Radikalisiertes Umfeld

Experte warnt: Immer mehr Jihadisten in Österreich

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Die Schwerpunkte liegen in Wien, Niederösterreich und in der Steiermark.

In Österreich gibt es ein "nicht unbeträchtliches und nach wie vor im Wachsen begriffenes radikalisiertes Umfeld" von Jihadisten. Das sagte der Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, am Montag in einem Interview mit dem ORF-Ö1-Morgenjournal und der APA. In diesem Umfeld würden Jihadisten "rekrutiert, angeworben, radikalisiert".

Die Razzia in der Vorwoche in Graz und Wien betraf Gridling zufolge dieses radikalisierte Umfeld. "Die Ermittlungen richten sich nicht nur gegen Personen, die aktiv am Jihad teilgenommen haben oder aktiv am Jihad teilnehmen wollen oder wollten, sondern auch gegen das Umfeld", erläuterte Gridling. "Und da sehen wir doch Schwerpunkte in Wien, Niederösterreich und in der Steiermark." Die Festnahme eines 17-Jährigen am 20. Jänner in Wien sei hingegen aufgrund aktueller Hinweise erfolgt.

Einfluss von Mirsad O.

Gridling bestätigte, dass die Razzia in der Vorwoche zum Teil noch auf die Ermittlungen um den im Vorjahr nicht rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilten mutmaßlichen Jihadisten Mirsad O. zurückzuführen sei. "Dessen Einfluss ist nach wie vor vorhanden. Er kann zwar aus dem Gefängnis heraus nicht so agieren. Mirsad O. war sehr aktiv im Internet. Und viele seiner Ansprachen, seiner Rekrutierungsbemühungen sind nach wie vor im Internet abrufbar bzw. verfügbar", sagte der BVT-Direktor.

Man sei bemüht, radikale Inhalte aus dem Internet wegzubekommen. "Hier sind wir unterschiedlich erfolgreich", konstatierte Gridling. Das BVT arbeite sehr eng mit Europol zusammen, wo es die Internet Referral Unit mit sehr guten Kontakten gebe und die dafür sorgen könne, dass diese Inhalte wegkommen. Der Verfassungsschützer verwies auch auf Kooperationen mit anderen Providern, um Inhalte wegzubekommen. Die Prozesse seien aber "noch nicht automatisiert und führen manchmal zu etwas nachhaltigeren Dialogen", erläuterte Gridling. "Hier gilt es auch sicherzustellen, dass wir diese Inhalte, bevor sie gelöscht werden, auch entsprechend gesichert haben" - es geht um die Beweisführung.

In Bezug auf Moscheen, die im Zuge der Aktion in der Vorwoche gestürmt worden waren und die nach Medienberichten angeblich von ausländischen Staaten finanziell unterstützt werden, sagte Gridling: "Nicht jede Hinterhofmoschee, die existiert, wird von irgendwelchen großzügigen Gönnern aus dem Ausland gesponsert." Auch nicht jede Moschee, die einmal in den Blickpunkt gerät, spiele tatsächlich eine Rolle bei der Radikalisierung. "Und der Umstand, dass eine Person zum Beten in eine Moschee geht und später verhaftet wird, heißt noch lange nicht, dass diese Moschee zu den radikalen zählt."

Gefährder
Gridling bekräftigte, dass mit sogenannten Gefährdern eine "besondere Überwachung einhergehen soll". Allerdings gebe es den Begriff "Gefährder" als Legaldefinition in der österreichischen Rechtsordnung derzeit nicht. "Das ist ein interner Arbeitsbegriff", sagte der BVT-Chef. Es sei durchaus möglich, dass der Begriff "Gefährder" in der internen Definition weiter ist "als der Kreis jener Personen, die letztlich von einer Maßnahme, wie sie derzeit auf politischer Ebene besprochen wird, betroffen sein können".

Ob eine Fußfessel für solche Gefährder ein probates Mittel zur Überwachung sei, wollte Gridling noch nicht bewerten. Bisher sei eine Fußfessel ein gelinderes Mittel im Strafvollzug zur Einschränkung des Lebensspielraumes, weil es eine Strafe sei. Für Gefährder sei es ein Instrument, das "so noch nicht bekannt ist, weil es ja keine Strafe ist, sondern ein Sicherungsmittel". Es seien die "Details noch zu unklar".

Zur Gefahrenabwehr bei sogenannten Foreign Fighters, die für die Jihadisten in den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens gekämpft haben und zurückgekehrt sind, hält Gridling das Strafgesetzbuch nicht für ausreichend. Personen dafür zur Verantwortung zu ziehen, das werde ja getan. "Das bedeutet aber nicht, dass die Gefahr, die von dieser Person ausgeht, damit automatisch beendet ist. Die Möglichkeiten, mit dieser Gefahr umzugehen, sind aber jedenfalls beendet."

Wenn jemand eine Strafe verbüßt habe, dürfe ihm die inkriminierte Tat nicht mehr vorgeworfen werden. Man müsse sich aber nach wie vor die Frage stellen, welche Gefahr von dieser Person ausgehen. "Deswegen darf man Gefahrenabwehr und Ermittlung im Dienste der Strafjustiz nicht voneinander abhängig machen, sondern muss sie als zwei nebeneinanderstehende Tätigkeiten sehen", betonte der BVT-Chef. Man könne in Menschen nicht hineinsehen. Manche Verhaltensweisen könnten durchaus taktisch bestimmt sein. "Eine gesunde Skepsis gegenüber geläuterten Jihadisten ist jedenfalls angebracht."

Knapp 300 Jihadisten aus Österreich hatten laut Innenministerium die Absicht in den Krieg zu ziehen. Rund 50 davon wurden gestoppt, etwa 40 im Krieg getötet. Etwa 90 sind demnach wieder zurückgekehrt. Nach den Erfahrungen des Ministeriums sind etwa 20 Prozent der Foreign Fighter junge Frauen.

 

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