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Streit um Grenzöffnung: Italien kritisiert Österreichs Regierung

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Italiens Außenminister äußerte heftige Kritik an der Entscheidung der österreichischen Regierung, die Grenzen zu Italien weiterhin geschlossen zu halten.

Wien/Rom. Der italienische Außenminister Luigi Di Maio kritisiert Österreichs Beschluss, die Grenzen nach Italien nicht zu öffnen. "Das individuelle Verhalten verletzt den europäischen Geist und schadet Europa und dem gemeinsamen Markt", kommentierte Di Maio nach Medienangaben.
 
Di Maio, der noch am Mittwoch ein telefonisches Gespräch mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) plant, äußerte die Hoffnung, dass es in den kommenden Tagen zu einer "positiven Lösung" kommen könne. Di Maio trifft am Mittwochabend den französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian, mit dem auch das Thema Grenzöffnung in der EU diskutiert werden soll.
 
Der Trentiner Landeshauptmann, Maurizio Fugatti, kritisierte den Beschluss der Regierung in Wien als "unbegreiflich". "Ich hoffe, dass die italienische Regierung und Brüssel sich unserem Appell anschließt, damit Österreich seinen Beschluss rückgängig macht", sagte Fugatti. Zwar behaupte die Regierung in Wien, dass ihre Entscheidung nicht gegen Italien gerichtet sei. "De facto bestraft dieser Beschluss Italien schwer. Es beraubt uns der Hoffnung in einer Zeit, in der Solidarität überwiegen sollte", so Fugatti.
 

Schallenberg: "Keine Entscheidung gegen Italien"

 
Außenminister Schallenberg betonte, dass die Lockerungen "keine Entscheidung gegen Italien" seien und man "so bald wie irgendwie möglich" auch diese Grenze öffnen wolle. Auch die Schweiz und Slowenien würden noch nicht zu Italien öffnen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ergänzte, es sei "nicht ausgeschlossen", dass eine (teilweise) Öffnung zu Italien bereits am 15. Juni erfolgen könne.
 
In einem Großteil der italienischen Regionen sei die Entwicklung positiv, so die beiden Minister. Auch eine Regionalisierung oder andere Möglichkeiten seien denkbar. Schallenberg sagte, er verstehe es, wenn die Nicht-Entscheidung zu Italien Enttäuschungen hervorrufe. Italien sei ein "sehr enger Freund und bedeutender Nachbar", er werde auch noch am Mittwoch mit seinem italienischen Amtskollegen Luigi Di Maio sprechen. "Der heutige Beschluss ist eine Momentaufnahme."
 
In Bezug auf andere Länder mahnte der Außenminister zu Geduld. Schweden, Großbritannien und Spanien seien "schwierige Fälle", bei denen man noch nicht sagen könne, wann eine Öffnung möglich sein wird. In Hinblick auf Nicht-EU-Staaten gebe es den Wunsch, sich in der EU abzustimmen, etwa bei Reisen nach Lateinamerika, Russland, China und in die Subsahara. "Global gesehen stecken wir noch mitten in der Pandemie", dämpfte Schallenberg diesbezüglich die Erwartungen. Daher könne Reisefreiheit in viele Länder voraussichtlich über Monate nicht hergestellt werden.
 
Der Außenminister appellierte auch an Hausverstand der österreichischen Reisenden. Dieser wäre "der beste Reiseschutz". Die Reisenden sollten sich insbesondere auch überlegen, wie sie gegebenenfalls wieder zurückkommen würden. Die Bereitschaft im Außenministerium für weitere Rückholaktionen sei "sehr überschaubar".
 
Auch Anschober betonte, die Pandemie sei noch nicht beendet. Derzeit verschiebe sich der Schwerpunkt u.a. auf Lateinamerika sowie die USA. "Aber auch in Europa ist es nicht vorbei." Man dürfe keine Risiko eingehen und "nur dort Reisetätigkeit durchführen, wo man das Gefühl hat, man ist auf der sicheren Seite".
 
Zu Italien sagte Anschober, auch dort seien bereits "große Fortschritte" zu verzeichnen. "Die meisten italienischen Regionen haben Zahlen, die durchaus mit Österreich vergleichbar sind", stellte auch er regionale Öffnungen als Möglichkeit in Aussicht. Es sei aber die Frage, wie man dies technisch umsetzen könnte. Lockerungen gegenüber Italien könnten durchaus noch vor dem 15. Juni erfolgen: Das habe man "nicht ausgeschlossen". Man sei hier "mitten im Arbeitsprozess". Klarheit zu Italien werde es in den nächsten ein bis zwei Wochen geben, so der Minister.
 

EU-Kommission kommentiert Wiens Entscheidung nicht

Die EU-Kommission hat sich am Mittwoch nicht direkt zu der Entscheidung Österreichs geäußert, mit Ausnahme von Italien die Reisefreiheit zu seinen Nachbarländern wiederherzustellen, jedoch erneut auf das "Prinzip der Nicht-Diskriminierung" verwiesen. "Wir kommentieren generell einzelne Maßnahmen, die die EU-Länder treffen, nicht", sagte ein Sprecher der EU-Behörde in Brüssel.
 
Die EU-Kommission habe Richtlinien veröffentlicht, wie die EU-Mitglieder bei der Aufhebung von Reisebeschränkungen an den EU-Binnengrenzen vorgehen sollten. Dazu gehöre das "sehr wichtige Prinzip der Nicht-Diskriminierung", demzufolge Nationalitäten und auch Regionen, in denen eine ähnliche epidemiologische Situation herrsche, gleich behandelt werden müssten.
 
"Wir arbeiten innerhalb eines Systems. In diesem haben verschiedene Akteure verschiedene Verantwortlichkeiten", hieß es des weiteren. Der EU-Kommission komme eine "koordinierende Rolle" zu. "Diese hat sie gespielt, indem sie sehr klar dargestellt habe, welche Kriterien sie für geeignet halte, herangezogen zu werden", so ein weiterer Sprecher. Manche Kriterien, wie das "Prinzip der Nicht-Diskriminierung", seien verpflichtend.
 
Bei einer Verletzung dieser Richtlinie würden laut EU-Kommission keine Rechtsinstrumente herangezogen, sondern mittels Dialog und Diskussion versucht, die Angelegenheit zu lösen. Die EU-Kommission rate dazu, dass die EU-Länder einander informierten, bevor sie Entscheidungen treffen, erinnerte ein Sprecher der Behörde. In mehreren Fällen sei dies bereits geschehen, man empfehle den Staaten, so weiterzumachen.
 
Bereits am Dienstag hatte sich die EU-Kommission für eine Koordinierung unter den EU-Mitgliedstaaten in Sachen Grenzöffnungen nach der Coronavirus-Epidemie ausgesprochen. Die Frage der Grenzöffnungen im Rahmen der EU soll am Freitag bei einer Videokonferenz der EU-Innenminister besprochen werden.
 
 
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