Aras Bacho

Syrischer Flüchtling rechnet mit Austro-Türken ab

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'Integration gescheitert', attestiert der syrische Flüchtling Aras Bacho in seiner Kolumne.

Aras Bacho ist ein syrischer Flüchtling, der in Deutschland lebt. Er schreibt in seinen Offenen Briefen über die Situation von Flüchtlingen in Deutschland und Europa.

"Liebe Austro- und Deutschtürken, ihr seid von der Integration weit entfernt!

Liebe Austro- und Deutschtürken,

Euer Diktator Erdogan hat gewonnen und zwar mit großer Mehrheit. Große Freude für seine Wähler, aber großer Verlust für die Gefangenen und Nichttürken, sowie uns Europäern. Ich habe aus vielen Gründen gegen Erdogan im Netz demonstriert zum Beispiel, weil viele unschuldige Journalisten, die ihre Arbeit gemacht und viele Punkte eures Diktators kritisiert haben, in Haft sitzen.

Viele Sender und Regierungskritiker wurden ebenfalls inhaftiert. Noch drei weitere Punkte: Erdogan strebt nach einer Islamisierung, denkt nicht logisch und macht sich zum Affen und anstatt Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, droht er mit einer Eskalierung der Vereinbarungen zwischen ihm und Europa für die Aufnahme der syrischen Flüchtlinge.

Am meisten, was mich sehr wütend gemacht hat, liebe Deutschtürken, ihr lebt seit vielen Jahren in Österreich und Deutschland, ihr arbeitet, viele beziehen das Sozial- und Arbeitslosengeld und genießen die Vorteile der Demokratie hier in Europa. Die meisten von euch zahlen in die Steuerkasse, haben eigene Häuser und fühlen sich in ihren Augen integriert. Nach dem Erdogan gewonnen hat, kam diese große Empörung von euch Türken auf den deutschen und österreichischen Straßen: „Erdogan hat gewonnen“, „Der beste Präsident!“, „Es lebe die Demokratie“.

Das Geschrei war groß. Auf den ersten Moment, als ich es hörte und auf Twitter türkische Fahnen sah, dachte ich mir, dass Deutschland bei einem WM-Spiel gewonnen hat, dann später habe ich mich geirrt. In den Nachrichten habe ich gelesen, dass Erdogan bei den Wahlen in der Türkei gewonnen hat. 

Ich wollte nicht wahrhaben und recherchierte weiter, doch es ist geschehen. Lange hat es auf sich nicht warten lassen und ich habe mir gedacht: „Wären auch nur diese Menschen für Österreich oder Deutschland so dankbar, wäre alles heute ganz anders“. Ich habe meine Wut vorerst auf einem Posting einer guten Freundin gelassen, die ebenfalls die Ergebnisse der Wahlen kritisch kommentiert hat. 

Später habe ich mich entschieden auf Twitter meine Wut gegenüber von Deutsch- und Austro-Türken rauszulassen. Ich bin nicht der einzige gewesen, der es scharf kritisierte, viele haben sogar zugestimmt und haben sich von den Deutsch- und Austro-Türken ausgrenzt gefühlt.

Ich bin immer noch an der Meinung, dass ihr hier lebenden Austro-Türken in eurer tollen Heimat Türkei wählten und dort jubeln solltet. Ich fühle mich als Europäer, der in einem demokratischen Staat gewachsen ist, sehr verarscht. Ich meine, man lebt in einem Land, das die Demokratie vertritt, genießt die Vorteile und wählt für eine Diktatur außerhalb des Landes. Wenn ihr in meint, dass Erdogan besser ist, warum geht ihr nicht wieder in die Türkei, nein, ich bin weder FPÖ-Fan oder AfD-Wähler, noch Rassist oder dergleichen. Ich fühle keine Dankbarkeit.

Es tut mir leid das zu sagen, aber, wie kann man so verblendet sein? Habt ihr keine Zeitungen vor euch, bekommt ihr nicht mit, was der Erdogan mit seinen Kritikern macht? Falls ihr es mitbekommen habt, dann seid ihr für Diktatur und feiert es sogar. Wer für eine Diktatur ist, sollte dorthin zurückgehen und in dem Land leben, um zu spüren, wie sich es anfühlt. Aber natürlich, dort gibt es keinen Frieden und keine Sozialhilfe, sonst wärt ihr Erdogan Wähler nicht hier. Man will von euch Dankbarkeit und eine Entscheidung. Wenn ich Deutschland nicht mag und für Baschar Wahlen will, dann lasse ich mich abschieben und lebe dann dort.

In erster Linie wäre das schlau und dumm: Syrien wäre dann von einer Diktatur besessen, und ich wäre möglicherweise nach ein paar Kritiken festgenommen. Dort wäre ich möglicherweise verhungert. In Deutschland dagegen nicht. Ich will nur damit sagen, zeigt Dankbarkeit und entscheidet euch: Türkei oder Deutschland. Wer für eine Diktatur wählt, ist genauso mitschuldig, wenn jemand dadurch getötet und festgenommen wird. Das Blut von einigen wird an euren Händen kleben. Ihr seid auch nicht integriert, wenn ihr euch Erdogan näher fühlt. Integration bedeutet sich dem Land, in dem man lebt anzupassen. Bei euch ist das, das Gegenteil von Integration. Akzeptiert das Grundgesetz und ihr werdet ebenfalls akzeptiert.

Viele hier lebende Türken, nicht Erdogan Wähler haben unseren Respekt verdient. Die sind für mich integriert. Die gehen auch zur Schule und arbeiten. Sie fühlen sich in Österreich und Deutschland sehr wohl und sind gegen die Diktatur in der Türkei. Sie feiern das österreichische oder deutsche Fußballnationalteam, haben einen österreichischen oder deutschen Pass und tolerieren die hier herrschenden Gesetze. Auch viele von ihnen meinen: „Wer für Erdogan wählt, sollte in die Türkei fliegen“. Diese Menschen wissen, was Integration ist und bei denen möchte ich mich sehr bedanken. Von denen könnt ihr, liebe Erdogan-Wähler vieles lernen, anstatt mit türkischen Fahnen groß zu brüllen. Ansonsten habt ihr unsere Toleranz und unseren Respekt nicht verdient. Denkt nach, ihr habt viel Zeit, für wen ihr lieber wählen, brüllen und dankbar sein sollt.“

Mit freundlichen Grüßen aus der schönen Demokratie,

Autor: Aras Bacho

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