Provokant

Kampusch-Drama auf der Bühne

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Kathrin Röggla widmet sich mit "Die Beteiligten" dem Fall Kampusch und der Sensationsgier rundherum

Kathrin Röggla machte sich als Schriftstellerin einen Namen, sie hat Romane veröffentlicht und Theatertexte. Ihrem neuesten Stück "Die Beteiligten" legte die junge österreichische Dramatikerin eine wahre Geschichte zugrunde: die von Natascha Kampusch, die nach ihrer Entführung acht Jahre lang gefangen gewesen ist. Das komplexe Stück und die nicht minder schwierige Inszenierung im voll besetzten Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels forderten das Publikum; dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - wollte der Beifall nach der Uraufführung am Sonntagabend, 19.4., nicht enden.

Sechs Figuren verkörpern "Die Beteiligten":
Ein "möchtegernjournalist", ein "selbsternannter medienexperte", eine "pseudopsychologin", eine Nachbarin und eine Moderatorin, die ein online-Magazin für 14-Jährige betreut. Eher am Rande steht ein "öffentlichkeits-kollege" als jemand, der wie Natascha Kampusch nach ihrer Befreiung im Scheinwerferlicht des öffentlichen Interesses steht. Alle Figuren geben vor, Anteil am Schicksal der jungen Frau zu nehmen - aber bald wird deutlich, dass ihnen mehr das eigene Interesse am Herzen liegt. Sie wünschen, dass ein Anteil des öffentlichen Interesses auf sie abstrahlt.

Sexleben in der Gefangenschaft
Der Dialog wirkt am schlüssigsten, wenn die Figuren gegen ihre Absicht mehr verraten als sie eigentlich wollen. Da ist zunächst, nur schwer verhohlen, die Neugier. Alle möchten gern wissen, wie das Sexleben in der Gefangenschaft war. Alle Interventionen laufen darauf hinaus, sie solle sich den Wünschen des Publikums anpassen, um dessen Interesse so lang wie möglich aufrecht zu erhalten. Am Schluss wenden sich die Figuren vom Gegenstand ihrer angeblichen Anteilnahme enttäuscht ab - das öffentliche Interesse ist erloschen.

Provozierende Erkenntnis
Genau das scheint das Ziel von Natascha Kampusch gewesen zu sein - sie wollte so schnell wie möglich in die Normalität zurückkehren. Darüber hinaus legt Kathrin Röggla eine provozierende Erkenntnis nahe: Natascha ist nicht nur klüger als ihre fehlgeleiteten Möchtegernberater, sie ist auch gebildeter, nüchterner und über ihre Jahre reif. Es scheint, als bekomme jemand, der in den prägenden Jahren der Erziehung von der Gesellschaft mit ihrer Reizüberflutung ferngehalten werde, eine bessere Grundlage fürs Leben, als junge Leute, die inmitten des üblichen turbulenten Alltags aufwachsen.

Medienkritisch und provokant
Stephan Rottkamps Inszenierung unterstützt vor allem diese medienkritische und provokante Seite des Stücks. Die Zuschauer werden zu Anfang des Spiels mit knapp vierzig Schicksalsgenossen in Boxen geleitet, in denen inmitten von fünf Bildschirmen ein Schauspieler sitzt. Auch er wird aufgenommen und sein Bild in andere Boxen übertragen, so dass sich eine Debatte zwischen den sechs "Experten" ergibt. Das Medium erzeugt dabei die Bedeutung, nicht der Sachverstand. Wir sollten nicht jedem glauben, nur weil er auf dem Bildschirm erscheint, so die Botschaft der Dramatikerin. Kathrin Röggla ist damit einmal mehr ihrem Ruf gerecht geworden, die scharfsinnigste Dramatikerin ihrer Generation in Österreich zu sein.

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