Private finanzielle Situation

Finanzen

Private finanzielle Situation

An den Stammtischen gehört es zur Lieblingsbeschäftigung der Österreicher über die derzeitige Lage zu „sudern“. Doch schätzen wir die aktuelle und zukünftige Finanzlage in unseren Haushalten tatsächlich so düster ein, wie so manche Gespräche in dunklen Eckkneipen prognostizieren? Zwei Umfragen im Herbst 2014 wollten dieses Thema genauer beleuchten. Dabei wurden Fragen zur gegenwärtigen finanziellen Situation und zur Entwicklung dieser Situation in den nächsten 12 Monaten gestellt.

Eckdaten der Befragung

Beide Umfragen wurden zwischen dem 08. und 17. November des Jahres 2014 durchgeführt und dabei wurden 1032 Personen über 15 Jahren befragt. Dabei wurde den Befragten eine Ordinalskala vorgelegt. Es musste also eine Auswahl zwischen begrifflichen Beschreibungen der eigenen finanziellen Lage gewählt werden, die an ihren Grenzen leicht verschwimmen können. So reichten die Antwortmöglichkeiten für die gegenwärtige Finanzzufriedenheit von „Sehr gut“ über „Ziemlich gut“, „ziemlich schlecht“ bis „sehr schlecht“. Die Zukunft konnte mit „Besser“, „Gleich“ oder „Schlechter“ bewertet werden. Natürlich wurde bei beiden Erhebungen die Option „weiß nicht“ hinzugefügt. In Deutschland wurden zum gleichen Zeitpunkt übrigens ähnliche Studien durchgeführt.

Ergebnisse der Befragung

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Quelle: European Commission © Statista.com

Kurz gesagt scheint es den Österreichern derzeit ziemlich gut zu gehen und sie erwarten, dass es ihnen in 12 Monaten gleich gut geht. Eine Mehrheit von zwei Drittel (67 %) der Befragten beschreiben den Zustand ihrer Geldbörse bzw. ihres Haushaltskonto nämlich genau mit diesem Attribut. Sogar 70 % der Befragten erwarten keine Veränderung dieser Einschätzung bis zum Herbst 2015.

Darüber hinaus sehen sich 14 % als sehr gut gestellt und gesamt gesehen 18 Prozent beneiden ihre Nachbarn doch ein wenig, denn sie haben sich gezwungen gesehen ziemlich schlecht oder sehr schlecht zur aktuellen Lage anzugeben (1 % konnte sich nicht entscheiden).

Die Österreicher und Österreicherinnen sehen zudem das Glas einen Tick halbvoller als halbleer, denn 16 % erwarten sich eine Verbesserung ihrer Situation, während nur 14 % eine Verschlechterung ihres Haushaltsbudgets erwarten (2 % konnten keine Prognose abgeben).

Der Vergleich mit Deutschland

Wie schlagen wir uns im Vergleich mit dem nördlichen Nachbarn, der eine der größten wirtschaftlichen Kräfte des Planeten stellt? Führt unsere Gemütlichkeit zu mehr Genügsamkeit oder mehr Optimismus in der Zukunft oder punktet die deutsche Strebsamkeit nicht nur im Fußballstadion?

Die Antwort bleibt zunächst leider unspektakulär, denn die identische Befragung führte in Deutschland zu einem sehr gleich verteilten Ergebnis. Identische zwei Drittel schätzen das finanzielle Befinden hinter der Wohnungs- oder Haustür als „ziemlich gut“ ein und 73 % erwarten keine Veränderung in den nächsten zwölf Monaten. Dieses Ergebnis legt oberflächlich betrachtet eine wirtschaftliche Verstrickung zwischen den beiden Nationen nahe.

Interpretation und Fallen der Umfrage

Es muss jedoch auf einige Gefahren bei der Interpretation dieser Umfragen hingewiesen werden. Es gibt keine genaueren demographischen Angaben zu den Befragten, wie die Verteilung zwischen Stadt- und Landbevölkerung oder männliche und weibliche Teilnehmer. Die Statistik muss also als nur bedingt repräsentativ angesehen werden.

Zudem spiegelt die subjektive Einschätzung der Finanzsituation nicht zwangsweise das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben wieder. Die zunehmend leichter werdenden Möglichkeiten einen Kredit zu beantragen und zu erhalten, die durch die Direktbanken, wie Santanderconsumer.at, bereit gestellt werden, können das empfundene Bild der Finanzlage zusätzlich verzerren.

Vor allem angesichts der sonstigen Nachrichten, welche die österreichische Wirtschaftslandschaft derzeit erschüttern, muss das positiv gezeichnete Bild dieser Umfragen aus den oben genannten Gründen und wegen weiteren Argumenten zumindest bezweifelt werden. So wird sich die Wirkung der aktuellen Steuerreform durch die kalte Progression in den nächsten Jahren bald aufheben. Die Prognosen bezüglich den Arbeitslosenzahlen schauen laut Statistik Austria ebenfalls nicht sehr rosig aus, denn die Quote soll in den nächsten Jahren die 9 % Marke durchbrechen.

Werden die Österreicher genügsamer?

Eine weitere Erklärung für das doch sehr positive Ergebnis dieser beiden Umfragen könnte in der Verschiebung der Erwartungen der Österreicher liegen. Die eigene Haushaltssituation misst sich nachweislich daran wie grün der Rasen des Nachbarn scheint. Wenn der durchschnittliche Wohlstand in Österreich sukzessive abnimmt, beeinflusst dies die persönliche Einschätzung des Wohlstandes nicht unbedingt sofort und da das BIP-Wachstum seit 2012 niemals die Marke von 1 % überschritten hat, spiegelt die allgemeine Wirtschaftslage kaum die erhobene Zufriedenheit wieder. Unsere Wirtschaft bewegt sich nämlich sehr nahe an der Stagnation, aber sollten die Österreicher wirklich schon damit zufrieden sein, wenn es nur nicht schlechter wird?

In Deutschland konnte im Jahr 2014 ein BIP Wachstum von 1,5 % verzeichnet werden. Von dieser positiven Tendenz sind wir noch eher weit entfernt und trotzdem sehen wir uns als identisch zufrieden. Das ist vielleicht unsere Gemütlichkeit aber vielleicht auch unserer zunehmenden Genügsamkeit zuzuschreiben, die im Sinne der kommenden Generationen etwas hinterfragt werden darf.

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