Frankfurter Buchmesse

Argentinien sorgt für Emotionen

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Präsidentin Cristina Kirchner sorgte mit ihrer Rede für Begeisterung.

Die Zukunft des Buches und die Vergangenheit des Gastlandes Argentinien standen am Dienstagabend, 5.10. bei der offiziellen Eröffnung der 62. Frankfurter Buchmesse im Mittelpunkt der Reden. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner wurde am Ende ihrer fulminanten und emotionalen Rede eine ungewöhnliche Belohnung zuteil: Nachdem sie den traditionellen Börsenhammer auf dem Rednerpult entdeckt und um Rat gebeten hatte, was sie damit machen solle ("Auf das Pult oder jemandem auf den Kopf schlagen?") bat sie der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, als ersten Gast in der Geschichte der Buchmesse, den Hammerschlag zur Eröffnung gemeinsam mit ihm vorzunehmen.

Argentinische Wiedergeburt

Überraschende Ehrungen abseits des Protokolls hatte es auch zuvor gegeben. Frankfurts seit 15 Jahren regierende Oberbürgermeisterin Petra Roth war von Honnefelder mit der Ehrenplakette des Börsenvereins "Förderin des Buches" ausgezeichnet worden; Präsidentin Kirchner hatte stellvertretend für die rund 70 nach Frankfurt gekommenen argentinischen Autoren Elsa Oesterheld auf die Bühne gebeten, die Witwe des während der Militärdiktatur zusammen mit ihren vier Töchtern verschwundenen Autor Hector Oesterheld. "Damit ehre ich alle, die sich dem Leben und der Gesellschaft verpflichtet fühlen", sagte Kirchner. Oesterheld sprach unter Tränen von einer "Wiedergeburt aus ungeheuren Schmerzen, die unser Land erleiden musste". Auch sie selbst habe gedacht, dass sie tot sei, und erlebe nun neue Hoffnung.

"Argentinien schminkt sich nicht"

Die Auseinandersetzung mit der Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) zieht sich nicht nur durch die neuere Literaturproduktion, mit der Argentinien einen eindrucksvollen Buchmessen-Auftritt liefert, sondern wurde auch bei der Eröffnung immer wieder angesprochen. Honnefelder erinnerte ebenso wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) daran, dass 1976 Südamerika der allererste Schwerpunkt der Buchmesse gewidmet war, zu einer Zeit, als in Argentinien noch die Diktatur herrschte. Auch die 82-jährige argentinische Schriftstellerin Griselda Gambaro beschäftigte sich in ihrer literarischen Eröffnungsrede ebenso mit dieser Zeit, in der Autoren ihr gesellschaftliches Engagement "entweder mit Exil oder mit ihrem Leben bezahlten". Kirchner bekannte sich zu einem ungeschminkten Umgang mit der Vergangenheit, in allen Kapiteln seiner 200-jährigen Geschichte seit der Unabhängigkeit von europäischer Kolonialherrschaft und insbesondere mit der Militärdiktatur: "Argentinien schminkt sich nicht und es wird sich nicht schminken."

Gegenwart und Zukunft
Neben der "Erinnerung an die unauslöschliche, tragische Spur dessen, was in unserem Land passiert ist", gehe es Argentinien in seiner Präsentation aber vor allem um die Gegenwart und die Zukunft: "Was sie hier sehen werden, ist ein vibrierendes Argentinien, ein Argentinien in Bewegung, ein Argentinien, das nie resigniert hat." Mit ihrer frei vorgetragenen Rede gewann Kirchner (die in ihrer Delegation von gleich drei Ministern begleitet wird) aber nicht nur mit politischen Statements die Sympathie des Publikums: Die Präsidentin outete sich auch als "unermüdliche Leserin", die es sich nie hätte träumen lassen, einmal einen Auftritt ihres Landes auf der Buchmesse eröffnen zu dürfen ("Manchmal werden Träume wahr!"), und auch als Vertreterin der "Generation Gutenberg", die das haptische Erlebnis des gedruckten Buches schätze.

Internet und Co.
Die Entwicklungen der Digitalisierung und die Gefährdung des geistigen Eigentums durch Umgehung des Urheberrechts im Internet wurden nicht nur von Honnefelder (der insbesondere auf die Fortführung des Google-Prozesses in den USA hinwies) und Buchmessen-Direktor Jürgen Boos angesprochen, sondern auch von Westerwelle. Er habe zwar den Eindruck "dass sich der soviel beschriebene Patient Buch allerbester Gesundheit erfreut", versprach aber politische Hilfe beim Schutz geistigen Eigentums: "Ich warne dabei vor Bagatellisierung: Wer das geistige Eigentum nicht schützt, der wird den Geist verlieren."

Die bis Sonntag, 10.10. dauernde 62. Buchmesse ist ab morgen dem 6.10. für Fachbesucher und und am Wochenende für normales Publikum geöffnet. Insgesamt sind auf der weltgrößten Bücherschau 7.533 Aussteller aus 111 Ländern vertreten. Im Vorjahr wurden 290.000 Besucher gezählt.

 www.buchmesse.de
 

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