Der Verteidiger der Ex-Grün-Politikers sah kein ''sachliches Substrat'' für einen Schuldspruch.
Wien. Im Prozess gegen den ehemaligen Grün-Politiker Christoph Chorherr und zahlreiche Mitangeklagte hat am Montag die Urteilsberatung begonnen. In seinem Plädoyer gestand der Vertreter der Anklagebehörde zuvor zwar auch Fehler ein, sprach aber weiterhin korruptives Verhalten an - und verwies sogar auf die Schilderungen von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video. Die WKStA sieht sich im Prozess als die "Stimme der Opfer".
Chorherr war bis 2019 Planungssprecher der grünen Rathaus-Fraktion in Wien. Dem früheren Mandatar wird vorgeworfen, von mitangeklagten namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Kinder- bzw. Schulprojekte in Afrika. Die Spender - darunter der Investor Rene Benko, der Industrielle Michael Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler - sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben.
WKStA bezichtigt Chorherr des Amtsmissbrauchs
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bezichtigt Chorherr des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit, den Unternehmern wird Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen angekreidet. Sämtliche Angeklagte haben sich in der Hauptverhandlung nicht schuldig bekannt. "Ich bin der Vertreter der Republik Österreich", betonte der Staatsanwalt in seinem rund einstündigen Plädoyer. Er sei aber gewissermaßen auch die Stimme der Stadt Wien, der Nachbarn, der Anrainer, "der Opfer, die hier nicht gehört wurden, weil sie nicht fassbar sind".
Außer Streit stellte die WKStA den Verein selbst. Bildung und Entwicklungshilfe seien "hervorragend", auch das Projekt in Südafrika selbst "in Ordnung" und auch nicht Thema des Verfahrens gewesen. Auch seien in der Anklage ein paar Fehler passiert, etwa, dass man Chorherr als Planungsstadtrat dargestellt habe. Was der Staatsanwalt zuvor noch nie erlebt habe: Dass etwa Tojner an die WKStA herangetreten sei und gefragt habe, ob man sich das "gut überlegt habe".
Eine Diversion komme in diesem Fall nicht infrage
Eine Diversion, wie vom Angeklagten beantragt, komme in diesem Fall nicht infrage, sondern nur bei Vorteilsannahme. Hier gehe es aber um Bestechlichkeit. Chorherr sei die "graue Eminenz" gewesen, dessen Steckenpferd die Stadtentwicklung. Auch sei Chorherr ein "Vulkan" und rhetorisch gut. In seiner Amtszeit habe er verschiedene Hüte getragen, aber: "Unter jedem Hut schlägt dasselbe Herz, brennt dieselbe Leidenschaft." Und auch Strache habe im Ibiza-Video geschildert, wie über Vereine gespendet werden könne.
Der Korruptionsstaatsanwalt ersuchte die Schöffen: "Denken Sie bitte österreichisch!" Die angeklagten Unternehmer seien für die Anklagebehörde denkbar ungünstig "Sie sind sympathisch, sie sind gescheit, sie sind erfolgreich." Zudem seien sie Verkäufer und "im Rahmen dieser Verhandlung haben sie sich selbst verkauft und zwar sehr gut".
Chorherr hatte "maßgeblichen Einfluss" im Rathaus: "Man hörte ihm sicher zu im grünen Klub." Darum dürfte sich so mancher gedacht haben: "Es schadet nicht, wenn ich ihn auf meiner Seite habe." Die Angeklagten seien sicher nicht dumm, befand der Ankläger.
Soyer lobte den "wertschätzenden" Vortrag der Anklagebehörde
Chorherrs Anwalt Richard Soyer lobte zunächst den "wertschätzenden" Vortrag der Anklagebehörde: "Sehr sachlich, finde ich sehr angenehm." Allerdings sei weit ausgeholt worden, sogar das Ibiza-Video habe man bemüht, staunte der Verteidiger. Auch allgemeine Sprichwörter seien als Argumente ins Treffen geführt worden.
"Es war mir zu spekulativ, es war mir zu vermutend, es war zu unterstellend", sagte Soyer: "Ich möchte den Fehler nicht machen und quasi herumschwadronieren." Es seien keine stichhaltigen Argumente vorgetragen worden. Das Beweisverfahren habe keinerlei Ergebnisse gebracht, die zu einer Verurteilungen führen dürften, zeigte er sich überzeugt.
Es sei immer zu prüfen, welchen "Hut" Chorherr als Amtsträger aufhatte. Als Gemeinderat habe er etwa keine "Entscheidungsmacht" besessen. Als Grün-Politiker wiederum sei er voller Ideen gewesen. Für den Verein "s2arch" war er laut dem Verteidiger völlig unabhängig davon tätig, als Privatperson.
Soyer: Chorherr habe das immer "auseinandergehalten"
Nie sei das eine mit dem anderen aufgewogen worden. Chorherr habe das immer "auseinandergehalten". Die Anklage sei in rechtlicher Hinsicht "verfehlt", erläuterte Soyer. Die vorgeworfene Missbräuchlichkeit und Pflichtwidrigkeit seien nicht anzunehmen. Es gebe keinen ursächlichen Konnex zwischen Spenden und Amtsgeschäften, also etwa Widmungen.
Chorherr habe auch so gut wie keine persönliche Nähe zu Widmungswerbern aufgewiesen, fügte der Rechtsvertreter hinzu. Er sei nur mit einem der Angeklagten befreundet gewesen. Per Du war Chorherr hingegen mit vielen Menschen, wie Soyer betonte: "Das ist Österreich." Gespräche bzw. ein Dialog zwischen Vertretern der Politik und Bauwerbern "auf Augenhöhe" seien zudem wünschenswert.
Es gebe jedenfalls kein "sachliches Substrat" für eine Verurteilung. Eventuell habe er ein paar Dinge zu leicht genommen. Aber von "Fehlgebrauch einer Befugnis" könne keine Rede sein, hielt Soyer fest. Auch sei keine einzige betreffende Widmung aufgehoben worden. Niemand, also etwa auch nicht Grundstücksnachbarn, sei geschädigt worden. Soyer beantragte einen Freispruch.
Chorherr habe keinen bestimmenden Einfluss gehabt
"Die Spenden von Michael Tojner stehen in keinem Zusammenhang mit dem Flächenwidmungsprojekt Heumarkt Neu", stellte dann auch der Verteidiger des Unternehmers fest. Das "Musterprojekt" sei frei von jeder Beeinflussung durchgeführt worden.
Chorherr habe zudem keinen bestimmenden Einfluss gehabt, Beweise für strafbares Verhalten gebe es keine. Die Annahme, es gehe gar nicht, dass ein Politiker zum Spenden auffordert, versuchte der Anwalt mit einem ungewöhnlichen Vergleich zu widerlegen - dies geschehe nämlich auch bei der Aktion "Licht ins Dunkel".
Recht flott ging es mit den weiteren Plädoyers weiter. "Die Spenden von Michael Tojner stehen in keinem Zusammenhang mit dem Flächenwidmungsprojekt Heumarkt Neu", betonte dessen Verteidiger Johann Pauer. Und in Anlehnung an das Plädoyer der WKStA meinte er: "Bitte denken Sie nicht österreichisch! Bitte lassen Sie jedes Vorurteil außer Acht!"
Kurzauftritt von Anwalt Michael Rami
Michael Rami, der Anwalt des Finanzberaters Wilhelm Hemetsberger, beschränkte sich überhaupt auf einen Kurzauftritt. "Es gibt keinen konkreten Vorwurf gegen Herrn Hemetsberger, daher beantrage ich einen Freispruch", hielt er fest.
Auch Soravias Anwalt Norbert Wess zog wie zuvor die WKStA Parallelen zu Strache, der zuletzt seinen Bestechungsprozess im zweiten Durchgang - wenn auch nicht rechtskräftig - gewonnen hatte. In dessen Fall habe das Oberlandesgericht in seiner Kritik am ersten Urteil eine realitätsnahe Betrachtung eingefordert. Und in Anlehnung an ein Zitat von Bundespräsident Alexander Van der Bellen meinte Wess: "So schlecht sind wir nicht."
Verteidiger von Rene Benko
Der Verteidiger von Rene Benko, Stefan Prochaska, stellt sich laut eigenen Angaben weiter die Frage, warum sein Mandant hier sei. Dem prominenten Immo-Entwickler hat eine Spende im Jahr 2011 das Gastspiel im Wiener Landesgericht beschert. Benkos Signa-Gruppe spende weit höhere Beträge an andere Organisationen, betonte der Anwalt. Es gebe keinen Ansatz eines Beweises, dass man damit Widmungsverfahren beeinflussen wollte.
Auch die Rechtsvertreter der weiteren Angeklagten - insgesamt sind es zehn Personen - beantragten Freisprüche. Die Angeklagten schlossen sich ihren Verteidigern an. Nach den Plädoyers zog sich der Schöffensenat (Vorsitz: Richter Michael Tolstiuk) zur Urteilsberatung zurück.