Marathon-Kanzler

Kurz: "Wer verändert, hat Gegenwind"

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Hektischer Terminplan: Kurz zwischen Europapolitik und harten Reformen in Österreich. 

Heute früh fliegt Kurz nach Kairo (Ägypten). Gemeinsam mit Donald Tusk, Präsident des EU-Rates, trifft er als EU-Ratsvorsitzender den ägyptischen Präsidenten Al Sisi. Besprochen wird ein zukünftiger Gipfel zwischen der EU und der Liga der Arabischen Staaten. Thema: illegale Migration.

11.000 Kilometer. Von Kairo geht es gleich zurück nach Europa. Sonntagabend konferiert er bereits mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Am Montag ist schließlich ein Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Élysée-Palast in Paris geplant, ein extremer Takt. Zuletzt war Kurz in Madrid bei seinem Amtskollegen Sánchez.

Harter Kurs. Dazwischen peitschte er in Wien mit seinem FPÖ-Regierungspartner die heikle Straffung der Krankenkassen durch, was zu massivem Widerstand bei ÖGB und AK führt: „Ich habe damit gerechnet“, so Kurz.

Die EU-Hauptstadt-Tour nützt er wiederum, um den zweitägigen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs kommende Woche in Salzburg vorzubereiten. „Es gehört zu einer professionellen Führung des EU-Ratsvorsitzes einfach dazu, mit allen großen Playern zu sprechen“, sagt Kurz zu ÖSTERREICH über seinen Marathon. Innerhalb von einer Woche wird der Kanzler somit mehr als 11.000 Reisekilometer abgespult haben. K. Wendl

"Ziehen Reformen trotz Wiederstands durch"

ÖSTERREICH: Sie waren in Madrid, fliegen Sonntagfrüh nach Ägypten, am Abend sind Sie bei Merkel in Berlin, morgen bei Macron in Paris. Warum dieser Marathon, Herr Kanzler?

Sebastian Kurz: Es ist die professionelle Vorbereitung des Gipfels in Salzburg kommende Woche und eine professionelle Führung unseres Ratsvorsitzes in der EU. Da gehört es dazu, mit allen europäischen Partnern im Austausch zu sein und natürlich ganz besonders mit den großen Playern in der Europäischen Union.

ÖSTERREICH: Beim Gipfel in Salzburg sollen die Weichen für Europa gestellt werden. Wohin wird die Reise gehen?

Kurz: Es ist ein informeller Gipfel, das bedeutet, es werden keine Beschlüsse gefasst, dafür ausführlicher diskutiert. Die großen Themen sind der Brexit und Migration. Unser großes Ziel ist es, einen harten Brexit zu vermeiden und ein geordnetes Miteinander mit Großbritannien auch nach dem Austritt sicherzustellen. In der Frage der Migration hat eine Trendwende in den Köpfen stattgefunden. Jetzt geht es darum, unsere Forderungen Schritt für Schritt auf den Boden zu bringen. Das bedeutet eine Stärkung von Frontex, besserer gemeinsamer europäischer Außengrenzschutz. Beides muss gelingen, denn ein ungeordneter Austritt Großbritanniens würde zu massiven wirtschaftlichen Schäden nicht nur für Großbritannien führen, sondern auch für uns in der EU. Kein funktionie­render Außengrenzschutz bedeutet wiederum, dass Europa ohne Grenzen nach innen in Gefahr ist.

ÖSTERREICH: Derzeit herrscht der Eindruck vor, dass Europa so zerstritten ist wie selten. Das zeigten der Innenministergipfel oder der Streit mit Ungarns Orbán. Wie wollen Sie die Wogen glätten?

Kurz: Genau deshalb ist es wichtig, dass wir als Brückenbauer auftreten, dass wir uns nicht all jenen anschließen, die die Gräben in Europa tiefer werden lassen. Wir wollen kein Europa, wo der Norden über den Süden klagt, der Westen über den Osten schimpft und umgekehrt. Wir wollen ein gemeinsames Europa, das stark genug ist, die Migrationsfrage und an­dere Krisen zu bewältigen.

ÖSTERREICH: Auch innenpolitisch geht es rund. Gegen die Kassenreform gibt es Widerstand von ÖGB und AK, droht ein heißer Streik-Herbst?

Kurz: Immer, wenn man etwas verändert, gibt es Gegenwind, vor allem, wenn Funktionäre ihre Pfründe und Einflussmöglichkeiten verlieren. Ich bin gewählt worden, um genau diese Veränderungen durchzuführen. Die Zusammenlegung der Kassen von 21 auf 5, das ist etwas, das schon seit Jahrzehnten in Österreich diskutiert wird. Mehrere Regierungen wollten es durchführen und haben es in ihren Programmen niedergeschrieben, aber niemand hat es bis jetzt umgesetzt. Wir tun das, damit es in Zukunft für die Patienten eine Milliarde mehr gibt und, ja, wir sparen bei der Verwaltung und bei den Funktionären, aber das ist genau das, was wir im Wahlkampf versprochen haben.

ÖSTERREICH: Haben Sie mit einem derart massiven Widerstand gerechnet?

Kurz: Ich habe damit gerechnet. Wenn Sie eine Milliarde in der Verwaltung sparen und es den Patienten zukommen lassen, dann löst das natürlich auch Reibung aus. Wenn Sie zahlreiche Generaldirektoren-Jobs streichen, gibt es Personen, die unzufrieden darüber sind. Und wenn Sie die Zahl von 2.000 Funktionären auf weniger als 500 reduzieren, dann gibt es viele, die sich gegen diese Reform stellen. Aber wir ziehen diese Reform durch, um eine Milliarde zu lukrieren, die wir im Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin für bessere medizinische Versorgung und gegen lange Wartezeiten in Spitälern investieren können.

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