Wahl im ORF

Erstmals Frau als Stiftungsrat-Vorsitzende

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Erstmals wurde eine Frau zur Vorsitzenden gewählt. Stellvertreter wird Franz Medwenitsch.

Die SPÖ-Kandidatin Brigitte Kulovits-Rupp (51) wurde am Donnerstag zur neuen Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats gewählt, ÖVP-"Freundeskreis"-Leiter Franz Medwenitsch (51) zum stellvertretenden Stiftungsratsvorsitzenden. Die beiden großkoalitionären Vertreter wurden von dem 35-köpfigen Gremium mit breiter Mehrheit gewählt. SPÖ und ÖVP hatten sich in letzter Minute auf eine gemeinsame Lösung geeinigt. Im Gegenzug für die Unterstützung einer deklarierten SPÖ-Kandidatin erhielt die ÖVP den Vorsitz im Programm- und Finanzausschuss zugesprochen. Leiterin des Programmausschusses wird Margit Hauft aus Oberösterreich, den Finanzausschuss übernimmt Medwenitsch selbst.

Steger stimmt gegen Kulovits-Rupp
Mit Kulovits-Rupp übernimmt erstmals eine Frau den Vorsitz im obersten ORF-Gremium. Die neue Stiftungsratsvorsitzende ist im Hauptberuf Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der burgenländischen Arbeiterkammer. Kulovits-Rupp arbeitete in den Achtziger Jahren im ORF-Landesstudio Burgenland, zuletzt leitete sie bereits den Programmausschuss des ORF-Stiftungsrats. Für Kulovits-Rupp stimmten 31 Stiftungsräte, die Gegenstimme kam vom blauen Norbert Steger, FPK-Vertreter Siggi Neuschitzer und der Grüne Wilfried Embacher enthielten sich ebenso wie Kulovits-Rupp selbst.

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Neues Duo an der Spitze: Kulovits-Rupp und Medwenitsch / Foto: Reuters

Franz Medwenitsch kam auf 33 Stimmen und zwei Enthaltungen, die vom Grünen Embacher und Medwenitsch selbst kamen. Auch Medwenitsch war in den späten Achtziger Jahren ORF-Mitarbeiter, seit 1993 ist er Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria).

"Sieg der Vernunft"
SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Nikolaus Pelinka sprach von einem "Sieg der Vernunft", sein Visavis Medwenitsch von einem "guten Signal für den ORF und einem gutem Signal für das ORF-Gesetz - Frieden ist besser als Streit". Caritas-Präsident Franz Küberl, der als möglicher Kompromisskandidat im Gespräch war, begrüßte die Lösung. "Wenn Kulovits-Rupp und Medwenitsch gut zusammenarbeiten und der ORF ihre erste Liebe ist, werden sie das schlingernde Schiff ORF auf guten Kurs bringen", so Küberl. FPÖ-Vertreter Norbert Steger kritisierte den Umstand, dass die Vertreter der Opposition erst in der Sitzung selbst informiert wurden. "Eine demokratiepolitisch schreckliche Vorgangsweise", meinte Steger.

Im ORF war am Donnerstag Erleichterung über das Ankommen der Großen Koalition am Küniglberg spürbar. Der öffentlich-rechtliche Sender kann nun beim ORF-Gesetz und der geplanten 160 Millionen Euro schweren Gebührenrefundierung mit Rückendeckung von SPÖ und ÖVP rechnen. Auch für wichtige ORF-Zukunftsfragen wie die anstehenden Strukturreformen oder die Standortfrage stehen die Zeichen nun auf großkoalitionärem Konsens.

Brosz:"Proporzpaket"
Ob mit der Einigung auch weitere personalpolitische Absprachen verbunden waren, war am Donnerstag vorerst nicht in Erfahrung zu bringen. In den nächsten Monaten sind im ORF wegen einer Reihe von Pensionierungen etliche Führungspositionen nachzubesetzen, in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres wird außerdem eine neue ORF-Geschäftsführung gewählt.

Kritik kam indes von der Opposition. Der Grüne ORF-Sprecher Dieter Brosz bezeichnete die Lösung als "Proporzpaket" der Regierung. Es sei bemerkenswert, "dass die ÖVP lieber eine rote Vorsitzende akzeptiert, als die Chance eines unabhängigen Vorsitzenden zu nutzen". Offenbar wollten SPÖ und ÖVP den parteipolitischen Einfluss im ORF erhöhen, so Brosz, der damit rechnet, dass in den nächsten Tagen "die personalpolitischen Nebenabsprachen durchsickern werden".

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