Heute Krisensitzung

EU-Gipfel: Letzte Rettung für den Euro

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Großbritannien wird sich nicht am Notfallfonds für die Euro-Länder beteiligen.

Abwärtstrend und kein Ende in Sicht: Seit Monaten leidet die europäische Gemeinschaftswährung an Schwindsucht und wird von Tag zu Tag schwächer. Erst am Donnerstag erreichte der Euro einen Kurs von zwischenzeitlich nur mehr 1,2629 Dollar. Und: Die Griechen-Pleite sowie weltweite Spekulationsgeschäfte drohen den Euro jetzt noch tiefer in den Abgrund zu ziehen.

„Weltweit organisierte Attacke gegen den Euro“
Hintergrund der Angst vor Spekulanten, die eine „weltweit organisierte Attacke gegen den Euro“ gestartet haben: (Zitat Eurozonen-Chef Jean-Claude Juncker):

  • Das Heer der Zocker bei Banken, Hedge- und Pensionsfonds weltweit weiß, dass EU und IWF nach der Griechen-Rettung schlicht nicht die Mittel hätten, weiteren Pleite-Kandidaten wie Spanien, Portugal, Italien beizuspringen. Die Staaten und mit ihnen der Euro würden crashen. Spekulanten wetten bereits massiv gegen unsere Währung.
  • Weil es mit der Griechen-Hilfe so lange gedauert hat, fürchten Investoren um ihre Staatsanleihen von Portugal & Co. und werfen sie verstärkt auf den Markt. Würden all diese „Kredite“ gleichzeitig fällig gestellt, wäre der Kollaps perfekt. Die Länder würden umfallen wie Dominosteine.

Klar ist: Die Zeit drängt. Bereits am Freitag trafen sich die Staatschefs der Eurozone zu einem Sondergipfel in Brüssel. Das Ziel: Noch vor der Öffnung der Märkte am Montag ein klares Signal für den Euro zu setzen und damit einen weiteren Kursverfall zu stoppen. Erst Samstag in den frühen Morgenstunden endete der Gipfel, das Ergebnis des stundenlangen Ringens: Die wohl bedeutendste Reform der Währungsunion seit Einführung des Euro vor elf Jahren. Konkret will die EU 70 Mrd. Euro aufbringen, um in Not geratene Mitglieder zu retten.

Paket zur Euro-Rettung soll heute Abend stehen
Bereits heute treffen sich in Brüssel die EU-Finanzminister zu weiteren Beratungen. Bis zum Abend soll das Rettungspaket endgültig geschnürt sein. „Die Eurozone macht die schwerste Krise ihrer Geschichte durch“, so Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. „Wir werden den Euro verteidigen, egal was dies erfordert“, gab sich EU-Kommissionschef José Manuel Barroso kämpferisch.

Großbritannien will sich nicht an dem geplanten Notfallfonds für Euro-Länder beteiligen. Das sagte ein britischer EU-Diplomaten in Brüssel. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten beraten am Sonntag ab 15.00 Uhr bei einer Sondersitzung in Brüssel über den Notfallfonds, mit dem nach Griechenland möglicherweise andere hoch verschuldete Länder gerettet werden sollen.

Finanzminister als Feuerwehr

Die EU-Chefs spielten den Ball an die Finanzminister weiter – sie müssen heute in Brüssel den Euro retten.

Mit ihrem – noch recht unkonkreten – Beschluss einer neuen Finanzordnung haben die Staats- und Regierungschefs den Finanzministern einen ordentlichen Brocken auf den Tisch gelegt. Finanzminister Josef Pröll wird deshalb heute nach Brüssel fliegen und ab 15 Uhr mit seinen 26 EU-Kollegen versuchen, Nägel mit Köpfen zu machen.

In EU-Kreisen ist man über den neuen Gipfel nicht glücklich – sollte doch das Signal an die nervösen Märkte am Freitag von den Staats- und Regierungschefs ausgehen. Jetzt müssen es eben die 27 Finanzminister richten. „Die Märkte werden durch den neuerlichen Sondergipfel noch stärker verunsichert“, so ein hoher EU-Politiker zu ÖSTERREICH.

Im Interview mit ÖSTERREICH kündigt Pröll jedenfalls eine harte Vorgangsweise an: Es werde rigide Sanktionen geben, sogar die persönliche Haftung von EU-Politikern, die bei Erstellung ihrer Budgets lügen und betrügen, ist für den ÖVP-Politiker jetzt ein Thema. Und: Auch für Spekulanten soll es – endlich – genauere Regeln geben.

Wie die aussehen, ist allerdings noch völlig offen. Das gab auch Kanzler Werner Faymann am Samstag zu: Er hält es für „nicht wahrscheinlich, dass die Spekulation bis Sonntagabend abgeschafft wird“. Das Thema sei einfach nicht innerhalb von 48 Stunden zu lösen.

Pröll: Strafen für Griechen-Pleitiers
"Wer lügt, haftet dann persönlich"

Finanzminister Josef Pröll will die griechischen Lügenpolitiker persönlich zur Rechenschaft ziehen. Eine „Ouzo-Steuer“ schließt er aus.

Österreich: Sie sind heute in Brüssel. Was sind für Sie die wichtigsten Punkte am Rettungspaket für den Euro? Der Kampf gegen die Spekulation?
Josef Pröll: Wir brauchen in erster Linie einen Stabilitätspakt gegen die Schuldenpolitik. Die Spekulation ist nur ein Teil des Problems. Spekulanten sind nicht für 14 Prozent Defizit in Griechenland verantwortlich zu machen. Die Wurzel des Problems sind überbordende Schulden. Daher volle Unterstützung für eine starke Schuldenbremse auf europäischer Ebene. Es muss Einigkeit herrschen: Runter mit den Schulden, sie sind der Mühlstein um unseren Hals.
Österreich: Aber es geht ja auch um stärkere Kontrollen und da haben die Griechen ja uns alle angelogen. Sind Sie zornig auf die Griechen?
Pröll: Ja, es macht mich zornig, wenn man jahrelang über seine Verhältnisse lebt und dabei die EU hinters Licht führt. Aber Zorn allein hilft uns bei der Bewältigung dieser Krise nicht weiter.
Österreich: Sollte es Sanktionen geben, wenn ein Land falsche Zahlen nach Brüssel schickt? Es gibt etwa den Vorschlag, das Stimmrecht auszusetzen, auch Strafzahlungen werden diskutiert.
Pröll: Ja, wir müssen dringend Lücken im EU-Instrumentarium schließen, zum Beispiel durch laufende Überwachung der Haushalte der Mitgliedsstaaten. Wir brauchen aber auch rigide Kontrollen und schmerzhafte Sanktionen. Bitte alle Vorschläge auf den Tisch: Von mir aus auch bis hin zu persönlicher Haftung im Fall bewusst verfälschter und geschönter Budgetzahlen. Nämlich dann, wenn es um Betrug geht. Hier haben verantwortungslose Politiker mit angeblich sozialer Motivation Unfassbares angerichtet.
Österreich: Wir geben den Griechen 2,3 Mrd. € Kredit. Glauben Sie, dass das reicht? Oder könnte uns da eine böse Überraschung drohen?
Pröll: Die Kredite werden bereitgestellt, eben genau damit es keine bösen Überraschungen gibt. Wir verteidigen damit unsere Währung. Zum einen gegen Spekulation. Zum anderen gegen Staaten und Regierungen, die nicht sauber gewirtschaftet haben.
Österreich: Glauben Sie tatsächlich, dass wir das Geld jemals wiedersehen?
Pröll: Ich denke, die Griechen haben erkannt, dass die Stunde der Wahrheit geschlagen hat. Es ist vorbei mit tricksen, tarnen und täuschen. Und daher: ja, ich erwarte, dass die Griechen mit Zinsen zahlen.
Österreich: Wird es eine „Ouzo-Steuer“ geben? Die Rede ist ja schon davon, dass die Bankensteuer wegen der Griechen-Krise ausfallen soll und die Bürger dafür noch mehr zur Kasse gebeten werden müssen.
Pröll: Nein. Eine Griechenland-Steuer wäre Unfug, weil die Unterstützungsmaßnahmen ja keine budgetären Kosten verursachen. Außerdem muss man die Dinge einmal in Relation sehen: Das finanzielle Risiko, das wir für die vermurksten Geschäfte der Hypo Alpe Adria unter einem BZÖ-Landeshauptmann als Republik abzuwenden hatten, war zehnmal so hoch wie das von Griechenland. Und da wundere ich mich offengestanden nur mehr darüber, dass gerade das BZÖ den Mund zu Griechenland so voll nimmt.
Österreich: Haben Sie einen Plan B, wenn die Griechen ihre Sparverpflichtungen nicht einhalten?
Pröll: Es ist zwischen der EU und dem Währungsfonds auf der einen und Griechenland auf der anderen Seite ein sehr strenges Verfahren der Kontrolle und Überwachung vereinbart. Kredite gibt es nur „Zug um Zug“ – das Geld wird nicht hergeschenkt, genauso wenig bekommen die Griechen einen Blankoscheck. Der Plan B lautet, sich an Plan A zu halten.
Österreich: Rechnen Sie damit, dass es andere Staaten erwischt, Spanien, Portugal oder Italien?
Pröll: Unsere ganzen Anstrengungen in diesen Tagen waren darauf ausgerichtet, eine „Ansteckung“ anderer Länder in der Eurozone zu verhindern.

Das Interview führte Günther Schröder

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