Bilanz des Salzburg-Gipfels

EU-Gipfel zwischen Jubel & Streit

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Österreich war ein perfekter  Gastgeber. Trotzdem Ernüchterung nach Ende des informellen EU-Gipfels in Salzburg.

Salzburg. 28 Staatschefs, beste Sound of Music-Stimmung. Die Sonne strahlt,  als im Mirabellgarten das offizielle Gruppen-Foto gemacht wird.  Die Aufnahme geht um die Welt, das positive Österreich-Bild bleibt. Werbung für die Mozartstadt. EU-Chef Jean-Claude Juncker lobt: „Salzburg ist eine Garantie für Gipfelerfolge. Das war als Liebeserklärung gedacht.“

Zeit ließen sich die EU-Mächtigen allerdings keine. Kaum war das Foto im Kasten, waren sie auch schon wieder weg. Für Österreich als Gastgeber war der Gipfel aber ein Mega-Erfolg. Selbst bei der dreistündigen Demo mit 1.000 Personen gegen den Gipfel gab’s nur einen kleinen Zwischenfall mit dem grünen EU-Parlamentarier Michel Reimon (siehe Politik-Seite).

Keine Trendwende, Streit um Asyl geht in EU weiter

Wutanfall. In den Kernfragen Flüchtlingspolitik und Brexit brachte der Salzburg-Gipfel aber EU-Ernüchterung. Vor ­allem in der Flüchtlingsfrage konnte wieder kein gemein­samer Nenner gefunden werden. Kanzler Kurz wollte in Salzburg eine „Trendwende“ in der Flüchtlingspolitik. Die gibt es nicht. Selbst beim EU-Außengrenzschutz Frontex sind sich die 28 nicht einig. Zwar soll Frontex bis zum Jahr 2020 auf 10.000 Mann aufgestockt werden. Ein neues Mandat ist nicht absehbar. Heftiges Störfeuer kam in dieser Frage von Ungarns Orbán:  „Ungarn ist in der Lage, seine Grenze selbst zu schützen.“

Wutanfall: "Reden von Menschen, nicht von Waren"

„Geschacher“. Die  Idee, jene Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, Ausgleichszahlungen leisten zu lassen, löste sogar einen Wutanfall aus. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel, 45, tobte „über das Geschacher“: „Wir sprechen von Menschen, nicht von Teppichen oder von Waren.“

Ägypten-Deal. Auch eine mögliche Kooperation zwischen der EU und Ägypten ­gestaltet sich zäh. Ägypten lehnt die Rücknahme von Flüchtlingen in Asylzentren auf seinem Staatsgebiet ab.

Kurz will aber beim UN-Treffen mit Ägyptens Staatschef al-Sisi in New York abermals verhandeln.

Karl Wendl

Kurz-Interview: "Wir sind von allen gelobt worden"

Kanzler Kurz zieht im ÖSTERREICH-Interview Gipfel-Bilanz.

ÖSTERREICH: Wie zufrieden sind Sie mit dem EU-Gipfel?

Sebastian Kurz: Die Staats- und Regierungschefs aus ganz Europa als Gast zu haben, ist eine massive Sicherheitsherausforderung, eine logistische Großaufgabe. Unser Team hat gut gearbeitet. Es sind wunderschöne Bilder aus Salzburg in die ganze Welt gegangen. Das stärkt unseren Standort, unseren Tourismus. Auch politisch ist der Gipfel atmosphärisch sehr gut gelaufen, wir sind von allen Seiten gelobt worden.

ÖSTERREICH: In den Kernfragen Migration und Brexit gab es aber keine Lösungen …

Kurz: Was Inhalte betrifft, gibt es Kritik, vor allem in der Migrationsfrage. Meine Haltung ist aber klar, ich bin gegen illegale Migration. Natürlich gibt es manche, die einen anderen Zugang haben. Es ist aber wichtig, dass Österreich hier konsequent ist und weiter Druck macht. 

ÖSTERREICH: Auch beim Brexit gibt es keinen Kompromiss.

Kurz: Es ist wichtig, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegen, das ist geschehen. Ziel ist es jetzt,  die Verhandlungen im Oktober abzuschließen.

Brexit: May blieb in Salzburg knallhart

Auch beim Streit-Thema Brexit ging man ohne Annäherung auseinander. Die britische Premierministerin Theresa May blieb abermals hart, forderte einmal mehr von der EU mehr Entgegenkommen bei noch offenen Fragen wie dem Grenzstreit zwischen dem britischen Nordirland und der in der EU verbleibenden Republik Irland. Die  EU müsse flexibler werden, verlangte sie. 

Mehrere EU-Staatschefs regten sogar ein zweites Brexit-Referendum in Großbritannien an. Auch dieser Forderung gab May eine Abfuhr: „Ein zweites EU-Referendum wird es nicht geben“, stellte sie klar: „Der Brexit wird durchgezogen.“ 

Sondergipfel. Am zweiten Gipfeltag war May auch nicht mehr dabei. Die EU-27 berieten ohne sie weiter. Jetzt soll die finale Brexit-Frage bei ­einem EU-Sondergipfel am 17. und 18. November in Brüssel geklärt werden.

Bilanz: Schnitzel, Mini-Mozart & 1.750 Polizisten

Mini-Mozart Elias Keller (11), jüngster Student am Salzburger Mozarteum, begeisterte die Staatschefs beim Dinner in der Felsenreitschule. Pianist Elias spielte zwei Stücke von Mozart. Danach wurde den Staatschefs auf der imposanten Bühne der Felsenreitschule  Aberseer Schaffrischkäse mit Tomaten-Zucchini-Salat, Wiener Schnitzel vom Milchkalbrücken und Sachertorte zum Dessert serviert.

Millionen. 2.200 Hotel-Zimmer waren für die Delegationen der Regierungschefs reserviert, 1.000 Journalisten berichteten weltweit 48 Stunden lang. Der Werbewert ist im Grunde nicht bezahlbar. Hunderte Konvois von Staatslimousinen mussten durch die Stadt geschleust werden – keine Probleme.  Auch die Abreise der EU-Mächtigen verlief reibungslos.

Gelassen. Selbst am Mirabellplatz vor dem Austragungsort im Mozarteum herrschte trotz Platzverbots „business as usual“.  Salzburg zeigte sich gut organisiert, völlig unaufgeregt – Sound of Music-Motto erfüllt.

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