Zu Tode gemobbt

"Facebook-Link hat Joel ins Grab gebracht"

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Auf Facebook bloßgestellt - jetzt ist Joel tot. Seine Mutter erzählt.

Am Ende legte er sich aufs Zuggleis und ließ sich überrollen.

14. Mai 2010: Joel lacht viel an diesem Tag. Mit seinem Freund Philip spielt er Fußball, dann wollen sie zum GTI-Treffen. Vorher schaut Joel noch seine Facebook-Seite an – und erstarrt. Ein „Freund“ hat einen Link gesetzt, dort wird Joel als Schwuler gezeigt, mit Foto. „Du bist ein arschgef. Homo“, steht da.

Joel springt auf, läuft zum Gleis, sein Freund kann ihn nicht mehr einholen. Als der Zug kommt, bleibt er einfach liegen.

„Er hat es nicht mehr ertragen“, sagt seine Mutter Michaela Horn (44) aus Velden acht Monate danach. „Er wurde gemobbt“, auch „weil er keine Designer-Klamotten trug“. Jetzt will die sechsfache, seit 10 Jahren geschiedene Mutter andere Eltern aufrütteln. „Das Internet ist eine Gefahr.“

Mutter: "Link auf Facebook hat Joel ins Grab gebracht"

ÖSTERREICH: Frau Horn, warum, glauben Sie, hat Joel sich das Leben genommen?
Michaela Horn: Joel wurde in der Schule und auf ­Facebook extrem gemobbt. Er hat oft geweint. Mein Sohn konnte sich nie gegen die Übergriffe der Mitschüler wehren. Als ich ihm sagte, er solle einmal seine vier älteren Brüder in die Schule mitnehmen, hat er gesagt: ‚Gewalt ist keine Lösung.‘ So war er.

ÖSTERREICH: Warum wurde er gemobbt?
Horn: Er hatte ein paar Kilos zu viel und hat keine Designer-Klamotten getragen. Er wollte Hilfiger haben, aber das konnte ich mir nicht leisten. Er hatte ein hübsches Gesicht mit großen, blauen Augen. Auch deshalb wurde er gehänselt.

ÖSTERREICH: Was war dann der Auslöser für seine Tat?
Horn: Drei Wochen nach Joels Tod fanden wir auf seinem Facebook-Profil einen Link. Klickte man darauf, sah man Joels Foto, dargestellt als Schwuler. Den hatte jemand auf seine Pinnwand gesetzt, sodass das alle sehen konnten. Das muss jemand aus seiner Freundesliste gewesen sein. Als er das sah, ist er aufgesprungen und weggelaufen. Er hatte Angst, dass seine Mitschüler ihn als „Schwulen“ beschimpfen würden.

ÖSTERREICH: Gab es Vorzeichen für den Selbstmord?
Horn: Ich habe das völlig unterschätzt, ich wusste nicht, wie viel Joel das bedeutet, was über ihn auf Face­book geschrieben wurde. Seine Leistungen in der Schule haben nachgelassen, aber ich habe nur gedacht: Das ist die Pubertät.

ÖSTERREICH: Haben Sie Anzeige erstattet?
Horn: Ja, aber beim Landeskriminalamt Klagenfurt fühlte man sich nicht zuständig. Wir haben dann mit dem USB-Stick als Beweis Anzeige erstattet. Als sich wochenlang nichts getan hat, sprach man von einem „bösen Bubenstreich“. Dem Fall nachzugehen, würde meinen Sohn nicht mehr lebendig machen, hieß es. Und das, obwohl dieser Link zur Pornoseite meinen Sohn in den Tod getrieben hat. Die Pornoseite ist übrigens immer noch online.

ÖSTERREICH: Gab es in der Schule Aufklärung?
Horn: Ich bat die Direktorin um ein Gespräch mit den Eltern. Doch da war keine Kooperation. Im Gegenteil: Die Direktorin behauptete, Joels angebliches Mobbing sei eine böse Unterstellung gegen die Schule. Ich solle den Mund halten und die Sache auf sich beruhen lassen. Sie drohte sogar mit Konsequenzen, sollte ich an die Öffentlichkeit gehen. Dabei riefen Mitschüler in einem Nachruf auf, endlich mit dem „Dissen“ („Mobben“) aufzuhören. Das ist für mich der Beweis, dass meine Vermutungen stimmen.

ÖSTERREICH: Wie gingen Sie mit der Computernutzung Ihrer Kinder um?
Horn: Das war immer ein Thema zwischen Joel und mir. Bei mir war die Zeit, die er am PC verbrachte, streng reguliert. Dann ging er oft heimlich hin. Bei seinem Vater hatte er freien Zugang. Leider war da keine Jugendsperre am PC. Dann hätte Joel an jenem Abend diese Seite nicht öffnen können.

ÖSTERREICH: Ihr Rat an Eltern zum Thema Facebook?
Horn: Eltern sollten den Umgang ihrer Kinder mit dem PC altersgemäß strikt regeln. Man sollte die Kinder um Zugriff auf Facebook bitten, um Kontrolle zu haben, was da abläuft. Und sie sensibilisieren, dass sie ihr Profil sperren. Dass nicht jeder Zugriff auf das Profil hat. Und: Jugendschutz einrichten.

Interview: Maria Jelenko

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