuf: Nackt. Splitternackt.

In diesem „skandalösen“ Kostüm brilliert der 38-Jährige als tyrannischer Herzog Alessandro de Medici. Ohne Hemmung wälzt er sich mit Burg-Star Michael Maertens, der dessen dekadenten Cousin „Lorenzaccio“ spielt, hüllenlos auf einer weiß getünchten Couch, küsst dessen Mund und den nackten Po von Nachwuchs-„Nestroy“-Preisträger Gerrit Jansen. Die Kollegin Melanie Kretsch­mann verführt er passioniert zwischen Essensresten und Champagnerkübel auf einer langen Tafel.

Diskussion
Mutige Szenen für ein Traditionshaus wie das Wiener Burgtheater. Denn weniger das hartgesottene Premierenpublikum als die Abonnenten und Besucher der Folge-Vorstellungen werden leidenschaftlich debattieren, ob an der Burg eine derart „explizite“ Inszenierung gezeigt werden soll.

Nicht nur Ofczarek und Maertens – das ganze Stück ist in jeder Beziehung „ausschweifend“. Immerhin schreibt das lange Zeit als unspielbar geltende „Lesedrama“ des französischen Romantikers Alfred de Musset mehr als 60 Rollen und 40 verschiedene Spielorte vor. Doch Regisseur Stefan Bachmann strich das Monstrum kurzerhand auf die Hälfte zusammen und ließ die 30 Rollen von einer Handvoll der besten Burg-Schauspieler verkörpern. In deren Mitte: Mavie Hörbiger. Sie feiert als Lorenzaccios entzückende Schwester ihr Comeback aus der Babypause und zugleich ihr Burgtheater-Debüt.

Premiere
Auf Nicholas Ofczarek werden sich auch nächsten Sommer Augen und Erwartungen der Theaterwelt richten. In Salzburg wird der zweifache „Nestroy“-Preisträger erstmals an der Seite von Buhlschaft Birgit Minichmayr – die erst kürzlich als „Publikumsliebling“ und für ihren Weibsteufel zwei„Nestroys“ kassierte – den Jedermann verkörpern. Doch bis dahin rekelt sich „Alessandro“ Ofczarek noch auf der größten Wiener Bühne. So wie Gott ihn schuf.

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