Bühnenessay

Jelineks "Rein Gold" in Buchform

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In ihrem Beitrag zum Wagner-Jahr geht es um Gott und Gold, Geld und Welt.

Sechs Stunden dauerte im vergangenen Juli die Ur-Lesung von "Rein Gold" im Rahmen einer von Nicolas Stemann eingerichteten Performance im Münchner Prinzregententheater. Nun gibt es Elfriede Jelineks monumentalen Bühnenessay auch zum Nachlesen in Buchform. Zwei ineinander verschnittene Monologe von Brünnhilde und Göttervater Wotan lassen sich zum Wagner-Jahr 2013 als zeitgenössische Fortschreibung der "Ring"-Themen, bei der das alte Rheingold auf neuen Hochglanz poliert wird, ebenso lesen wie als planmäßige Überforderung des Rezipienten, der haltlos vom Gedankenstrudel fortgerissen wird.

 "Also. Papa hat sich diese Burg bauen lassen, und jetzt kann er den Kredit nicht zurückzahlen. Eine Situation wie in jeder zweiten Familie." Wotans Eigenheimfinanzierung in Walhall ist zwar ebenso wie seine gefährliche Überschuldung oder sein arbeits- und sozialrechtlich bedenklicher Umgang mit den beiden Riesen Fasolt und Fafner eines der bald angeschnittenen Themen von "Rein Gold", doch keine Sorge: Jelinek macht zwar die Nibelungen zu "Niegelungen", aber aus dem ewigen Götterdrama kein heutiges Familienstück. Es geht um Schuld und Schulden, Gott und Gold, Geld und Welt. Also wieder einmal um alles oder nichts.

Dass die endlosen, über alle Rheinufer steigenden Textfluten mal B wie "Brünnhilde", mal W wie "Wotan, der Wanderer" zugeordnet sind, tut nicht wirklich etwas zur Sache. Hier werden nicht in Rede und Gegenrede Dinge verhandelt, hier reibt sich nichts im Dialog, sondern alles in der Sprache selbst. Hier spricht "es" und treibt die Dinge zwischen Assoziationsketten und Sprachspielereien voran, hier kommt man vom Hundertsten ins Tausendste. Doch "Rein Gold" ist handlungs- aber nicht haltungslos: Alles kreist um Kapitalismus- und Gesellschaftskritik. "Das mit den Immos, das war ein Irrweg."

Von Wagner zur Wirtschaft ist es meist nur ein kurzer Schluss. Ewige Götter und Helden sind nur einen Gedankensprung von Zeitungslektüre mit geringer Halbwertszeit entfernt. Die Details des rechten Terrors um die Zwickauer Nazigruppe oder der Affären Christian Wulffs hat kaum mehr jemand parat. Und dazwischen, in schöner Tradition der "ecriture automatique" aus der Feder Elfriede Jelineks, nimmt sich die Autorin immer wieder auch selbst auf die Schaufel: "Überhaupt: Arbeit nennst du das! Dein Abhängigkeitsverhältnis zum Schreiben ist, wie jeder Kenner weiß, notwendig für dein Wohlergehen und damit du überhaupt irgendetwas tust. Was andres kannst du ja nicht. Lächerlich."

Bei der Ur-Lesung waren am Ende kurz vor 2 Uhr früh nur noch 70 Leute im Theater. "Jelineks Sinnieren über die Abhängigkeit vom Geld und des Geldes von der Ware plätscherte als beinahe subkutan wahrgenommene Textmasse vor sich hin", hieß es damals in der APA-Kritik. Und: "Die Unternehmung 'Rein Gold' ist so maßlos wie das gesamte 'Ring'-Unternehmen in München, schlicht eine Überforderung, wie es Bachler im Interview nennt. Aber eine Überforderung, die zum Wesen der Kunst gehört." Der Rowohlt Verlag wirbt übrigens mit diesem Zitat. Mit der Quellenangabe "Wiener Zeitung". Auch hier beweist sich offenbar Jelineks Erkenntnis: Alles ist austauschbar. "Schon Gut, schon Gott, schon Gold."

Buch-Tipp
Elfriede Jelinek: "Rein Gold. Ein Bühnenessay", Rowohlt Verlag, 20,40 Euro, 224 Seiten)

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