Kärnten

Gift-Skandal: Behörde im April informiert

Teilen

Görtschitztal: Warum wurde die Bevölkerung erst jetzt informiert?

Milch und Viehfutter aus dem Kärntner Görtschitztal sind mit dem krebserregenden Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) belastet. Das Umweltgift stammt wahrscheinlich aus dem Zementwerk Wietersdorf in Klein St. Paul, wie der Werksleiter bekannt gab. Über Emissionen gelang das HCB in den Futterkreislauf, in den Kühen sammelte sich das Gift bis letztlich in der Rohmilch Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden.

Am Donnerstag ist auch die Justiz in der Sache aktiv geworden. "Ein Anlassbericht ist unterwegs. Spätestens morgen wird von uns ein Ermittlungsauftrag ergehen", sagte Staatsanwaltschaftssprecher Markus Kitz. Ermittelt werde vorerst gegen unbekannte Täter.

Problem seit April bekannt
Laut dem für Umwelt zuständigen Landesrat Rolf Holub (Grüne) ist das Problem mit dem HCB seit April bekannt. Damals stellte der Lebensmittelkonzern Rewe in Deutschland Überschreitungen beim Hexachlorbenzol-Grenzwert fest. Es wurden bei zwei Bauern kleine Überschreitungen festgestellt. "Es hat eine Zeit lang gedauert, bis die Landwirtschaft draufgekommen ist, dass es nicht ihre eigene Schuld ist." Die Belastung hätte nämlich auch aus Restbeständen eines bis 1992 verwendeten Beizmittels stammen können. Mitte September sei die Umweltabteilung informiert worden, dass nun plötzlich mehrere Betriebe betroffen seien. Damals seien aber keine Überschreitungen des Grenzwerts festgestellt worden, dennoch wurden die Lebensmittel nicht für den Verkauf freigegeben.

Auch Hannes Zechner, Obmann des Milchhofs "Sonnenalm" im Görtschitztal, kennt das HCB-Problem seit dem Frühjahr. Damals seien "geringste Spuren" bei Routinekontrollen sichergestellt worden. Die Behörden wurden daraufhin informiert und die Milchlieferanten überprüft. Über den Sommer wurde laufend kontrolliert, die gemessenen Werte gingen zurück. Im Herbst stiegen die Werte wieder. Inzwischen seien alle "Sonnenalm"-Bauern mit zugekauftem Futter ausgestattet, damit sichergestellt sei, dass nur mehr HCB-freies Futter verwendet werde, so Zechner.

Zementwerk als Verursacher?
Das HCB stamme "mit hoher Wahrscheinlichkeit" aus einem Zementwerk der Firma Wietersdorfer, wie die Unternehmensleitung bekanntgab. Seit Juli 2012 wird in dem Werk Blaukalk verwertet. Dass es möglicherweise ein Problem mit HCB gibt, wisse man demnach seit 10. Oktober. Als knapp einen Monat später Testergebnisse das Problem bestätigten, habe die Werksleitung reagiert. "(...) Seither wissen wir von HCB Emissionen und haben nach Rücksprache mit der Behörde am 7. November die Einbringung von Blaukalk in den Zementofen sofort eingestellt", so Werksleiter Berndt Schaflechner.

Greenpeace: Belastung jahrelang bekannt
Doch die Belastung des verwendeten Kalks mit Hexachlorbenzol (HCB) ist seit Jahren bekannt und im öffentlich aufliegenden Altlastenatlas des Umweltbundesamts dokumentiert.

2011 erhielt die Wietersdorfer Gruppe den Zuschlag für die Verwertung des Kalks. Der Kalkschlamm stammt aus einer Großdeponie, zugehörig einem Werk der Donau Chemie. Vonseiten der Donau Chemie wurde bestätigt, dass in der Ausschreibung sehr wohl die Verunreinigungen durch Lösungsmittel, darunter auch HCB, aufgeführt waren.

Werksleiter Schaflechner hatte noch am Donnerstagvormittag gesagt: "Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt." Eine Anfrage im Amt der Kärntner Landesregierung zu der Frage blieb zunächst unbeantwortet.

"Es kann nicht sein, dass das Zementwerk jetzt so tut, als ob es von der HCB-Belastung überrascht worden wäre", kritisierte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Für Greenpeace sei nicht nachvollziehbar, warum die Emissionen nicht früher entdeckt wurden. "Es liegt für uns auch der Verdacht nahe, dass die Kärntner Behörden bei Beginn dieser HCB-Entsorgung ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sein könnten", so Schuster.

Ob das HCB tatsächlich aus dem Zementwerk Wietersdorf stammt, stand am Donnerstag noch nicht zweifelsfrei fest. Entsprechende Laborergebnisse sind noch in Arbeit und werden erst innerhalb der kommenden zwei Wochen vorliegen.

Kaiser lässt Verantwortung in Regierung suchen
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat am Donnerstag die Landesamtsdirektion mit "umfassenden Untersuchungen" zu den Vorgängen im Görtschitztal beauftragt.

Kaiser will wissen, wer die Verantwortung trägt und warum die Öffentlichkeit erst ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des HCB-Problems in der Beamtenschaft informiert wurde.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.