Festwochen-Vorschau

Verdis Troubadour "wie Rockkonzert"

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Am 26. Mai wird Verdis "Il Trovatore"  im Theater an der WIen aufgeführt.

Dass er Musikvideos mit Rammstein und Madonna gemacht hat, darauf wird Philipp Stölzl von Journalisten immer noch angesprochen. Dabei ist das lange her - und dazwischen liegen Jahre, in denen sich der deutsche Regisseur nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch auf der Opernbühne etabliert hat; insbesondere mit Richard Wagner. In Wien wird er nun erstmals arbeiten: Am 26. Mai feiert der dritte Teil der Verdi-Trilogie der Wiener Festwochen, "Il Trovatore" (der "Troubadour"), am Theater an der Wien Premiere.Im APA-Interview sprach Stölzl über die Oper als "hysterisches Stück mit trashigen Effekten", über das Kino, wo man "breiter denken" muss, und über seine Pläne für einen Wagner-Film.

Der Regisseur im APA-Talk

APA: Der "Troubadour" wird Ihre erste Arbeit in Wien sein - dabei haben Sie eine Zeit lang hier gelebt...

Philipp Stölzl: Ich habe etwa ein Jahr lang in Wien gewohnt und bei Dolezal und Rossacher gearbeitet, das ist aber schon eine ganze Weile her. Dann bin ich drei Jahre lang gependelt, weil meine Freundin Österreicherin ist. Mittlerweile habe ich sie aber davon überzeugt, nach Berlin zu ziehen. Und auch diese Arbeit hat sich jetzt eigentlich wegen der Koproduktion mit der Berliner Staatsoper unter den Linden ergeben.

APA: Ein erstes Mal ist es für Sie auch mit Verdi, Richard Wagner haben Sie schon öfter bearbeitet. Im 200. Geburtsjahr von beiden werden Verdi und Wagner gern als Gegenpole der Oper gezeichnet...

Stölzl: Das waren sie sicher auch. Gedanklich, in der Wahrnehmung, in der Popularität, im Selbstverständnis. Der eine der totale Erfolgsmensch, steinreich, der andere immer am Rande des Privatkonkurses. Verdi hat sich als Populärmusiker empfunden - und so sind auch seine Opern. Den "Troubadour" könnte man auf der Gitarre spielen. Verdis Melodien sind immer so gedacht, dass die Marktfrau sie nachpfeifen kann. Das ist natürlich völlig anders als der Wagner'sche Ansatz, wo alles erst einmal weggeräumt und von Null auf das Gesamtkunstwerk gezielt wird, das ist radikaler und elitärer, es fordert nicht die Marktfrau, sondern den Pilger nach Bayreuth. Die Musik ist bei Wagner immer orchesterzentriert, bei Verdi immer auf Sänger und Stimme.

APA: Wenn Sie als Filmregisseur den "Troubadour" als Drehbuch angeboten bekommen würden - müssten Sie es nicht mangels Plausibilität ablehnen?

Stölzl: Es ist lustig, dass man das beim "Troubadour" immer sagt - aber wie viele Opernlibrettos gibt es, die völliger Unsinn sind! Bei Verdi ist das aber völlig kalkuliert: Es gibt einen Briefwechsel zwischen ihm und dem Librettisten. Der sagt, dieses Stück, das er sich da ausgesucht hat, das sei doch totaler Unsinn, da könnte man doch die Erzählbögen viel besser bauen. Und Verdi antwortet, nein, genau dieses Fragmentarische und Grelle und Überzogene, das ist, was er wollte. Verdi war damals schon ein totaler Theaterprofi, das war kein Versehen. Er wollte, dass jede Szene ein emotionaler Höhepunkt ist. Er hat einmal gesagt, er würde sich eine Oper wünschen, die nur aus den Seufzern, dem Ach und dem Weh besteht.

APA:
Ist das als Regisseur nicht furchtbar schwierig?

Stölzl: Nicht, wenn man von Anfang an einige richtige Entscheidungen getroffen hat. Es ist ja tatsächlich so, als ob aus einer langen Geschichte zwei Drittel gekürzt worden wären und es bleiben nur die Höhepunkte, wo die Figuren mit aller Wucht zusammenprallen. Das ist natürlich ein erzählerisches Problem, weil wahnsinnig große Teile der Geschichte einfach fehlen. Aber mich erinnert es eher an ein Rockkonzert. Da ist eine Nummer nach der anderen, jede drückt und fetzt. Die Oper hat keinen Erzählbogen und ich habe auch nicht das Gefühl, dass man ihn wirklich vermisst. Es ist ein sehr hysterisches Stück mit trashigen Effekten und einer klapprigen Dramaturgie. Ich unterstelle Verdi, dass er genau diese klapprige Dramaturgie zum Stilmittel erhoben hat.

APA: Sie haben den Ruf, Ihrem Publikum starke, sinnliche Bilder zu bieten.

Stölzl: Ja, vom Film kommend versuche ich wahrscheinlich, im besten Sinne populär zu sein. Krasses Regietheater und Publikumsverstörung sehe ich mir zwar als Zuschauer ganz gerne an, aber mein Ding als Regisseur ist es nicht. Ich bleibe gern nah bei den Geschichten, Zweit- und Drittverspiegelungen interessieren mich weniger. Bei meinen Opern gab es tatsächlich ein paar sehr bildreiche, aber auch ein paar reduzierte. Der "Troubadour", naja... am Ende des Tages wird er schon fetzen. Aber im Grunde ist die Bühne eine einfache, weiße Holzkulisse. Das Stück selbst hat so viel Druck, dass es nicht karg wirken wird. Der Fokus liegt auf den Figuren - dafür ist das Theater an der Wien der perfekte Ort, weil es so klein ist. Die Bühne ragt außerdem in den Orchestergraben, die Darsteller werden so nah wie möglich an die Zuschauer gebracht.

APA: Mit den beiden ersten Verdis der Festwochen-Trilogie war die Kritik nicht ganz glücklich. Haben Sie die Produktionen gesehen?

Stölzl:
Nein. Aber der Troubadour ist in dem Sinne vielleicht "leichter", weil er in den letzten Jahren nicht so viel gespielt wurde wie "Rigoletto" oder "Traviata". Ich hoffe, dass es einfach Spaß macht, dieses Stück wieder zu entdecken. Wir haben eine ganz tolle Besetzung und der Dirigent Omer Meir Wellber ist ein sehr kluger Mensch. Meine Arbeiten werden von der Kritik meistens verrissen, sind aber beim Publikum ziemlich beliebt. Ich denke, von den Zuschauern wird eher eine sinnliche Erzählform gesucht, während sich die Kritik eher auf das Wagemutigere freut.

APA: Sie haben früher auch Musikvideos gemacht. Hat das mit Oper irgendetwas gemeinsam?

Stölzl: Das ist schon lange her. Für mich selbst, ja, ich habe bei Musikvideos gelernt, dass es mir Spaß macht und mir irgendwie liegt, Musik in Erzählung oder in Bilder umzusetzen. Der Entstehungsprozess, wo man etwas anhört und etwas in sich entstehen lässt, ist ein bisschen ähnlich - aber natürlich ist Oper viel raffinierter und vielschichtiger. Ich habe damals schon gesagt, ich würde gerne etwas Längeres machen, was musikalisch eine inspirierendere Struktur hat als so ein ewig gleicher Popsong. Abgesehen davon ist natürlich die Arbeit auf der Bühne eine ganz andere als am Filmset.

APA: Mittlerweile teilen Sie Ihre Zeit zwischen Film und Oper. Das scheint eine beliebte Kombination zu sein...

Stölzl: Ja, es gibt viele Filmregisseure, die sich der Oper gewidmet haben. Ich fühle mich da aber nicht wirklich zugehörig, weil ich vom Theater komme, auch meine Bühnen selber mache und mich als 100-prozentigen Theatermensch sehe, der irgendwie zum Film geraten ist. Im Moment ist es so, dass die Filme immer größer werden und damit gibt es Terminschwierigkeiten - ich habe aber auch für die nächsten Jahre Opernpläne, denn diese Arbeit ist mir sehr lieb geworden.

APA: Kino und Oper haben ein eher unterschiedliches Publikum. Bedenken Sie das mit?

Stölzl: Auf jeden Fall. Ich mache ja keine Autorenfilme, sondern populäres Kino. Mein aktueller Film, "Der Medicus", ist so teuer geworden, dass er einfach so sein muss, dass da wahnsinnig viele Leute reingehen. Das ist natürlich etwas ganz anderes, als in einem Opernhaus, wo das Publikum, noch dazu ein interessiertes, eigentlich auf jeden Fall kommt - das ist eine Befreiung vom Kommerziellen. Beim Film denkst du zwangsläufig viel breiter, denn es kommt der Moment, wo das Ding im Kino ist. Wenn dann keiner reingeht, hast du das Gefühl, drei Jahre deines Lebens umsonst gearbeitet zu haben. Aber beides hat seine Schönheit.

APA: Woran arbeiten Sie aktuell?

Stölzl: An einem Film über Richard Wagner - also eine Verbindung beider Welten. Der Film spielt rund um die Uraufführung des "Rings". In diesem Sommer 1876 mit dem unfertigen Festspielhaus, das Geld ist alle, er steht zwischen zwei Frauen und versucht unter Zahnschmerzen, dieses Riesenwerk auf die Bühne zu bringen.
(Das Gespräch führte Maria Handler/APA)

Info
"Il trovatore" von Guiseppe Verdi; Regie: Philipp Stölzl, Dirigent: Omer Meir Wellber; mit Artur Rucinski, Carmen Giannattasio, Mara Mastalir, Marina Prudenskaya, Yonghoon Lee. Premiere am 26. 5., 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 29. und 31. Mai sowie am 3. Juni. Theater an der Wien. (www.festwochen.at)

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