Nationalrat

Empörung über "Stürmer"-Vergleich

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Die interne SPÖ-Kritik an der milden Kanzler-Reaktion zur Bilder-Affäre geht weiter. Gusenbauer verteidigte heute die Medien vehement gegen Straches "Stürmer"-Vergleich.

Die Foto-Causa Heinz-Christian Straches hat am Dienstag die Sitzung des Nationalrats überschattet. Vor allem VP-Klubobmann Wolfgang Schüssel übte heftige Kritik am FPÖ-Chef wegen dessen Angriffen gegen Ex-Staatssekretär Alfred Finz (V) und die Medien. Auf gleicher Linie fand sich Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Weiterhin zurückhaltend tadelte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer Strache. Zuvor hatte Gusenbauer die "Kampfsport"-Fotos Straches im Military-Look als "Jugendtorheiten" bezeichnet. Dafür hagelte es Kritik von der eigenen Partei. Ex-Kanzler Franz Vranitzky betont etwa im Interview mit ÖSTERREICH, dass die Strache-FPÖ für ihn keine Option sei. Vranitzky bemängelt: "So wie ich das ausdrücke, habe ich das von niemand anderem gehört.“

Stürmer-Vergleich "geschmacklos"
Besonders sauer stieß dem Grünen-Chef Van der Bellen auf, dass der FPÖ-Chef die Medienberichte über ihn mit Methoden des "antisemitischen Hetzblatts" "Stürmer" verglichen hatte. Er betrachte das als die geschmackloseste und schäbigste Version eines Versuchs, sich selbst als Opfer zu stilisieren. Nicht viel anders sah das der ÖVP-Klubchef Wolfgang Schüssel: Es gehe nicht an, in einer Distanzierung vom Dritten Reich sofort zum Gegenangriff anzutreten und Medien auch nur in die Nähe von "Stürmer oder was weiß ich" zu rücken.

Auch Gusenbauer kritisierte Straches "Stürmer"-Vergleich. Er kenne in Österreich keine einzige Zeitung, der man so etwas unterstellen könne. Gusenbauer forderte Strache auf, im Sinne der Demokratie und Meinungsfreiheit solche Vergleiche künftig zu unterlassen.

Gusenbauer würdigt SPÖ-Aufarbeitung
An sich würdigte der SPÖ-Chef, dass er sich in der eigenen Partei darum gekümmert habe, auch gegen Widerstände die "braunen Flecken" aufzuarbeiten. Es solle in Österreich heute niemanden geben, "der auch nur irgendein Verständnis hat für die Gräuel des Nationalsozialismus." Daher sei er der Auffassung, dass hier alle eine gemeinsame Anstrengung unternehmen müssen, dass ein jeder in Bezug auf seine eigene Geschichte in der Lage sein müsse, Konsequenzen zu ziehen, Distanzierungen und Klarstellungen vorzunehmen.

SPÖ-Kritik an Gusenbauer geht weiter
Für Aufregung und Kritik innerhalb der SPÖ sorgen weiter die milden Einschätzungen von Gusenbauer rund um jene umstrittenen Fotos, die Strache offenbar bei verbotenen Wehrsportübungen zeigen. Ex-Kanzler Franz Vranitzky betont im Interview mit ÖSTERREICH, dass die Strache-FPÖ für ihn keine Option sei. Vranitzky bemängelt: "So wie ich das ausdrücke, habe ich das von niemand anderem gehört.“ Kritik an Gusenbauer kommt auch von SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal: "Ich denke, er weiß heute auch, dass er zu Straches Aussagen andere Worte hätte finden können.“

SP-Abgeordnete Laura Rudas betont gegenüber ÖSTERREICH: „Das war mehr als ein Bubenstreich.“ Und SP-Nationalrat Johann Maier erklärt: „Vielleicht wäre eine klarere Stellungnahme sinnvoller gewesen.“ Wiens Bürgermeister Michael Häupl hält seinem Parteichef angesichts dramatischer Umfragewerte zähneknirschend die Stange: „Ich denke nicht daran, aus der FP-Debatte eine SP-Debatte zu machen. Ich kenne Alfred Gusenbauer seit seiner frühesten Jugend als aufrechten Antifaschisten, dessen Einstellung über jeden Zweifel erhaben ist.“

Kritik aus den eigen Reihen
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer beurteilte die Formulierung als "nicht die glücklichste". Und SP-Europasprecher Caspar Einem forderte am Montag in der "Zeit im Bild 2" eine "klare Haltung" der SPÖ in dieser Causa.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, ging mit dem Kanzler schärfer ins Gericht. Muzicant fand die Reaktion von Gusenbauer "inakzeptabel". Auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat am Dienstag leise Kritik an der "Jugendtorheiten"-Reaktion von Gusenbauer geübt.

Einem: "Fällt nicht unter Jugendsünden"
Bei den Bildern gehe es ja nicht um irgendwelche "Spielereien", betonte Einem und wies die Einschätzung seines Parteichefs zurück: "Das fällt für mich nicht unter Jugendsünden." Es könne zwar eine parlamentarische Kooperation mit der FPÖ in einzelnen Sachfragen geben, aber: "Ich habe kein Verständnis dafür, wenn es auch nur den Anschein hat als würde die SPÖ diese menschenverachtende Haltung auf der rechten Seite dulden." Und, so der Abgeordnete: "Ganz egal, ob eine Strategie oder nicht dahinter steht: Hier gibt es einen Maßstab und das sind die Menschen, die (den Holocaust, Anm.) gerade noch überlebt haben, und denen sind wir eine klare Haltung schuldig."

"Klare Distanzierung" gefordert
SP-Abgeordnete Johann Maier sagte am Dienstag gegenüber dem Ö1-"Mittagsjournal", die Haltung Gusenbauers sei zu nachsichtig.

Und auch SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl wünscht sich eine "klarere Distanzierung". Kuntzl erklärte, ihr Parteichef Gusenbauer erwarte sich von Strache "klare Worte". Dies könne man "nicht oft genug" einfordern. Eder forderte von Strache auch eine Distanzierung von dem, "was im Wahlkampf passiert ist".

Kritik kam auch vom oberösterreichischen SP-Landesrat Josef Ackerl. Er würde Strache "nicht von vornherein" mit Unbedenklichkeitsattributen ausstatten. Es stelle sich die Frage, wie es "Strache und seine Freunde" heute mit Sitten, die ihr Verhalten betreffen, halten, sagte er im "Mittagsjournal". Der Burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (S) kritisierte Straches Vergleich zwischen österreichischen Medien und dem NS-Kampfblatt "Der Stürmer". Strache müsse in Zukunft "andere Worte" verwenden, sagte er.

Rüffel von Muzicant
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, findet die Reaktion von Gusenbauer auf die Bilder von FP-Chef Heinz-Christian Strache "inakzeptabel". Muzicant könne nicht verstehen, warum sich die SPÖ "über alle Grundsätze hinwegsetzt". Die Diskussion, ob es sich bei den Fotos um Jugendtorheiten handle oder nicht, sei eine "Themenverfehlung". Hinter diesen Bildern stecke eine Gesinnung, die er als "nationalen Sozialismus" bezeichnete.

Da es politisch opportun sei, würden FP-Politiker zwar die Nazi-Verbrechen verurteilen und sich vom Nationalsozialismus distanzieren, wie es auch Strache getan hat. Diese Strategie sei ein "Feigenblatt", so Muzicant. Der Wahlkampf der FPÖ sowie Aussagen, die von Politikern der FPÖ getätigt wurden, zeigten in eine andere Richtung: "Dahinter verbirgt sich eine Ideologie, die dem Nationalsozialismus sehr nahe ist." Muzicant nannte Beispiele: Wenn man etwa den 8. Mai, also das Ende des Zweiten Weltkriegs als Trauertag sehe, eine Abschaffung des Verbotsgesetzes verlange, wenn man den Holocaust-Leugner David Irving bemitleide oder den Holocaust verharmlose. "Irgendwas ist in unserer Gesellschaft faul."

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