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Asylstreit

Kurz: 'Akzeptieren keine Verträge zulasten Österreichs'

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Regierung will kein Abkommen mit Deutschland, das Österreich schadet – und keine Flüchtlinge zurücknehmen. 

Österreich will nach dem deutschen Asylkompromiss keine Verträge zu seinen Lasten akzeptieren. Dies hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am heutigen Dienstag in einer Pressekonferenz mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ) in Wien klargestellt. Die Bundesregierung sei "sicherlich nicht bereit, Verträge zulasten Österreich abzuschließen", sagte Kurz.

Ähnlich äußerten sich auch Strache und Kickl. "Selbstverständlich wird keine Vereinbarung zulasten Österreichs unterstützt und auch nicht abgeschlossen", sagte der FPÖ-Chef. Kickl sagte, man werde "nichts zulassen, wo Österreich zu Schaden kommt. Österreich darf nicht noch mehr als es bisher der Fall gewesen ist, die Erbschaft einer verfehlten Willkommenskultur, die in Europa mit bestimmten Namen verbunden ist, tragen", sagte er in Anspielung auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
 

Kickl kann sich Abkommen "nur sehr schwer vorstellen"

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) äußerte sich sehr skeptisch, was ein mögliches Abkommen mit Deutschland über die Rücknahme von Asylbewerbern betrifft, die von anderen EU-Staaten nicht akzeptiert werden. "Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, worum es in dieser Vereinbarung gehen soll. Das wäre ein Vertrag zulasten dritter", sagte er mit Blick auf Punkt 3 des Unionspapiers vom Montag.

Solange Deutschland mit Staaten wie Italien über die Flüchtlingsrücknahme verhandle, "wird es überhaupt keine Zurückweisungen an Österreich geben, die über das hinaus gehen, was jetzt ist", sagte Kickl. Er erinnerte in diesem Zusammenhang ausdrücklich an sein PULS-4-Interview am vergangenen Mittwoch, in dem er einer Rücknahme von in anderen EU-Staaten registrierten Asylbewerbern aus Deutschland eine klare Absage erteilt hatte.

Somit gebe es einen Zeithorizont von "einigen Wochen", in denen Österreich eine "höhere Kontrolldichte" an der südlichen Grenze herstellen könne, was in der Folge "eine Entlastung für Deutschland und Österreich" bringen werde, erläuterte der FPÖ-Politiker, der auch von einem längeren Telefongespräch mit Seehofer am heutigen Dienstag berichtete.
 

Kurz erfreut über "Trendumkehr" in EU-Asylpolitik

Kurz zeigte sich erfreut über die "Trendumkehr" in der Flüchtlingspolitik in Europa. "Es gab lange Zeit in Europa, insbesondere in Deutschland, die Politik der offenen Grenzen, auch die Willkommenskultur", sagte der Kanzler. Damals seien diejenigen, die für einen restriktiven Kurs eingetreten seien, "gescholten" worden. Nun sei auch Deutschland bereit, nationale Maßnahmen zu setzen. Allerdings sei "noch nicht ganz klar geworden, was Deutschland hier genau vorhat", sagte Kurz, der von Gesprächen mit Amtskollegin Angela Merkel und Minister Seehofer berichtete.

 Kurz verwies diesbezüglich darauf, dass noch die Sozialdemokraten dem Unions-Kompromiss zustimmen müssten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zitierte in diesem Zusammenhang SPD-Chefin Andrea Nahles, die von "ungedeckten Schecks" in der Unions-Vereinbarung gesprochen habe.
 

Merkel & Seehofer fanden Kompromiss

Angela Merkel und ihr streitbarer Innenminister Horst Seehofer haben sich in ihrem Konflikt um die Asylpolitik geeinigt. Der Haken: Sie wälzen das Problem auf Österreich ab. Immerhin lautet der CDU-CSU-Plan nun „Transitzentren“ an der bayerisch-österreichischen Grenze zu errichten, um dort „Sekundärmigranten“ – Menschen, die bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden – nach Österreich zurückzuweisen. Dafür will Deutschland ein Verwaltungsabkommen mit Österreich abschließen. Die heimische Regierung lehnt das klar ab.

Video zum Thema: Kurz: Auftritt im EU-Parlament

Immerhin bedeutet der deutsche Plan – auch, wenn es 2017 nur um ungefähr fünf Migranten pro Tag an der bayerisch-österreichischen Grenze ging – Ungemach.

Die Drohung von VP-Kanzler Sebastian Kurz ist denn auch höflich formuliert, aber eindeutig: Sollte Deutschland Flüchtlinge zurückweisen, werde Österreich beginnen, „unsere Südgrenze zu schützen“.

Kneissl contra Berlin: Wir waren null eingebunden

Das wäre dann freilich das Ende von Schengen – keinen Grenzen innerhalb der EU. Auch, wenn Kurz die Priorität des EU-Außengrenzschutzes betont. Außenministerin Karin Kneissl bezeichnete die Pläne aus Berlin – just bei einem Außenministertreffen in Schengen – gar als „skurril“, erklärte, dass die österreichische Regierung null eingebunden worden sei. Und, dass sie es als „Fiktion“ ansehe, dass „jemand, der in Deutschland nicht registriert wurde, als nicht eingereist“ gelte.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Innenminister Herbert Kickl wollen jedenfalls eine harte Gangart gegen Merkel.

Kurz, der derzeit EU-Ratsvorsitzender ist, hat gestern in der Früh mit Seehofer telefoniert, will verbindlich im Ton, aber hart in der Sache sein. Der Spott der Opposition ist ihm indes sicher. SPÖ-Chef Christian Kern ätzt: „Seehofer und Merkel haben ihren Konflikt auf Kosten Österreichs geschlichtet. Kurz hatte sich einseitig in einen innerdeutschen Streit eingemischt und nun die Rechnung dafür kassiert.“

Kurz: "Nachteile für unser Land abwenden"

ÖSTERREICH: Werden Sie nach der deutschen Einigung nun Flüchtlinge aus Deutschland zurücknehmen?

Sebastian Kurz: Da so gut wie keine Flüchtlinge, die in Deutschland sind, zuerst in Österreich registriert wurden, ist das eine eher theoretische Frage. Österreich und andere Länder werden darauf reagieren. Ich bin in einem Europa ohne Grenzen nach innen aufgewachsen und wir werden alles tun, damit es wieder ein Europa ohne Binnengrenzen, aber mit starkem Außengrenzschutz geben wird.

ÖSTERREICH: Aber wird Österreich dann auch Transitzentren an den Südgrenzen errichten?

Kurz: Wenn die CDU-CSU-Einigung zur deutschen Regierungsposition würde, würden wir uns auch veranlasst sehen, Handlungen zu setzen, um Nachteile für unser Land abzuwenden. Dann müssten wir natürlich auch Maßnahmen setzen, um unsere Südgrenzen zu schützen. Die deutschen Überlegungen zeigen jedenfalls, wie wichtig ein gemeinsamer EU-Außengrenzschutz ist.

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