Urteil in Wels

Iraker erstochen: Ein Jahr Haft für Syrer

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Wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen.

Mit einem Jahr Haft, davon vier Monate unbedingt, ist Mittwochabend im Landesgericht Wels der Prozess gegen einen Syrer zu Ende gegangen, der vergangenen Mai einen 42-jährigen Iraker im Streit erstochen haben soll. Der 28-Jährige war ursprünglich wegen Mordes angeklagt gewesen und wurde nun wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen - nicht rechtskräftig - verurteilt. Er hatte behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben. Sachverständige widersprachen dieser Version.

Der Beschuldigte und das Opfer hatten sich 2010 in Wels kennengelernt. Der Syrer war oft bei dem Iraker und dessen Familie, sie seien "beste Freunde" gewesen, so der 28-jährige Arbeiter. Im September 2011 habe ihm der 42-Jährige von sich aus 1.300 Euro für ein Auto geliehen. Im Frühjahr sollte er das Geld zurückzahlen, was er aber nicht konnte. Die Forderungen des Irakers seien daraufhin immer dringlicher geworden, so der Syrer. In der Nacht auf 5. Mai kam es schließlich zum tödlichen Streit: Er habe seine Wohnungstür offen gelassen, plötzlich sei der Iraker mit einem Messer hinter ihm gestanden, berichtete der Angeklagte. Er habe ihn beruhigen wollen, ihm das Messer abgenommen und ein- oder zweimal - und sicher nicht 13-mal - hingestochen, um die Rangelei zu beenden. "Ich hätte ihn doch nicht umgebracht."

In den Ausführungen des Obduzenten stellte sich der Hergang ganz anders dar: Die tödlichen Stiche könnten nur mit voller Kraft geführt worden sein und seien zudem von hinten erfolgt. Es liege keine Abwehrhandlung vor. Auch ein weiterer Sachverständiger, der die Blutspuren unter die Lupe genommen hatte, förderte Ungereimtheiten in den Aussagen des Syrers zutage. Ein Psychiater erklärte ebenfalls, dass es sich um keine Tat im Affekt gehandelt habe. Der 28-Jährige sei zu diesem Zeitpunkt diskretions- und dispositionsfähig gewesen.

Der Verteidiger sprach von einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang in Notwehr und von einem "furchtbaren Unfall". Sein Mandant habe nur aus purer Angst gehandelt. Die Staatsanwältin hingegen sah den Tatbestand des Mordes und vermutete in ihrem Schlussplädoyer, dass das Motiv im zwischenmenschlichen Bereich zu suchen sei und der Syrer möglicherweise eine Beziehung zu der Witwe des Opfers gehabt haben könnte. Die Frau hatte ausgesagt, dass ihr getöteter Ehemann aggressiv gewesen, der Angeklagte hingegen auch im Streit stets ruhig geblieben sei.

Dem Beschuldigten wurde die Untersuchungshaft angerechnet, er kann das Gefängnis bereits verlassen. Die Geschworenen hatten Mord einstimmig verneint und Totschlag mit fünf zu drei Stimmen bejaht. Der Verteidiger des Syrers verzichtete auf Rechtsmittel, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

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