“Habe die Ehre”

Ehrenmordkomödie im Nestroyhof

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Junger, in Wien lebender syrischer Arzt Ibrahim Amir schrieb schrilles Stück.

Der Familienrat tagt. Wer ist Manns genug, die Ehre der Familie wiederherzustellen und die im Nebenraum ruhig gestellte untreue Gattin, Tochter und Schwiegertochter umzubringen? Die Pistole, mit der bereits ihr Liebhaber erschossen wurde, geht reihum - aber jedem fällt eine andere Ausrede ein, warum ausgerechnet er das Unabdingbare nicht persönlich erledigen könne. Die Emotionen gehen hoch, und nach ein paar Schreien und Schüssen steht plötzlich die Polizei vor der Türe. - Als "Ehrenmordkomödie" wird das Stück "Habe die Ehre" beworben, das am kommenden Dienstag (29.1) im Wiener Theater Nestroyhof Hamakom uraufgeführt wird. Geschrieben hat es der junge, aus Syrien stammende Arzt Ibrahim Amir.

Real Erlebtes spielt große Rolle
"Ich habe so eine Geschichte als Bub mitbekommen", erzählt der 28-Jährige, der nach einem Medizinstudium in Wien derzeit seinen Turnus macht. "Damals wurde eine Frau und ihr Freund buchstäblich exekutiert. Ich habe miterlebt, wie alle Gefühle wie Mitleid und Trauer unterdrückt wurden und man sich stattdessen mit Fluchen und Schimpfen Luft gemacht hat. Für manche ist die Ehre das höchste Gut - wie etwa Geld für andere: Wenn man sie verliert, bleibt einem nichts mehr." Als er im Rahmen des interkulturellen Autorentheaterprojekts "Wiener Wortstätten" über verschiedene Wertvorstellungen schreiben wollte, kam Amir rasch auf das Thema das Ehrenmordes. Erste Versuche gerieten ihm tonnenschwer. "Also habe ich mir gedacht: Ich mache eine Komödie daraus. Die Figuren meinen es alle todernst, aber die Situation ist zugleich wahnsinnig komisch. Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass dieses Konzept aufgehen kann."

Skurilles Stück ohne Tabus

Herausgekommen ist eine überdrehte, knallige Farce. "Es gibt kein Tabu und kein Klischee, das nicht durch den Kakao gezogen wird", werben die "Wiener Wortstätten", "seine Figuren sind wie aus einem Tarantino-Film entsprungen." "Tarantino ist ein großartiger Filmregisseur", sagt Amir im APA-Gespräch, "In der Art und Weise des Geschichten-Erzählens gibt's vielleicht wirklich Parallelen, aber ich habe beim Schreiben nicht bewusst an ihn gedacht." Viel wird davon abhängen, ob Regisseur Hans Escher die richtige Balance findet zwischen dem ernsten Thema und seiner komödiantischen Auflösung. "Ich bin auch sehr gespannt darauf, wie meine Freunde darauf reagieren werden", schmunzelt Amir, der für eventuelle weitere Aufführungen von "Habe die Ehre" auch bereits mit dem Schauspiel Köln in Kontakt ist.

Aus der Realität gegriffen

In Syrien hatte der in Aleppo geborene Kurde ein Studium der Theater- und Medienwissenschaften begonnen, war jedoch nach einer Schweigeminute für kurdische Opfer im Irak exmatrikuliert worden. Als er 2002 nach Österreich kam, konnte er kein Wort deutsch. "Ich war immer faul mit Sprachen. Ein sechsmonatiger Deutschkurs war Voraussetzung für das Studium. Bald habe ich schon viel auf Deutsch gelesen, mehr als auf Arabisch oder Kurdisch. Und nach sechs Jahren habe ich angefangen, eigene Texte auf Deutsch zu schreiben." 2009 wurde er für seine Kurzgeschichte „In jener Nacht schlief sie tief“ mit dem exil-Literaturpreis „schreiben zwischen den kulturen“ ausgezeichnet.

Autor ist Arzt mit Hang zur Kreativität
Mittlerweile ist Ibrahim Amir verheiratet und gespannt, welche medizinische und literarische Karriereschritte noch auf ihn warten. "Wien ist meine Heimat geworden." Große Sorgen bereitet ihm dagegen die Lage in seiner Geburtsstadt, wo seine Familie lebt. "Momentan ist es zwar wieder ruhiger geworden in Aleppo, aber die Kommunikation ist sehr schwierig. Strom gibt es dort nur eine Stunde pro Tag. Und wenn man einander via Telefon oder Internet erreicht, versucht man in verschlüsselten Botschaften möglichst viel zu erfahren. Die Lage ist chaotisch, aber Assad ist noch stark. Es gibt im Moment kein wirklich vorstellbares Szenario für ein baldiges Ende."

Info
"Habe die Ehre" von Ibrahim Amir  wird am 29. Jänner im Theater Nestroyhof Hamakom uraufgeführt. Weitere Vorstellungen finden am 31. Jänner sowie am 1., 2., 6.-9., 13.-16. Februar statt. Alle Informationen dazu finden Sie unter www.wortstaetten.at.

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