ÖSTERREICH-Interview

Rot-Weiß-Rot-Card für Ausländer

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Außenminister Michael Spindelegger: 'Ausländer sichern unser Sozialsystem.'

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hat den Anstoß gegeben – jetzt ist man sich einig: Bis Herbst soll mit der Rot-Weiß-Rot-Card die Zuwanderung neu geregelt werden, die Sozialpartner müssen die Kriterien ausverhandeln – das alte Quotensystem hätte dann ausgedient. Laut Spindelegger sind bis zum Jahr 2030 rund 100.000 Zuwanderer nötig, um Wirtschaft und Sozialstaat stabil zu halten.

Tatsächlich waren schon im vergangenen Jahr rund 25.000 Zuwanderer nach Österreich gekommen. Dazu kommen ab Mai 2011 geschätzt 20.000 Ausländer pro Jahr. Denn: Nach Wegfall der Zugangshürde aus den neuen EU-Beitrittsländern (Ungarn, Polen, Rumänien etc.) ist ein hürdenloser Zuzug möglich. Gesamt könnte sich eine jährliche Zuwanderung von 45.000 ergeben. Macht gesamt bis 2030 rund 900.000 Zuwanderer. Zählt man die 100.000 „qualifizierten Spindelegger-Zuwanderer“ hinzu, kommt man auf 1 Million.

SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer gab sich am Montag überraschenderweise zuversichtlich, bis zum Herbst eine Lösung für neue Zuwanderungsregeln – von denen nur Nicht-EU-Ausländer betroffen wären – zu finden: „Bis dahin werden wir ein kriteriengeleitetes Zuwanderungssystem verhandeln.“ ÖSTERREICH liegt bereits ein bisher unveröffentlichtes Zuwanderungskonzept vor:

  • Schritt 1: Test im Internet. Potenzielle Zuwanderer sollen sich schon per Internet schlau machen können, ob sie für die Zuwanderung nach Österreich geeignet sind. Zu diesem Zweck sollen sie im Netz den „Aufnahmetest“ schon vorwegnehmen können – als Vorbild dienen Kanada und Australien, die schon Punktesysteme anwenden.
  • Schritt 2: Was wird getestet? Geprüft werden unter anderem die Qualifikation – aber nötig sind auch genügend freie Stellen, die nicht von Österreichern besetzt werden.
  • Schritt 3: Bewerbung bei der Botschaft. Einer Bewerbung bei der jeweiligen Botschaft steht nichts mehr im Weg, wenn der Zuwanderer einen Job in Aussicht hat
  • Schritt 4: Rot-Weiß-Rot-Cards als Schlüssel. Wird die Einreise erlaubt, bekommt man eine Rot-Weiß-Rot-Card. Sie ist Schlüssel für eine Aufenthalts-, Arbeitserlaubnis, Zugang zur Sozialversicherung usw.
  • Schritt 5: Familie kommt mit: Wenn es nach der Wirtschaft geht, darf der Zuwanderer dann die Familie mitnehmen, so WKO-Expertin Margit Kreuzhuber.

Tatsächlich hatte sich die SPÖ auf Druck der Gewerkschaft zuletzt bei den Verhandlungen gegen die neuen Regeln gesperrt. Und obwohl Spindelegger versichert, es gehe nur um Zuwanderer, die man auf dem Arbeitsmarkt wirklich brauche, forderten ÖGB und AK auch am Montag vor einer Einigung auf die Zuwanderungsregeln zuerst einmal Maßnahmen gegen das Lohndumping.

ÖSTERREICH: FPÖ und BZÖ kritisieren Sie scharf, weil Sie sich für Zuwanderung ausgesprochen haben. Stehen Sie weiter dazu?

Michael Spindelegger: Selbstverständlich. Diese Kritik muss man aushalten. Wir brauchen eine Zuwanderung für Österreich. Das ist die Realität. Man muss auch den Mut haben, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Bei unserer demografischen Entwicklung – dem Überalterungskonzept und zu wenige Kinder – würden wir sonst ein echtes Problem bekommen.

ÖSTERREICH: Die FPÖ meint, das sei ein Eingeständnis für „gescheiterte VP-Familienpolitik“.

Spindelegger: Über solche Aussagen muss ich schon ein wenig schmunzeln. Unsere Vorstellung von Familienpolitik ist es ja nicht, möglichst viele Kinder zu zeugen. Das kann man den Menschen wohl nicht vorschreiben. Das ist vorgestrige Politik. Und wenn der Herr Strache mir ausrichtet, dass es überhaupt keine Zuwanderung geben soll, dann soll er einmal erklären, wie er die Sozialsysteme ohne eine kontrollierte Zuwanderung aufrechterhalten würde.

ÖSTERREICH: Ohne Zuwanderung würde unser Sozialsystem mittelfristig kollabieren?

Spindelegger: Wir brauchen diese Zuwanderung, um den Gesundheitsbereich, das Pensionssystem und unser Sozialsystem zu sichern. Und schauen Sie, es gibt ja ohnehin Zuwanderung. Es kann ja jeder aus der EU zu uns kommen. Ich gestalte das dann lieber proaktiv. Wir als Regierung können dann auch gezielt aussuchen, wer zu uns kommt.

ÖSTERREICH: Aber grundsätzlich gibt es diese Einwanderungsquote von rund 20.000 Menschen doch schon, oder?

Spindelegger: Es geht nicht darum, Zahlen zu vergleichen. Ich denke, wir müssen hier als Politik aktiv handeln. Man muss sehen, dass man die richtigen Menschen braucht. Und sie bewusst ansprechen.

ÖSTERREICH: Die Regierung hatte grundsätzlich eine Rot-Weiß-Rot-Karte vereinbart. Was muss man sich darunter vorstellen?

Spindelegger: So ist es. Es geht darum, einen verbindlichen Katalog zu erstellen, wer den Anspruch auf diese Karte und Zuwanderung erhält. Dabei sind Sprachkenntnisse, der Willen, unsere Gesellschaft und unser Rechtssystem zu respektieren, Voraussetzung.

ÖSTERREICH: Warum ist da bislang noch nichts weitergegangen? Ursprünglich wollte die Koalition das doch schon dieses Jahr, oder?

Spindelegger: Das ist leider bislang an der Arbeiterkammer gescheitert. Aber nachdem sich der Sozialminister nun auch für die Karte ausgesprochen hat, bin ich zuversichtlich, dass sie bald kommt.

ÖSTERREICH: Arbeiterkammer und ÖGB bleiben aber skeptisch.

Spindelegger: Das fände ich sehr schade. Ich komme auch aus dem Arbeitnehmerbereich. Und damit sichert man eben den Sozialbereich.

Interview: Isabelle Daniel

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