Salzburger Festspiele

"El Sistema"-Kinder mit Mambo & Mahler

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209 blutjunge Musiker aus Venezuela begeisterten unter Simon Rattle Publikum.

Sie sind zwischen sieben und maximal 15 Jahren alt, aber nichts an ihnen erinnert an den üblichen Klang eines Kinderorchesters. Das Orchestra Sinfonica Nacional Infantil aus Venezuela gab am Samstag, Vormittag (10. August)  bei den Salzburger Festspielen ein Konzert in der Felsenreitschule. Simon Rattle stand am Pult und dirigierte Musik von Gershwin und - als zentrales Werk dieser Matinee - Mahlers Erste Symphonie, den "Titan". Damit aber nicht genug, nach Mahler heizten die 209 jungen Musiker dem Festspielpublikum mit einem atemberaubend raffinierten Arrangement eines Mambo ein und sorgten für Standing Ovations.

Ungebrochener Jubel
Apropos Standing Ovations: Die ließ sich das Publikum bereits nach der "Cuban Overture" von George Gershwin sowie den von Jesus Parra dirigierten lateinamerikanischen "Tänzen" von Alberto Ginastera nicht nehmen. Auch diese an Rumba angelehnten Werke sind von ungeheuerer rhythmischen Komplexität. Die schwungvolle Präzision, effektvoll garniert mit exakt choreografierten Bewegungen in einzelnen Instrumentengruppen, machte diese Matinee zum vergnüglichen Festakt. Ein so riesiger Apparat rhythmisch derart auf dem Punkt ist wirklich bewundernswert. Jede andere Bezeichnung als "höchst professionell" wäre Untertreibung.

Kinder bereits mehr als professionell
Seriös mit Profiorchestern vergleichbar ist dieses Kinderorchester nicht nur bei Mambo oder Rumba, Musik also, die für jungen Venezolaner als musikalisches Heimspiel bezeichnet werden kann. Die Mitglieder dieses Klangkörpers stammen überwiegend aus sozial extrem schwierigen Verhältnissen des Schwellenstaates Venezuela und wurden im wohl einzigartigen sozialpädagogischen Projekt "El Sistema" ausgebildet. Und es verblüfft, dass sich die 127 Buben und 82 Mädchen in ihren bunten Bühnengewändern für Maestro Rattle als hoch konzentrierte und disziplinierte Partner auch bei Mahlers "Titan" erwiesen. Eine solche Klangkultur ist von derart jungen "Stöpseln" normalerweise nicht zu erwarten.

Resümee
Mag sein, dass dem einen oder anderen Bläser in exponierten Sololagen die Nerven einen Streich gespielt haben oder an wenigen Stellen Intonationsfehler in den Streichern hörbar wurden, die mit der Routine eines Profiorchester (auch nicht immer) vermeidbar sind. Mag auch sein, dass in der Interpretation mancher Passagen von Mahlers volksmusikantischem und zugleich höchst kunstvollem Gebilde nicht alle Tiefengründe ausgelotet wurden. Und doch, Mahler war dabei heute in der Felsenreitschule und hätte wohl seine Freude gehabt. Genau wie die bis in die letzte Reihe hinauf begeisterten Gäste der Festspiele.

 

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