Kurz kontert VdB

Der UN-Pakt spaltet das Land

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Österreichs Ausstieg aus dem UNO-Migrationspakt lässt weiter die Wogen hochgehen.

Wien/New York. Erst hat Österreich ihn mitverhandelt, dann abgelehnt: den weltweit ersten Migrationspakt – er soll bei der UNO-Konferenz in Marrakesch am 11. Dezember beschlossen werden. Der von der türkis-blauen Regierung angekündigte Ausstieg aus selbigem spaltet derzeit das Land.

Am Freitag schaltete sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen in den Streit ein und warnte vor einem Ansehensverlust: Österreich, als einer von vier UNO-Amtssitzen, habe sich den Ruf eines verlässlichen Partners in der Weltgemeinschaft erworben. „Diesen Ruf sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“, mahnt das Staatsoberhaupt.

Ablehnung. Doch ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz lässt sich nicht beirren: Er führte ein Gespräch mit VdB, in dem er seine ablehnende Haltung bekräftigte. „Dabei habe ich betont, dass wir uns klar zum Multilateralismus bekennen, aber der Inhalt stimmen muss“, kontert Kurz die Kritik. Konkret fürchte er um die Souveränität Österreichs.

"Vorreiterrolle": Polen klinkt sich jetzt auch aus

Der von VdB eingemahnte Multilateralismus sei wichtig. Doch nach „eingehender Prüfung“ des 34-seitigen UNO-Papiers (siehe rechts) hätten inhalt­liche Bedenken überwogen: „Ich kann nicht sieben Jahre lang die Trennung zwischen der Suche nach Schutz und der Suche nach einem besseren Leben fordern und dann einem Pakt zustimmen, wo es genau diese Trennung nicht gibt“, so Kurz. Zudem gebe es „die Gefahr, dass die Ziele des Pakts in künftige Gerichtsurteile einfließen und somit unsere souveräne Migrations­politik eingeschränkt wird“.

Rückendeckung bekommt Kurz von seinem Vize Heinz-Christian Strache (FP) auf oe24.TV (siehe unten): „Aus dem Pakt kann man herauslesen, dass Migration ein Menschenrecht werden soll.“ Das sei „absurd“, findet der Blaue.

Schelte. Österreich reiht sich mit der Entscheidung, sich aus dem UNO-Pakt auszuklinken, neben Ländern wie USA, Ungarn und Italien ein. Nach der türkis-blauen Ankündigung erklärten Tschechien, Kroatien und nun auch Polen, aussteigen zu wollen.

Die internationale und nationale Schelte wird jedenfalls immer lauter. So erklärt etwa Altkanzler Franz Vranitzky (SP): „Förderlich für das Ansehen des Landes ist das nicht.“

Strache: "Wir schützen so Österreichs Souveränität"

Strache im oe24.TV-Talk mit Herausgeber Wolfgang Fellner.

oe24.TV: Wie muss man den Ausstieg aus dem Migrationspakt sehen, stellt sich Österreich damit gegen die UNO?

Heinz-Christian Strache: Österreichs Souveränität hat bei uns oberste Priorität. Das ist entscheidend. Wenn man den Migrationspakt bewertet, dann sind Punkte darin enthalten, die diametral unserem Regierungsprogramm widersprechen. Deshalb haben wir nach langer, reiflicher Prüfung entschieden, dass wir dem Pakt nicht beitreten werden. Wir schützen damit Österreichs Souveränität, das ist unsere Verpflichtung gegenüber unserer Bevölkerung. Wir orientieren uns nicht daran, wie andere Länder entscheiden.

oe24.TV: Welche Punkte des UN-Paktes bringen Sie so sehr auf die Palme?

Strache: Zum Beispiel wird nicht mehr zwischen illegaler und legaler Migration unterschieden. Da kann man herauslesen, dass Migration ein Menschenrecht werden soll. Völkerrechtlich gibt es den Begriff Migranten aber gar nicht. Auch wird davon gesprochen, dass bei irregulärer Migration auch eine Le­galität entstehen könnte. Außerdem über die Schaffung von Ansprüchen in die Sozialversicherung oder Ansiedlungsoptionen bei Klimaveränderung und Armut. Ein Verbot von Sammelabschiebungen wird erwähnt. All das sind Dinge, die nicht kommen dürfen. Da geht es um Schaffung neuer Ansprüche und Rechte für Migranten, wie wir sie nicht haben wollen. Wir wollen auch kein Menschenrecht auf Migration, das ist ja absurd.

oe24.TV: Weltweit sorgt der österreichische Alleingang inzwischen für enormes Echo.

Strache: Im Unterschied zu ein paar anderen sind wir konsequent. Aber wir sind auch nicht alleine, es gibt auch andere Länder, die dem Migrationspakt nicht nur kritisch gegenüberstehen, sondern auch nicht eingestiegen sind, wie etwa die USA, Ungarn und Australien.

oe24.TV: Sind das FP-Vorbilder?

Strache: Australiens „No way“-Politik ist natürlich auch für uns ein Vorbild, wenn es darum geht, Europa vor illegaler Migration zu schützen, keine Frage. Es gibt darüber hinaus auch andere Länder, die sich kritisch mit dem UN-Pakt auseinandersetzen.

Vranitzky: "Das ist nicht gut für das Ansehen Österreichs"

ÖSTERREICH: Wie bewerten Sie den Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt?

Franz Vranitzky: Besonders förderlich ist das für das Ansehen des Landes jedenfalls nicht. Zuerst verhandeln wir das Papier mit, und dann lehnen wir es ab. Da ist es zunächst einmal nicht so wichtig, ob es bindend ist oder nicht.

ÖSTERREICH: Ist das ein Trump-Effekt? Wir setzen statt auf multilaterale Verträge auf Nationalismus?

Vranitzky: Dass ich die Regierung nicht besonders positiv finde, ist ja kein Geheimnis. Aber mit Trump würde ich sie noch nicht vergleichen.

ÖSTERREICH: Aber fürs Ansehen Österreichs ist es nicht gut?

Vranitzky: Natürlich ist das nicht gut. Österreich ist UN-Mitglied, UN-Standort und hat auch noch den EU-Ratsvorsitz. Es zeigt aber auch, dass die Regierung kein Vertrauen in ihre eigenen Diplomaten hat, die das Papier ja federführend verhandelt haben. Die haben jetzt einen ordent­lichen Nasenstüber bekommen.

(gü)

Der UNO-Pakt: 34 Seiten für 260 Mio. Menschen

New York. Die UNO-Vollversammlung – minus den USA – einigte sich am 13. Juli auf einen Entwurf des ersten globalen Migrationspakts. Einige der 23 Ziele auf ins­gesamt 34 Seiten sind sehr allgemein gehalten (z. B. „Schwachstellen der Migration“ sollen „verringert“ werden). Andere Punkte sind konkreter, etwa die Absicht, „Sozialversicherungsansprüche und erworbene Versorgungsleistungen“ von Land zu Land übertragbar zu machen. Betont wird in dem Papier auch, dass die Souveränität der Nationalstaaten und ihr Recht auf eine selbstständige Gestaltung ihrer Migrationspolitik durch den Pakt nicht angetastet werden soll und keine völkerrechtliche Bindung bestehe.

Die UNO bezifferte die Anzahl der Migranten weltweit auf 260 Millionen.

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