Kamera als politische Waffe

Edith Tudor-Hart im Wien Museum

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Fotografin und Kommunistin dokumentierte Kampf & Elend der Arbeiterbewegung.

 Sie war kommunistische Agentin, Exilantin in London und sozialkritische Künstlerin: Das Wien Museum widmet der lange Zeit fast vergessenen und daher kaum beachteten heimischen Fotografin Edith Tudor-Hart ab morgen, Donnerstag, eine umfangreiche Personale. Die Schau zeigt Bilder aus den 1930er- bis 1950er-Jahren und spannt thematisch einen Bogen von Licht- und Schattenseiten des Roten Wiens über den rauen Alltag walisischer Bergarbeiter bis hin zu Kinderporträts nach dem Zweiten Weltkrieg.

   Das Oeuvre der 1908 geborenen und 1973 verstorbenen Wienerin war mehrere Jahrzehnte lang verschollen. Dem um vier Jahre jüngeren Bruder, dem Kameramann Wolfgang Suschitzky, ist die Wiederentdeckung zu verdanken. Er übergab 2004 zahlreiche Negative den Scottish National Galleries. Mit der Ausstellung "Edith Tudor-Hart. Im Schatten der Diktaturen" im Haus am Karlsplatz wird der Nachlass nun hierzulande erstmals und bis zum 12. Jänner 2014 dem Publikum präsentiert.
Edith Tudor-Hart wuchs unter ihrem Mädchennamen Suschitzky in einem linken jüdischen Elternhaus auf, knüpfte bereits als Teenager Kontakte zur KPÖ bzw. zur Kommunistischen Internationale und war von Anfang an für den Geheimdienst aktiv. Schon ihre ersten Aufnahmen ab 1930 zeugten von der "politischen Begeisterung einer jungen Frau", konstatierte Museumsdirektor Wolfgang Kos im Rahmen eines Pressetermins.

Auch das "rote Wien" ist Thema
Einige Bilder dokumentieren die Anstrengungen des Roten Wiens, die Situation der Arbeiterklasse zu verbessern - Karl-Marx-Hof, Freizeitparadies Lobau und die Massenaufmärsche am 1. Mai inklusive. Ihrem anklägerischen Impetus folgend wagte sie aber auch einen Blick in die von der Sozialdemokratie oft verschwiegenen, aber nach wie vor bestehenden Elendsquartiere - als Kontrast zu den propagierten "Arbeiterpalästen"- , zeigte Kinder, die in Obststeigen schliefen und Kriegsveteranen, die sich als Jo-Jo- oder Obstverkäufer durchschlugen. "In gewisser Hinsicht hat sie Fotografie als Waffe gesehen", sagte ihr inzwischen 101-jähriger Bruder. Um den zunehmenden Repressalien gegen Kommunisten zu entgehen, ging Edith - sie hatte kurz zuvor den englischen Arzt Alexander Tudor-Hart geheiratet - 1934 nach England und setzte ihr sozialkritisches Werk, das in diversen Magazinen veröffentlicht wurde, fort. Mit dem Stilmittel des Kontrastes transportierte sie immer wieder politische Forderungen. Ein schmuddeliges Mädchen vor einem übervollen Bäckereischaufenster oder die Gegenüberstellung eines Hundesalons mit einem verwahrlosten Hinterhof dienten ihr zur drastische Veranschaulichung des Gegensatzes von Arm und Reich, Überfluss und Entbehrung.

Viele bewegende Bild-Reportagen
Dank ihrer Reportagen aus Bergbau- und Schwerindustriegebieten in Wales und Nordengland, die von der Wirtschaftskrise besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, habe sich Tudor-Hart in die Geschichte der politischen Fotografie Großbritanniens eingeschrieben, so Kurator Duncan Forbes. Wobei der Künstlerin zeitlebens große Anerkennung bzw. erwähnenswerte Einkünfte verwährt blieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich Tudor-Hart politisch ernüchtert und war wegen ihres linken Engagements inzwischen beruflich weitgehend isoliert. Ihre Kameraarbeit widmete sie nun vorrangig Kindern. Sie porträtierte junge Flüchtlinge infolge des Spanischen Bürgerkriegs, fotografierte im Auftrag des britischen Unterrichtsministeriums den Nachwuchs bei Sport und Bewegung oder fand in einem Buben, der über die Ruinen des zertrümmerten London fast zu schweben scheint, die Symbolkraft für Befreiung und Zuversicht.

Die letzten Jahre der Fotografin
Ab Ende der 1950er-Jahre veröffentlichte Tudor-Hart überhaupt keine Bilder mehr - vermutlich auf Verlangen des britischen Geheimdiensts. Schließlich arbeitete sie nach wie vor als Agentin niederen Ranges. Trotz zahlreicher Verhöre wurde sie nie verhaftet und verbrachte ihren Lebensabend bis zum Tod 1973 als Antiquitätenhändlerin in Brighton. "Ihr Leben als Partisanin der sowjetischen Sache endete für sie als besiegte und zermürbte Frau", so Kurator Forbes.

Info
"Edith Tudor-Hart. Im Schatten der Diktaturen" von 26. September  bis 12. Jänner 2014 im Wien Museum am Karlsplatz. Infos zu Spezialführungen und Begleitprogramm unter www.wienmuseum.at . Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.



 

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