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Frontal-Angriff gegen ÖVP-Chef

Häupl zum 70er: "Kurz hasst Wien"

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Zum 70. Geburtstag von Michael Häupl bat ÖSTERREICH zum Interview mit Michael Ludwig.

Wien. Am Samstag feierte Michael Häupl seinen 70er, Nachfolger Michael Ludwig machte ihn zum Ehrenbürger Wiens. ÖSTERREICH bat die beiden Bürgermeister zum Talk über Wahlkampf, Ibiza-Video und die SPÖ:
 

Häupl: »Hielt das Ibiza-
Video zuerst für Fake«

 
ÖSTERREICH: Herr Häupl, Sie hatten einmal gesagt, Wahlkämpfe seien Zeiten fokussierter Unintelligenz. Wie unintelligent geht es derzeit zu?
 
Michael Häupl: Wenn ich mir manches anhöre, dann muss ich sagen: nicht unerheblich. Das jüngste Beispiel ist, dass eine nicht amtsführende Stadträtin zu einer politischen Demonstration geht, dort spricht und nachher behauptet, sie hätte nicht gewusst, wo sie war. Das ist ein ganz krasses Beispiel dafür, was es so an ­Unintelligenz in Wahlkämpfen gibt. Aber es sind ja andere Sachen auch. Da wird plötzlich eingebrochen in den Internetbereich einer Partei und kein Mensch kann wirklich nachvollziehen, was sich tatsächlich abgespielt hat.
 
ÖSTERREICH: Sie meinen jetzt die ÖVP?
 
Häupl: Die ÖVP, die nun damit ablenken kann, dass ein Parteiangestellter offizielle Datenbanken geschreddert hat. Ich versteh das alles ehrlich gesagt überhaupt nicht. Für was schreddert man diese Dinge? Das alles sind Beispiele für Unintelligenz, in dem Wahlkampf gibt es ziemlich zahllose. Der Spruch war leider nicht einer meiner schlechteren.
 
ÖSTERREICH: Wie unintelligent finden Sie den Wahlkampf?
 
Michael Ludwig: Ich finde ihn vor allem sehr bedrohlich für die Stadt Wien. Da möchte ich Ihnen ein Zitat von Sebastian Kurz nicht vorenthalten: „Schauen wir uns den Finanzausgleich an, den möchte ich beim nächsten Mal ändern. Ganz Österreich finanziert die Wiener U-Bahn und anderes, und Wien schafft es trotzdem, mehr Schulden zu machen als alle anderen Bundesländer.“ Das ist eine deutliche Drohung, was Wien betrifft, um Wien zu schwächen. Gegen diese Unwahrheiten und gegen den Versuch, andere Bundesländer gegen uns aufzuhetzen, werden wir uns wehren.
 
ÖSTERREICH: Sie sind ja ursprünglich in NÖ geboren, lange Zeit Wiener Bürgermeister gewesen. Sebastian Kurz ist in Wien geboren, legt aber jetzt Wert auf die Feststellung, dass er eigentlich Niederösterreicher sei.
 
Häupl: Ehrlich gesagt, das ist so kindisch. Der Großteil der Wiener Bürgermeister, der jetzige ist eine Ausnahme, sind nicht in Wien geboren. Beim Kurz zeigt das natürlich schon ein bisschen, wie sehr er Wien hasst, wie sehr er sich von Wien distanziert. Er bekennt sich nicht einmal dazu, dass er in der Stadt geboren ist.
 
ÖSTERREICH: Trotz Ibiza-Skandal und FP-„Einzelfällen“ liegt die SPÖ nur bei rund 22 Prozent. Was läuft da schief in der SPÖ?
 
Häupl: Also ich kann Ihnen sagen, wenn ich 2015 den Umfragen geglaubt hätte, dann wäre ich Ende 2015 nicht mehr Bürgermeister gewesen. Da wurde von einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ geschrieben und am Ende hatte die SPÖ fast zehn Prozent Vorsprung.
 
Ludwig: Pamela Rendi-Wagner ist sehr engagiert und punktet nicht nur bei den Fernsehdiskussionen. Wir haben keine Großspender, die uns unterstützen. Aber Mittel – und langfristig wird es sich rentieren, dass wir auf Inhalte und Ehrlichkeit in der Politik setzen. Das unterscheidet uns von anderen. Wir sollten auf jeden Fall auch in den kommenden Verhandlungen, die dann zu einer neuen Bundesregierung führen werden, immer zeigen, dass wir gesprächsbereit sind, wir haben immer Verantwortung im Sinne des Staatsganzen übernommen, aber nicht um jeden Preis.
 
ÖSTERREICH: Also „Ja zu Türkis–Rot“, um „Türkis–Blau zu verhindern“?
 
Häupl: Ja, aber nicht automatisch. Wir sind ja nicht der Hofer, der jetzt schon nichts anderes macht, als zu schauen, dass er Vizekanzler in ­einer Regierung mit dem Herrn Kurz wird. Ja, ich bin dafür, dass die SPÖ nach der Wahl auch mit der ÖVP spricht, dass man auslotet, wo es Gemeinsamkeiten gibt und wo nicht und dann wird man inhaltlich sehen, geht das, kann das funktionieren, gibt es hier diese entsprechenden Übereinstimmungen? Also ich denke, da kann man nicht vorher Ja oder Nein sagen, das ist auch nicht die Aufgabe. Jetzt hat man sich zu bemühen, dass die SPÖ möglichst optimal abschneidet. Wenn sich Türkis-Blau ausgeht, werden die das wieder machen.
 
ÖSTERREICH: Hat Sie dieses Ibiza-Video eigentlich überrascht? Und wo haben Sie es das erste Mal gesehen?
 
Häupl: Das erste Mal haben wir es bei einer Veranstaltung gemeinsam gesehen und während einer Musikdarbietung reicht mir der Herr Bürgermeister plötzlich sein Handy mit dem Video herüber. Also ich muss ganz ehrlich sagen, im ersten Moment dachte ich, es wäre ein Fake, aber es war real. Da geht es ja nicht nur ums Strafrechtliche, da geht es auch um ethische, moralische und politische Konsequenzen. Und, wer jetzt, nachdem man das einigermaßen verdaut hat und realisiert hat, was da gesagt wurde, immer noch FPÖ wählt, dem kann ich nicht helfen.
 
Ludwig: Wir werden uns unabhängig von Wahlergebnissen auch in Zukunft für eine freie Meinungs- und Pressemöglichkeit einsetzen. Wir werden mit Sicherheit auch in Zukunft dafür eintreten, dass Entscheidungen in Österreich und nicht von ausländischen Oligarchen getroffen werden, also das wird unabhängig von Wahlergebnissen immer auch die Orientierungslinie sein für unser politisches Handeln.
 
ÖSTERREICH: Was vermissen Sie am meisten seit Ihrem Rücktritt und worüber sind Sie am meisten froh, dass Sie das nicht mehr machen müssen?

Häupl: So rasend viel hat sich ja nicht verändert und gerade in Wien, wo ich den besten Überblick habe, bin ich eigentlich sehr angetan. Was ich nicht vermisse, ist, nicht jeden Tag z. B. so einen Unsinn wie das Ibiza-Video zu kommentieren oder die Ausreden der Frau Stenzel. Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, auch nicht in politischer Hinsicht, aber wesentlich wichtiger ist mir natürlich schon die inhaltliche Arbeit an der Veränderung in Wien, das war für mich natürlich tausend Mal spannender als die Flachserei. Die brauche ich jetzt nicht mehr machen und das finde ich eigentlich ganz angenehm.
 
ÖSTERREICH: Ex-SPÖ-Chef Christian Kern hatte zum Wahlkampfstart in Bezug auf die SPÖ gemeint: „Hoch gewinnen wir das nicht.“ Was haben Sie sich dabei gedacht?
 
Häupl: Na ja, das ist ja fast ein Schmäh-Diebstahl. Nämlich aus meiner geliebten Fußballwelt und nachdem das Spiel dann am Ende des Tages vorbei war, hat es den Teamchef nicht mehr gegeben. Und das kann auch eine Parallele zum Christian Kern darstellen. Ich glaube, er wird die Dinge heute auch anders sehen als vor ein paar Wochen. I. Daniel
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