Der Steuerstreit

Koalition: Szenen einer Polit-Scheidung

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Die Fronten verhärten sich. Die Szenarien zum Koalitionscrash.

„Lieber ein raueres Klima, und es kommt etwas dabei heraus, als gespielte Harmonie, die es nicht gibt“, erklärte SPÖ-Kanzler Werner Faymann gestern nach dem Ministerrat ungewohnt offen. VP-Vizekanzler Michael Spindelegger lehnte indes weiter eine vorgezogene Steuerreform für 2015 ab: „Ich bin ja kein Fantast.“

Der Streit über Steuerreform und Millionärsabgaben bringt die Regierung an den Rand des Abgrunds:

SPÖ-Parteitag im Herbst, Gewerkschaft mobilisiert
Vordergründig hat sich die Koalition gestern auf einen Fahrplan „zur Ausarbeitung einer Steuerreform“ geeinigt. Hinter den Kulissen bleiben die Gegensätze zwischen SPÖ und ÖVP aber unversöhnlich: Die Gewerkschaft wird – gemeinsam mit der SPÖ – ab jetzt „Steuern runter“ massiv und öffentlich kampagnisieren.

Sämtliche SPÖ-Landesgruppen und -Minister werden sich dem anschließen.

Der Höhepunkt dieser Kampagne – auch für neue „Millionärssteuern“ – soll der SPÖ-Parteitag im November sein. Dort stellt sich Faymann der Wiederwahl.

Die VP-Spitze hofft, dass die SPÖ danach „einlenken“ wird – ein Trugschluss.

Häupl liebäugelt vor Wien-Wahl mit Koalitions-Aus
Denn dann wird die „Schlacht um Wien“ von den Roten erst richtig eröffnet. Immerhin legt es die SPÖ auf vorgezogene Landtagswahlen am 31. Mai 2015 an. Dass Häupl in ÖSTERREICH bereits erklärt hatte, dass ohne Steuerreform „die Koalition keinen Sinn mehr“ mache, ist mehr als eine leere Drohung.

Politexperte Thomas Hofer sagt im ÖSTERREICH-Gespräch: „Wenn keine Steuerreform kommt, hat die SPÖ-Wien Interesse am Koalitions-Aus.“ Häupl strebe Rot-Grün auch im Bund an, sagt ein SP-Stratege. Dafür bräuchten SPÖ und Grüne wohl die NEOS als Partner. Mit dem Posten des Wirtschaftsministers könnte dieser Coup gelingen.

ÖVP bleibt hart – kommt neuer VP-Spitzenkandidat?
Unterstützung für seine Wahlpläne dürfte Häupl von Burgenlands SP-Landeshauptmann Hans Niessl erhalten – er wählt im Herbst 2015.

Auch in der ÖVP gibt es Neuwahl-Befürworter: Sie wollen die SPÖ dazu bringen, „die Koalition platzen zu lassen. Dann würden wir mit einem neuen Spitzenkandidaten antreten und Schwarz-Grün-NEOS anstreben“, sagt ein VP-Mann.

Gibt es 2015 statt einer Steuerreform am Ende Neuwahlen?

Isabelle Daniel

Politikexperte Thomas Hofer über "Koalitionskrise"

ÖSTERREICH: Für wie ernst halten Sie den Regierungsstreit über die Steuerreform?
Thomas Hofer: Das ist ein sehr ernster Streit. Er macht auch die massive Abneigung zwischen SPÖ und ÖVP deutlich. Die beiden vertrauen einander nicht mehr. Aber derzeit kann sich keiner von beiden trauen, vor die Wähler zu treten.

ÖSTERREICH: SP-Strategen berichten, dass die Wiener SPÖ mit vorgezogenen Nationalratswahlen 2015 liebäugle.
Hofer: Ja, die SPÖ-Wien braucht vor ihrer Landtagswahl 2015 eine spürbare Entlastung, oder sie muss sich von der Bundes-SPÖ distanzieren. Die SPÖ-Wien hat ein Interesse an vorgezogenen Nationalratswahlen, wenn die Steuerreform nicht kommt.

"Einigung" auf Fahrplan: Der Streit geht aber weiter

Nur mühsam konnten Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) die Ruhe bewahren – denn der Streit um die Steuerreform ist nur zum Schein beigelegt. Der „vereinbarte“ Fahrplan“ enthält eine Sollbruchstelle – inhaltlich sind die beiden Parteien ohnehin meilenweit auseinander –, das vermochte auch der morgendliche Krisengipfel nicht zu ändern:

Spätestens im Dezember geht der Streit wieder los

  • Oktober 2014: Experten. Bis Herbst soll eine Expertengruppe Vorschläge vorlegen: einfacherer Tarif, weniger Ausnahmen, Entlastung.
  • Dezember 2014: Einigung. Bis Jahresende wollen sich Faymann und Spindelegger auf ein Reformkonzept einigen. Das ist ausgemacht – doch dann geht der Streit los. Faymann: „Dann werden wir diskutieren. Ich sehe nicht ein, dass eine Steuerform, die fertig ist, nicht auch gleich in Kraft treten soll.“
  • März 2015: Gesetzesentwurf. Bis dahin will Spindelegger die Reform in einen Entwurf gegossen haben. „Das wird nicht leicht“, so Spindelegger gestern nach dem Ministerrat zu ÖSTERREICH: „Es gilt immerhin knapp 600 Ausnahmen im Einkommensteuerrecht zu überprüfen. Das dauert natürlich.“
  • Juli: 2015: Beschluss. Das Parlament soll die Steuerreform beschließen. Und selbst dann dürfte noch gestritten werden: Faymann und die SPÖ fordern, dass die Entlastung rückwirkend in Kraft tritt – was Spindelegger aber vehement ablehnt: „Wir brauchen einen entsprechenden Vorlauf. Ich kann mir dass frühestens 2016 vorstellen – wenn die Entlastung durch Strukturreformen finanziert ist.“

Denn die SPÖ-Millionärssteuer lehnt die ÖVP sowieso ab – der Knackpunkt der Verhandlungen.

G. Schröder

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