08. September 2008 11:25
Terminator vernichtet gefälschte Markenmode
"Nein, nicht Gucci!" Der ironisch-entsetzte Ruf eines Passanten am Linzer Hauptplatz zeigte Samstagmittag jedoch keine Wirkung: Über ein Fließband wurde das T-Shirt mit dem bekannten Markennamen in den "Terminator 5000 S" befördert. Und der machte kurzen Prozess: Nur kleine Schnipsel kamen am anderen Ende des überdimensionalen Reißwolfes wieder heraus.
Vernichtung von gefälschter Ware
Die Vernichtung war
rechtens - denn das vermeintliche Marken-T-Shirt war gefälscht. Und wie
Tonnen um Tonnen an gefälschten Gütern, die jährlich vom Zoll beschlagnahmt
werden, musste es daher vernichtet werden - eine sonst im verborgenen
ablaufende "Vernichtungsaktion", die das Computerkunstfestival Ars
Electronica an die Öffentlichkeit zur Diskussion herantrug.
Lacoste Krokodil im Reißwolf
Hohe Gitterzäune umgeben das
Areal am Hauptplatz, auf dem der "Terminator" sich langsam durch
fünf Tonnen an gefälschten Gütern arbeitet. Denn nicht wenige Passanten
kriegen bei den vielen Zigaretten, die stangenweise zerstört werden, sowie
Kleidungsstücken mit Krokodilen, drei Streifen und anderen
Markenkennzeichen, die eins nach dem anderen im Reißwolf verschwinden, große
Augen. Dass es nicht rechtmäßig wäre, diese Güter zu besitzen, spielt dabei
offenbar keine so große Rolle.
Jeder Vierte besitzt Fälschungen
Bekannt ist:
Produktfälschung passiert in großem Ausmaß. Den europäischen
Konsumgüterherstellern entsteht durch Produkt- und Markenpiraterie jährlich
ein Schaden von rund 35 Mrd. Euro, ergab kürzlich eine Studie der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Das entspricht etwa
zwei Prozent des gesamten Jahresumsatzes. Zollbeamte der EU-Mitgliedsstaaten
haben 2007 mehr als 79 Mio. Nachahmungen bzw. Fälschungen sichergestellt.
Andererseits hat jeder Vierte in der Befragung selbst angegeben, gefälschte
Konsumgüter zu besitzen.
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Ist die Vernichtung absurd oder gerechtfertigt?
Die Ars
Electronica, die sich heuer unter dem Motto "A New Cultural Economy"
mit den Grenzen geistigen Eigentums beschäftigt, will mit der Aktion am
Linzer Hauptplatz nun zweierlei zur Diskussion stellen: Einerseits, wie weit
der Schutz von Markenrechten und damit von Unternehmensinteressen über das
Gemeinwohl gestellt werden soll. Denn dass neuwertige Kleidungsstücke
einfach vernichtet werden müssen - so ist laut Ars Electronica-Chef Gerfried
Stocker die Gesetzesvorgabe -, ist angesichts so vieler notleidender
Menschen in Europa und anderswo nichts anderes als "absurd", wie
Stocker gegenüber der APA sagte. Dabei wäre es auch keine Lösung, einfach
die Marken-Labels zu entfernen, um so die Kleidung an Hilfsorganisationen
weitergeben zu können. Denn auch u.a. die Schnittmuster können geschützt
sein.
Es wird hämisch gegrinst
Andererseits sollen sich die
Passanten auch selber bewusstwerden, wie weit - oder besser: wenig weit -
ihre Achtung vor dem geistigen Eigentum geht. Das hämische Grinsen, mit dem
die Ars Electronica-Mitarbeiter jedes einzelne Stück den Passanten hinter
dem Zaun unter die Nase reiben, bevor es vernichtet wird, zeigt: "Wir
glauben fast ein Recht zu haben, gefälschte Mode besitzen zu dürfen",
sagte Stocker. Dabei ist der "Terminator" sogar auf Sparflamme
eingestellt: Bis zu 100 Tonnen könnte er pro Stunde vernichten. Es ist ein
sonst geheimes Geschäft, das mit dem "Terminator" erledigt
wird - wovon auch der Schriftzug "secret. service" auf den
Lastwägen des ausführenden Unternehmens zeugt.
Passanten geben ihre Kleider nicht her
Heute war es nicht so "secret",
sondern sorgte am umgebenden Flohmarkt für eine surreale Note. Ein Ars
Electronica-Mitarbeiter fragte Passanten, ob sie auch etwas Gefälschtes
tragen und sich gerne davon "erleichtern" würden. Großen Erfolg
hatte er damit nicht.
Foto: (c) Gucci