Polit-Streit um Identitäre

Kurz: "Null Toleranz für Rechtsextreme"

Teilen

Strache will nur 'Aufklärung'. Kanzler Kurz kontert nun in ÖSTERREICH. 

Wien. FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der die Identitären in einem Facebook-Posting 2016 indirekt gelobt hatte, geht nun auf Distanz – zu den Plänen von VP-Kanzler Sebastian Kurz.

Dieser hatte bekanntlich am Mittwoch angekündigt, dass die Regierung die Auflösung der Identitären prüfe, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen Identitären-Sprecher Martin Sellner wegen Verbindungen zum Neonazi-Terroristen von Neuseeland ermittelt.

Strache will hingegen nur eine „Aufklärung“ über die Tätigkeit der rechtsextremen Truppe. Einen Verein wegen der Spende – der Neonazi-Terrorist hat den Identitären 1.500 Euro überwiesen – eines „Verrückten“ aufzulösen, sei schwer möglich, erklärte Strache.

Kurz bleibt hart und will null Toleranz für Extreme

Im ÖSTERREICH-Interview bleibt Kanzler Kurz hart: „Wir müssen entschlossen gegen Radikale vorgehen. Für mich gibt es absolut keine Kompromisse gegenüber jeder Art von Radikalismus, egal ob rechtsextrem oder islamistisch.“ Er habe auch der FPÖ – die in der Vergangenheit Kontakte zu Identitären hatte – gesagt, dass „jeglicher Kontakt zu unterlassen“ sei.

Im ÖSTERREICH-Interview bekräftigt Kurz, die Auflösung der Identitären anzustreben.

ÖSTERREICH: Bleiben Sie dabei, dass die Identitären aufgelöst gehören, wenn dies rechtlich möglich ist?

Sebastian Kurz: Ich bleibe dabei, dass man die rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen sollte. Für mich gibt es absolut keine Kompromisse und null Toleranz gegenüber jeder Art von Radikalismus, egal ob rechtsextrem oder islamistisch. Wenn bei den Ermittlungen strafrechtlich relevante Übertretungen festgestellt werden, dann braucht es natürlich Konsequenzen und die Auflösung des Vereins.

ÖSTERREICH: FPÖ-Vizekanzler Strache ist da aber bereits auf Distanz gegangen. Er ist nur für „Aufklärung“ …

Kurz: Meine Linie bleibt klar. Ich habe null Toleranz für Terroristen, für Radikale oder Menschen, die sich im Umfeld von Terroristen befinden. Jetzt sind die unabhängige Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsbehörden am Zug. Ich stehe für die breite Mitte sowie einen freien und liberalen Rechtsstaat. Niemand im Land hat Verständnis für Kontakte zu Terroristen und Sympathien zu Rechtsradikalen. Das sollte Grundkonsens in der Zweiten Republik sein und für alle gelten.

ÖSTERREICH: Ihr Koalitionspartner, auch FPÖ-Spitzenfunktionäre wie Innenminister Kickl sind in der Vergangenheit aber gemeinsam mit Identitären aufgetreten. Ist das nicht problematisch?

Kurz: Eine klare Abgrenzung ist nötig. Niemand, der es gut mit Österreich meint, kann und sollte mit Radikalen Kontakt haben.

ÖSTERREICH: Haben Sie das auch Ihrem Koalitionspartner klar gesagt?

Kurz: Ja.

ÖSTERREICH: Und?

Kurz: Der Vizekanzler hat gesagt, dass Personen, die bei den Identitären aktiv sind, keine Funktionen bei der FPÖ haben dürfen. Jeglicher Kontakt zwischen Radikalen und Funktionsträgern ist zu unterlassen.

ÖSTERREICH: Identitären-Sprecher Sellner spottet über Ihr Vorhaben, die Auflösung der Identitären zu prüfen. Besteht nicht die Gefahr, aus den Identitären Märtyrer zu machen, wenn die Auflösung scheitert?

Kurz: Es ist wichtig, gegen Radikale entschlossen vorzugehen. Das ist auch im ­Interesse der Sicherheit in Österreich nötig.

ÖSTERREICH: Vor einigen Tagen wurde auch ein mutmaßlicher IS-Terrorist in Wien festgenommen. Es soll hier ­eine IS-Zelle geben. Was ist los in Österreich?

Kurz: Ich bin froh über den Ermittlungserfolg der Behörden. Aber das zeigt uns auch, dass es leider viele radikale Kräfte bei uns in Europa gibt.

ÖSTERREICH: Einige IS-Frauen in kurdischer Haft wollen mit ihren Kindern zurück nach Wien. Wie stehen Sie dazu?

Kurz: Es gibt derzeit keine Hinweise, dass die Kurden gefangen genommene IS-Kämpfer und Frauen freilassen.

Die Akte Identitäre & Neonazis

Derzeit durchforstet die Justiz E-Mails und Whats­App-Nachrichten des Iden­titären-Sprechers Martin Sellner nach einer Razzia in seiner Wohnung in Wien.

Offiziell fand diese wegen einer Geldspende des Neonazi-Terroristen von Neuseeland, Brenton Tarrant, an die österreichischen Identitären und wegen Steuerprüfungen statt. Laut ÖSTERREICH-Recherchen werden aber weitere „Kontakte“ – so ein Insider – zwischen den österreichischen Rechtsextremen und dem Neonazi aus Australien vermutet und gerade überprüft.

2014 war Tarrant mit Österreichern in Nordkorea

Und diese Kontakte könnten weit zurückliegen. Tarrant besuchte 2014 mit einer Reisegruppe Nordkorea – mit dabei waren auch zwei Wiener und ein Grazer. Dabei besteht offenbar der Verdacht, dass es sich bei einem oder mehreren dieser Österreicher um heutige Identitäre handeln könnte. Sellner selbst leugnet jedenfalls sämtliche Verbindungen zu Tarrant.

Finanzstrafverfahren gegen Identitäre droht

Den Identitären droht zudem ein Steuerstrafverfahren wegen des Verkaufs von T-Shirts und anderen Identitären-„Souvenirs“, die mutmaßlich steuerlich nicht ordnungsgemäß ausgewiesen wurden.

Angeblich sei die Streitsumme über 100.000 Euro hoch. In diesem Fall könnte der Verein der rechtsextremen Identitären aus steuerstrafrechtlichen Gründen aufgelöst werden.

I. Daniel

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.