Wolfgang Brandstetter

Gegenseitige Anschüttungen

Peinlicher Wahlkampf-Aktionismus im Ministerrat

Teilen

Die Regierung präsentierte sich als ziemlich zerstrittener Haufen.

Regierungssitzungen haben wahrscheinlich auch schon einmal mehr Spaß gemacht: Tatsächlich beschlossen wurde am Mittwoch beim möglicherweise letzten Ministerrat vor der Wahl wenig, stattdessen warfen sich SPÖ und ÖVP danach wie schon davor gegenseitig Wahlkampf-Aktionismus vor.
 
"Es war eine relativ unspektakuläre Sitzung", erklärte Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) nach der recht kurzen Zusammenkunft vor Journalisten. Durchgebracht hat man etwa zumindest die Verlängerung der Bundesmittel für den Ausbau der Kinderbetreuung (siehe eigene APA-Meldung) oder das Verhandlungsmandat für das Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland.
 
Ansonsten sei die Beschlussfassung bei Weitem nicht so umfangreich gewesen wie erwartet, bedauerte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) - bei einem eigenen Auftritt vor den Medien. So habe die SPÖ ein Bekenntnis zu einem Nein zum umstrittenen Pestizid Glyphosat auf EU-Ebene sowie die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten auf die Tagesordnung reklamiert, es habe aber keine Beschlüsse gegeben, kritisierte Drozda.
 

Verwunderung

Gerade was die Beseitigung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten betrifft, zeigte sich Drozda "besonders verwundert", stehe dies doch im Wahlprogramm von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Er habe wie schon in den vergangenen 15 Monaten den Eindruck, dass die Regierungsarbeit seitens der ÖVP "sabotiert und boykottiert" werde, meinte Drozda. Die Volkspartei sei offensichtlich mehr mit Dirty Campaigning, Personal- und Machtfragen beschäftigt, verwies Drozda süffisant auf Medienberichte zu einem angeblichen älteren "Strategiepapier" von Kurz zur Machtübernahme der ÖVP.
 
Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) zeigte sich verärgert darüber, dass die Strategie für den neuen Mobilfunkstandard 5G nicht beschlossen werden konnte, weil die ÖVP hier blockiere. Damit schade die Partei dem Standort Österreich und gefährde neue Arbeitsplätze, so Leichtfried: "Wir wollen, dass Österreich Vorreiter wird." Das Ressort verwies darauf, dass man im Gegensatz zu anderen Ländern konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne habe. Noch im September will Leichtfried eine Testregion auf die Beine stellen.
 
Die ÖVP wiederum zeigte sich enttäuscht, dass die SPÖ dem Sicherheitspaket mit mehr Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei nicht zugestimmt hat. Jemand habe einmal gesagt, "Wahlkampf ist nicht unbedingt die Zeit der Logik", meinte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Aus seiner Sicht sei es "bedauerlich, die Sicherheitsaspekte zu opfern". Auch Justizminister Brandstetter bedauerte die Ablehnung, meinte aber: "Es ist halt so."
 
Drozda wies die sinngemäße Aussage, wonach die SPÖ die Sicherheit für den Wahlkampf opfere, zurück - dieser Anwurf richte sich von selbst. Die ÖVP sei vielmehr nicht in der Lage gewesen, einen verfassungskonformen Vorschlag vorzulegen.

Themen ins Parlament verlagern

Jetzt würden sich die Themen ins Parlament verlagern, meinte Brandstetter, und: "Was im Parlament passiert, wissen die Götter." Er warnte jedoch vor Beschlüssen, die viel Geld kosten und die man im Nachhinein reparieren muss. Bei der von der SPÖ gewünschten Sammelklage etwa brauche es eine Begutachtung, lehnte er auch generell Schnellschüsse ab.
 
Auch Drozda verwies darauf, dass die Musik ab jetzt im Parlament spielt: Dort will die SPÖ nicht nur weiterhin die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten debattieren, sondern auch die gewünschte Mietrechtsreform. Dass es zu Letzterer schon mediale Absagen von Schwarz und Blau gibt, hat Drozda "nicht nachhaltig beeindruckt". Man wolle trotzdem darüber reden, wie man die Mieten senken könne.
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.