Theater an der Wien

"Lazarus" macht einen Abflug

Teilen

Guth legt Interpretation eines nicht-szenischen Werks vor, tut sich mit Schubert aber schwerer.

16 Bühnenwerke hat Franz Schubert komponiert - und keines hat es ins Repertoire der Opernhäuser geschafft. Dieses Schicksal dürfte wohl auch der szenischen Adaption seines Oratoriums "Lazarus" beschieden sein, die am 11. Dezember im Theater an der Wien von Claus Guth präsentiert wurde. Dieser "Lazarus" war großes Schauspielertheater, jedoch kein großes Musiktheater.

Weiteres nicht-szenisches Werk als Ausgangspunkt  

Guth hat sich wie bei seinem Erfolg mit Händels "Messiah" 2009 ein nicht-szenisches Werk als Ausgangspunkt für eine freie Inszenierung genommen. Im Falle des "Lazarus" kommt hinzu, dass Schuberts einziges Oratorium nur als Fragment erhalten ist und inmitten der aus dem Johannes-Evangelium entlehnten Grablegung des Lazarus abbricht. Dies lässt Guth auch musikalisch alle Freiheiten, die er mit weiteren Werken von Schubert und Charles Ives nützt. Wunderbar gelingt hier den Wiener Symphonikern etwa der unvermittelte Umbruch von der trauernden Ekstase der Lazarus-Schwester Martha zu den sphärischen Klängen von Ives' "The unanswered question".

Fragen von Sterben, Tod und einem Leben im Jenseits  

Szenisch lässt der Regisseur seine Protagonisten um die großen Fragen von Sterben, Tod und einem Leben im Jenseits kreisen und hat dafür den weißen Schwebezustand eines Zwischenortes gewählt. Diese Reduktion einer Abflughalle dominiert in der ersten Hälfte eine mächtige Treppe als Symbol der Himmelsleiter, des Aufstiegs in andere Sphären, über die es nur so wurlt, was nicht zuletzt dem beherzten Einsatz des Arnold Schoenberg Chores zu verdanken ist. Aus Flughafengeräuschen schält sich erst langsam Schuberts Musik, die schließlich in die einzelnen Arien mündet, die von den Sängern exkludiert, wie im Selbstgespräch vorgetragen werden, während die Szenerie um sie herum zum Tableau vivant erstarrt. Dieses auf die Dauer etwas starre Konzept wird in der Folge gebrochen, indem die Treppe einem leeren Transitraum weicht und damit größerer Spannung zwischen Musik und Spiel Platz macht. Mit der Freiheit der Musikwahl und Ives' sphärischen Klängen gelingt Guth jene wirkliche Poetik, die dem ersten Teil im Kern fehlte, der streckenweise an Marthaler erinnerte. Am Ende geht das Gewusel am Flughafen auch dann noch weiter, als der Vorhang über den Beteiligten fällt. Das Leben geht ad infinitum seinen Gang.

Mehr Theater als Oper
Diesem etwas unausgeglichenen Entwurf stand ein Ensemble gegenüber, das sich vom schauspielerischen Niveau her näher am Theater als an der Oper bewegte - stimmlich aber leider ebenso. Kurt Streit musste als Lazarus vor allem in der Höhe forcieren, Annette Dasch hatte für ihre überspannte Schwester Maria auch nicht den besten Tag erwischt und Ladislav Elgr zeigte einen zutiefst gutturalen Nathanael. Als Publikumslieblinge kristallisierten sich umso deutlicher Cigdem Soyarslan vom Jungen Ensemble des Hauses mit ihrem Glockensopran und vor allem Bariton Florian Boesch heraus, dem seine Liederfahrung bei Schubert sichtlich zugutekam. Freundlicher Applaus stand am Ende für alle Beteiligten, wenn auch kein euphorischer. Jetzt warten alle auf den Messias. Der wird am 14. April 2014 erwartet - wenn Claus Guths Händel-Inszenierung im Theater an der Wien wieder aufgenommen wird.

Info
"Lazarus" von Franz Schubert, Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Regie: Claus Guth, Ausstattung: Christian Schmidt. Wiener Symphoniker unter Michael Boder. Mit Kurt Streit (Lazarus), Annette Dasch (Maria), Stephanie Houtzeel (Martha), Florian Boesch (Simon), Cigdem Soyarslan (Jemina), Ladislav Elgr (Nathanael). Weitere Aufführungen am 13., 16., 18., 20. und 23. Dezember. Karten: 01 / 58885, www.theater-wien.at


 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.