Protest

Aufstand der Ärzte: Jetzt droht Streik

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Streit um Ärzte-Arbeitszeit: ›Man fährt über uns drüber‹.

Der Ärztestreit spitzt sich zu: Tausende gingen auf die Straße, ein Streik wird wahrscheinlich.

Der seit Monaten in ganz Österreich schwelende Konflikt um neue Arbeitszeiten für Spitalsärzte erfuhr am Montag seinen negativen Höhepunkt: Mehr als 1.000 Ärzte gingen auf die Straße.

»Über uns Ärzte wird ­einfach drübergefahren«
„Wir protestieren, weil über die Ärzte drübergefahren wird“, klagt Wiens Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Spitalsärzte des AKH und des Krankenanstaltenverbundes (KAV) zeigten sich bei der Demo solidarisch, nur diensthabende Ärzte blieben fern.

Der Demozug ging von der MedUni Wien bis zum Maria-Theresien-Platz . Dort haben Szekeres und Co. die Mediziner noch einmal auf den Kampf gegen die Spitalsbetreiber eingeschwören.

Ärzte fürchten durch neue EU-Regel weniger Gehalt
Hintergrund: Laut EU-Richtlinie dürfen Ärzte nur noch 48 statt 60 Wochenstunden arbeiten. Sie befürchten Gehalts- und Leistungseinbußen und sind mit dem Angebot der Stadt Wien, die bis zu 25 Prozent mehr Grundgehalt bietet, nicht zufrieden. Szekeres: „Die Politik nimmt an, dass in weniger Arbeitszeit mit weniger Personal dieselbe Leistung erbracht werden kann. Das ist völlig falsch.“ Schon jetzt sind lange Wartezeiten in Ambulanzen und bei Operationen sowie Gangbetten in Wiens Krankenhäusern Realität.

Im Sog von Wien könnten Graz und Innsbruck streiken
Auch wenn heute Verhandlungen mit Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) stattfinden, sind die Fronten in Wien verhärtet. „Die Ärzte drehen an der Eskalationsschraube. Da wird das allgemeine gesundheitspolitische Waterloo ausgerufen“, sagt Wehsely. Doch die Ärzte-Demo ist nur der Anfang: „Der Kollaps steht knapp bevor. Ich schließe jetzt einen Streik nicht aus“, so Szekeres.

Dann droht nicht nur Wiens Gesundheitssystem der „Super-GAU“. Zwar steht Kärnten vor der Lösung im Ärztestreit, im Sog des Wiener Aufstands könnten auch Ärzte der Unikliniken Graz und Innsbruck, wo eine Einigung noch aussteht, ihre Arbeit niederlegen. Die Stimmung ist aufgeheizt, ein Oberarzt aus Tirol warnt: „Uns hilft nur ein tagelanger Streik.“ Für die Patienten wäre das der Horror: 50 Prozent abgesagte Operationen, Spitäler im Notbetrieb und komplett gesperrte Stationen werden befürchtet.

Jochen Prüller

Ohne Einigung dramatische Engpässe

Ein Ärzte-Streik wie 2006 in Deutschland droht. Was dann auf die Patienten zu kommt.

Wien. Verschärft sich die Lage und kommt es zu keiner Einigung der Ärzte mit der Stadt Wien, droht ein Streik wie 2006 in Deutschland. Im schlimmsten Fall greift der Streik (in Deutschland dauerte er mehrere Tage) auf andere Städte wie Graz oder Innsbruck über, wo es ebenfalls noch keine Lösung gibt.

  • Spitäler auf Notbetrieb: Spitäler werden nur noch im Notbetrieb geführt. Der Personalstand ist auf ein Minimum reduziert, wie derzeit am Wochenende.
  • Stationen werden gesperrt. Hunderte Betten und zum Teil einzelne Stationen werden komplett gesperrt. Der Notarzt darf einzelne Krankenhäuser dann nicht mehr anfahren.
  • Absage jeder 2. OP: Schon jetzt werden 15 % der Operationen im AKH abgesagt. „Ohne Einigung droht, dass 40 % abgesagt oder verschoben werden“, warnt Szekeres. In einzelnen Bereichen wackelt jede zweite Operation. Von dem Engpass sind auch sensible Eingriffe, wie etwa Herz-OPs, betroffen. Akutfälle sollen aber behandelt werden.

Ärztekammer-Boss:

›Der Kollaps steht jetzt knapp bevor‹

ÖSTERREICH: Was treibt Tausende Wiener Ärzte an einem Montag auf die Straße?

Thomas Szekeres: Die Stadt Wien reduziert das Personal, obwohl Ärztezeit und Nachtdienste auch reduziert werden. Es wird aber fälschlicherweise angenommen, dass die Leistung dieselbe ist. Wir protestieren, dass über die Ärzteschaft drübergefahren wird.

ÖSTERREICH: Am Dienstag gehen die Verhandlungen weiter, eine Lösung ist nicht in Sicht. Was droht?

Szekeres: Die Situation wird sich sicher weiter verschärfen. Der Kollaps steht jetzt knapp bevor. Er kommt von alleine, weil viele Kollegen auf Kredit arbeiten und im zweiten Halbjahr das System nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Ich schließe eine weitere Eskalation nicht aus. Ich schließe auch einen tagelangen Streik nicht aus. Der Ball liegt bei der Politik und Stadträtin Wehsely.(prj)

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