Handschriften

ONB kauft Handke-Vorlass um halbe Mio.

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Darunter sind Handschriften der vergangenen 20 Jahre bishin zu den Korrekturfahnen des noch nicht erschienenen Buchs.

"Zumindest in Form seines Vorlasses ist Peter Handke nun nach Österreich zurückgekehrt", freute sich Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) heute, Montag, bei einer Pressekonferenz anlässlich des Erwerbs des "Nachlasses zu Lebzeiten", wie es Robert Musil einmal formuliert hat. Mehrere tausend Blatt umfassen die handschriftlichen Werkmanuskripte, Notizen und Materialsammlungen Handkes aus den letzten beiden Jahrzehnten, für die das Österreichische Literaturarchiv der ÖNB mit tatkräftiger Unterstützung des Kulturministeriums 500.000 Euro hingelegt hat.

"Ich sehe das einerseits als Förderung für einen großen europäischen Dichter", so Kulturministerin Claudia Schmied (S), "und andererseits als Grundstein für eine umfassende Handke-Forschung". Daher habe sie auch zugesagt, aus dem Literaturbudget insgesamt 375.000 Euro für den Ankauf zur Verfügung zu stellen, die in Raten (175.000 Euro heuer, 2008 und 2009 jeweils 100.000 Euro) an Handke, der jüngst seinen 65. Geburtstag feierte, übermittelt werden. "Aus eigener Kraft hätten wir den Ankauf nicht tätigen können", unterstrich Rachinger.

Dem Erwerb der zahlreichen Manuskripte aus dem Bestand von Handkes Haus in Paris - darunter die großen Romane "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994), "Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos" (2002) sowie "Drei Versuche" (1992), "Don Juan (erzählt von ihm selbst)" (2004) und sein jüngster Roman "Kali" (2007) - seien zahlreiche Gespräche mit dem Literaturwissenschafter und Leiter des Literaturarchivs Wendelin Schmidt-Dengler vorausgegangen, den Kaufpreis habe man mit Hilfe von Gutachten und Schätzungen ermittelt.


"Wir haben auch eine Option im Vertrag, weitere Manuskripte anzukaufen, die noch auftauchen. Von einigen weiß Handke selbst nicht, wo sie geblieben sind", so Rachinger. Der Jubilar schickte eine Videobotschaft, die bereits bei seinem Wien-Aufenthalt vergangene Woche entstanden war: "Ich bin froh, dass meine Manuskripte in Sicherheit sind", scherzte Handke. "Ich sperre mein Haus fast nie ab". Die Grundidee, den Vorlass zu verkaufen, sei gewesen, "dass es wegkommt". Österreich sei sein Land und Handke sei "voll Vertrauen, dass die Nationalbibliothek der richtige Ort ist, wo Studenten darin blättern können und die Kaffeeflecken und Zeichnungen an den Rändern sehen". Schlussendlich gratulierte Handke sich selbst und der ÖNB.


Einen "unerhört interessanten Textbestand" stellt der Vorlass für Schmidt-Dengler dar. Enthalten sind auch zahlreiche Theaterstücke wie "Zurüstungen für die Unsterblichkeit" (1997), "Untertagblues" (2003) oder "Spuren der Verirrten" (2006) sowie Übersetzungen und essayistische Arbeiten seit den 90er Jahren.

Besondere Aktualität bekommt der Vorlass vor allem durch ein Stück: Die korrigierten Druckfahnen der Erzählung "Die morawische Nacht", die erst Anfang Jänner bei Suhrkamp erscheinen soll, dokumentieren nicht nur die kurzfristige Umbenennung des Textes (ursprünglich: "Samara"), sondern zeigt zahlreiche im Nachhinein in das Manuskript eingefügte Abschnitte.

Die erworbenen Materialien sollen in den nächsten Monaten aufgearbeitet werden und dann der Forschung zur Verfügung stehen. Geplant ist auch die Initiierung eigener Forschungsprojekte sowie die Herausgabe einer spezifischen Themennummer zu Peter Handke in der hauseigenen Reihe "Profile".

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