Thater an der Wien

Trashiger Troubadour verzaubert Publikum

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Philipp Stölzl inszenierte Verdis "Trovatore" als schrille Hommage an die Hysterie.

Comic und Oper, Trash und "Troubadour": Die Verdi-Trilogie der Wiener Festwochen wurde am 26. Mai am Abend im Theater an der Wien unter lautem Jubel abgeschlossen. Philipp Stölzl inszenierte "Il Trovatore" als schrille Hommage an die Hysterie, als surrealistische Hitschleuder, die nicht Story sein will, sondern farbenfrohes Tableau für große Stimmen und große Emotion. Mit einem wuchtigen Sängerquartett und einem dröhnenden Orchestergraben gab es Verdi, bis es knallt.

"Troubadour" als Comicstrip 
Auf seinem weißen, leicht schräg gestellten Bühnenkubus zerlegt Stölzl die weitgehend abstruse Handlung des "Troubadour" in ihre Einzelbilder. Ein Comicstrip, getragen von einer direkten, stets überspannten Ästhetik. Turmfrisuren und Reifröcke wachsen in die Höhe und in die Breite, jeder Darsteller kommt als Karikatur einer Märchenfigur daher, die scheinbare Holzwand gibt immer wieder den Blick auf kurze Einblendungen im Animationsfilmmodus frei. Unter Verzicht auf eine sinnvolle Handlung und auf jegliche Figurenpsychologie lösen die Szenen einander kurzweilig ab.

Verdi als Ohrwurmhagel
Über die Geschichte um Manrico und Graf Luna - Kontrahenten in der Politik wie in der Liebe -, die nicht wissen, dass sie Brüder sind, weil Manrico einst von einer Zigeunerin geraubt wurde, die dann aber unabsichtlich statt ihn ihr eigenes Kind ins Feuer warf, soll man hier als Zuschauer wegen offensichtlicher Sinnlosigkeit gar nicht erst nachdenken müssen - sondern sich zurücklehnen und den Ohrwurmhagel genießen, den sich Verdi am Höhepunkt seiner Karriere erdacht hat.

RSO schmetter im Dauerforte Melodien heraus  
Dirigent Omer Meir Wellber, der schon bei den beiden ersten Teilen der Trilogie ("Rigoletto" im Jahr 2011, "La Traviata" im Vorjahr) auf wenig Gegenliebe bei Presse und Publikum getroffen ist, macht einem das neuerlich nicht immer leicht. Die feine Klinge hat der junge Israeli auch diesmal nicht mitgebracht. Fast im Dauerforte schmettert das Radio-Symphonieorchester die griffigen Melodien - immerhin teilt der Graben dadurch mit der Bühne die derbe, überspannte Gangart. Dass die Sänger dabei nicht untergehen, liegt an der Stimmwucht, die von den vier Protagonisten auf die Bühne gehievt wurde.

Giannattasio beeindruckte stimmlich  
Carmen Giannattasios kräftiger und ausdrucksstarker Sopran beherrscht die feinen Phrasierungen in Leonoras tragischem Ende mit viel Schönheit, neigt mit zunehmender Lautstärke aber dazu, ihrem schrillen Outfit nachzueifern. Minutenlangen Szenenapplaus erntete der polnische Bariton Artur Rucinski als Graf Luna, der seine rasende Eifersucht in samtene Arien zu gießen wusste. Zigeunerin Azucena, von Stölzl zum Horror-Kobold gestylt, wurde von der stimmlich beeindruckenden Marina Prudenskaja gesungen, bejubelt wurde auch der Koreaner Yonghoon Lee als Manrico.

Verdi-Schwerpunkt bei Wiener Festwochen  
Die "trilogia populare", drei von Verdis berühmtesten Opern, haben die Wiener Festwochen nun bis ins Verdi-Jahr zu seinem 200. Geburtstag gedehnt. Nach einem düsteren "Rigoletto" von Luc Bondy und einer konventionellen "Traviata" von Deborah Warner setzt Philipp Stölzl augenzwinkernd und siegessicher auf Verdi mit Spaßfaktor. Dass es nicht alle lustig fanden, bezeugten einige Buhs für die Regie, die sich aber nur vage im abschließenden Publikumsgetöse ausmachen ließen.

Info
"Il Trovatore" von Giuseppe Verdi, Regie: Philipp Stölzl, Dirigent: Omer Meir Wellber; mit Carmen Giannattasio, Artur Rucinski, Marina Prudenskaja und Yonghoon Lee. Weitere Vorstellungen am 29. und 31. Mai sowie am 3. Juni, 19.30 Uhr, Theater an der Wien; www.festwochen.at.

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