Wahl-Analyse

Polit-Experte Kalina: Kurz wird Erster, aber ...

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Josef Kalina ist Politik-Berater und betreibt die Lobbying- und PR-Firma „Unique Relations“.

 

Die wirklich spannende Frage der Ibiza-Wahl ist: Wer wird nach dem 29. September mit der ÖVP regieren? Denn dass Sebastian Kurz mir klarem Abstand als Erster durchs Ziel gehen wird, kann nach heutigem Wissens- und Umfragestand niemand bestreiten. Viel unsicherer bleibt, wer aufs Silber-Stockerl steigen wird dürfen: die SPÖ mit Pamela Rendi-Wagner oder doch die FPÖ mit Norbert Hofer?

Was auch schon die eigent­liche Überraschung dieses Wahlkampfs ausmacht: Da geht das alles dominierende FPÖ-Führungsduo Vizekanzler HC Strache und dessen Klubobmann und engster Vertrauter Gudenus gemeinsam in einem beispiellosen Sumpf unter. Und trotzdem kann sich deren Partei mit überschaubaren Verlusten halten, während die stärkste Oppositionskraft vom Platzen der Regierung nicht nur nicht profitiert, sondern drauf und dran ist, selbst ­Terrain zu verlieren. Das ist wohl eine österreichische Besonderheit. Hauptverantwortlich dafür ist das Geschick der FPÖ-Strategen. Sie haben über die Jahre eine Stammwählerschaft aufgebaut, die mit der Partei unbeirrbar von Gegnern, medialen Kommentaren und selbst einem offensichtlichen Skandal, wie dem Strache’schen Macht- und Korruptionsplan im Ibiza-Video durch dick und dünn geht.

Am entschlossensten sind ÖVP- und FPÖ-Wähler

Das sehen wir daran, dass jene Wählerinnen und Wähler, die sich zur FPÖ deklarieren, in hohem Ausmaß entschlossen sind, fix die Blauen zu wählen. Nur übertroffen von den Kurz-Fans, die schon jetzt nahezu geschlossen angeben, am 29. 9. fix der ÖVP ihre Stimme zu geben.

Dem gegenüber steht eine überraschend verunsicherte SPÖ-Wählerschaft, deren Entschlossenheit, das Kreuzerl bei Rot zu machen, um fast nichts höher ist als jene der traditionell wankelmütigen Grün- und Pink-Wähler.

Vor allem die Grünen strotzen nach den geschickt als Triumph verkauften geringen Verlusten bei der EU-Wahl vor Kraft. Nach derzeitigem Stand scheint ihnen ein zweistelliges Ergebnis schon jetzt sicher. Und der Trend zeigt – beflügelt von der Themenkonjunktur im Hochsommer des Klimawandels – weiter steil nach oben.

Stabil die Neos, die sich mit Ex-Kurier-Chef Brandstätter einen bürgerlichen Quer­einsteiger geangelt haben. Sie versuchen damit, im Teich jener nicht kleinen Zielgruppe zu fischen, die Mitte-rechts fühlt, aber eine Neuauflage von Schwarz-Blau unbedingt verhindern will. Ob die Pinken aber so stark werden können, um eine Zweierkoalition mit Kurz zu schaffen, bleibt zweifelhaft. So dreht sich bis Ende September alles um die jede Wahl in Österreich dominierende Frage: Wer mit wem?

Die FPÖ will dezidiert mit Kurz weitermachen. Der aber ziert sich und stellt die schwer erfüllbare Bedingung: „nur ohne Kickl“. Die grüne Wählerschaft teilt sich an den Grenzen zwischen (rechten) Ökos am Land, wo Grüne und Schwarze oft schon jetzt traut in einer Regierung sitzen, und (linken) in der Stadt, die den Kurz’schen Anti-FlüchtlingsKurs verabscheuen. Das würde also zu einer schweren Zerreißprobe für Kogler und Co werden.

Nicht viel anders die Lage innerhalb der SPÖ, wo sich zuletzt Schwergewichte wieder für Gespräche mit der ÖVP über eine „Groko neu“ starkgemacht haben. Denen zeigt Kurz derzeit aber auch die kalte Schulter und ätzt in Richtung roter Führung, dass die ja gar nicht mit ihm regieren wolle.

Und da sind wir auch schon bei der Kernaufgabe von ­Rendi-Wagner. An ihr wird es liegen, der Partei Profil zu verleihen: Wofür steht die SPÖ? Was genau hat sie im Angebot, wenn sie in die Regierung kommt? Unzählige Fernseh-Diskussionsrunden liegen vor ihr, wo sie darüber aufklären kann.

Und dabei hat die rote Frontfrau einen Vorteil: Sie geht aus Sicht der journa­listischen Buchmacher gegen die Polit-Schlachtrösser Kurz, Hofer, Meinl-Reisinger und Kogler jeweils als klare Außenseiterin ins ­Duell. Wenn es ihr gelingt, einen Überraschungseffekt zu erzielen und besser ab­zuschneiden, als ihr die Kommentatoren zutrauen, dann kann ihr das sehr ­nützen.

Die Voraussetzungen dazu als sympathische, mitten im (Familien-)Leben stehende, beruflich erfolgreiche Frau hat sie.

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