Urteil ausgesetzt

Knalleffekt im Prozess um abgefackelte Gefängnis-Zelle: Prozess wird wiederholt

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Laienrichter konnten sich nicht auf Mordversuch einigen.

Der Schwurprozess gegen einen 33-jährigen Algerier, der am 16. Oktober 2016 seine Zelle in der Justizanstalt (JA) Josefstadt angezündet hatte, muss wiederholt werden. Die drei Berufsrichter setzten Mittwochabend das Urteil aus, nachdem die Geschworenen im Wiener Landesgericht die auf versuchten Mord lautende Anklage knapp, aber doch verworfen hatten.

Die Hauptfrage, ob der Angeklagte mit Tötungsvorsatz gehandelt hatte, beantworteten vier der acht Laienrichter nach mehrstündiger Beratung mit Ja, während sie von vier Geschworenen verneint wurde. Bei Stimmengleichstand ist zugunsten des Angeklagten vorzugehen, sodass der Mordversuch vom Tisch war. Selbst die Frage in Richtung Brandstiftung ging mit 4:4 Stimmen unentschieden aus.

Die Berufsrichter unter Vorsitz von Andrea Wolfrum akzeptierten diesen Wahrspruch nicht. Das bedeutet, dass die Causa vor einem völlig neu zusammengesetzten Schwurgerichtshof neuerlich verhandelt werden muss. Der Angeklagte bleibt bis dahin in U-Haft.

Der Algerier hatte in der Vier-Personen-Zelle Feuer gelegt, um seine Verlegung in einen anderen Haftraum zu erzwingen. Er war mit seinen Mitgefangenen nicht zufrieden, da er sich aufgrund sprachlicher Barrieren nicht mit ihnen verständigen konnte. Beim Prozessauftakt Anfang August hatte er den Tötungsvorsatz bestritten. Er habe zwar seine Matratze angezündet und wisse, dass Feuer eine gefährliche Sache ist. Er sei aber davon ausgegangen, dass die Justizwache rechtzeitig einschreiten und ihn und seine Kollegen retten werde.

Dass man in der JA nur um ein Haar einer Katastrophe entging, veranschaulichte am Verhandlungstag am Mittwoch der Einsatzleiter der Polizei. "Es war Chaos", erinnerte sich der Brandspezialist an den Moment, als er am Ort des Geschehens eintraf. Die Betriebsfeuerwehr hätte zuerst Löschversuche durch die Speiseklappe der in Brand gesetzten Zelle unternommen. Ohne Beiziehung der Wiener Berufsfeuerwehr wären die Insassen der Zelle aber wohl nicht zu retten gewesen. Dass die Gefangenen nicht an den Rauchgasen erstickten, "war nur dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass zwei Oberlichten geöffnet waren", stellte der Zeuge fest. Ansonsten wären sie nach Einschätzung des Experten binnen fünf bis sieben Minuten umgekommen.

Die drei Zellengenossen wurden schwer, einer davon lebensgefährlich verletzt. Elf Justizwachebeamte erlitten Rauchgasvergiftungen. Die Zelle wurde komplett zerstört. "Ich bin seit 23 Jahren bei der Justizwache. So was hab' ich noch nicht erlebt. Im Nachhinein bin ich froh, dass es keinen Toten gegeben hat", deponierte ein Justizwachebeamter im Zeugenstand.

Der damalige Einsatzleiter der Justizwache schilderte dem Gericht eindrucksvoll, was er wahrnahm, als er durch die Speiseluke ins Innere der Zelle blickte, nachdem der Alarm ausgelöst worden war: "Da war ein Feuerball. Und nachher war es stockfinster." Auch am Gang seien die Lichter ausgefallen, ehe sich ein Notstromaggregat in Betrieb setzte, das ein weiteres Vorgehen gegen die Flammen zuließ.

Auch dieser Zeuge unterstrich, dass das Überleben der drei Zellenkameraden des Angeklagten nur glücklichen Umständen zu verdanken war. Einer war demnach aufgrund der Rauchgasentwicklung nicht mehr bei Bewusstsein, als er von Einsatzkräften mit Atemschutzmasken aus dem Haftraum geborgen wurde. Ein weiterer Insasse hätte neben einer Kohlenmonoxidvergiftung schwere Verbrennungen am Oberarm erlitten, gab der Beamte an: "Es war so, dass man seine Tätowierungen gar nicht mehr gesehen hat."

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