"Verstörendes Video"

Tote am Golan: UNO schaltet sich ein

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UNO-Truppe berichtete damals von Angriff der 'Opposition' auf syrische Sicherheitskräfte.

In der Affäre um offenbar von österreichischen Blauhelmen in den Tod geschickte Syrer sind jetzt auch die Vereinten Nationen aktiv geworden. Ein Sprecher der UNO-Friedenstruppen sprach in der Nacht auf Freitag (Ortszeit) gegenüber der APA von einem "verstörenden Video". "Wir werden dieser Frage aktiv in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden nachgehen", betonte er.
 
"Die UNO erwartet von ihren Blauhelmen, dass sie zu aller Zeit die höchsten professionellen und ethischen Standards zeigen und befolgen", beantwortete der Sprecher eine Anfrage der APA zum von der Wiener Stadtzeitung "Falter" veröffentlichten Video, das zeigt, wie österreichische Blauhelme die Errichtung eines Hinterhalts auf den Golan-Höhen dokumentieren und dann eine Gruppe von neun Geheimpolizisten, die am UNO-Checkpoint anhielten, weiterfahren ließen.
 
 

Vorfall war bekannt

Der Vorfall selbst sei bekannt gewesen, sagte der Sprecher. "Am 29. September 2012 berichtete UNDOF, dass sie sahen, wie neun syrische Sicherheitskräfte von 13 bewaffneten Männern der Opposition in der Pufferzone getötet wurden, in der Nähe der UNO Position Hermon Süd im Gebiet Mount Hermon", heißt es in der Stellungnahme. Der UNO-Sicherheitsrat sei damals von dem Vorfall informiert worden, und er sei auch "öffentlich im Bericht des UNO-Generalsekretärs vom 30. November 2012 berichtet worden".
 
Der Sprecher äußerte sich nicht zur Frage, ob die Blauhelme durch UNO-Regeln an einem Einschreiten gehindert waren. Grundsätzlich sind Friedenstruppen zu Zurückhaltung angehalten. Allerdings betonte der Wiener Völkerrechtler Manfred Nowak gegenüber der APA, dass die gebotene Neutralität nur zwischen den Konfliktparteien - in diesem Fall Israel und Syrien - gelte. Die Blauhelme hätten "die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen", betonte Nowak. Schlimmstenfalls könnte den UNO-Soldaten eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen, weil sie den Syrern "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben" hätten.

Unklar ist, warum die UNO den Vorfall nicht schon damals untersuchte. "Vielleicht waren die Informationen, die die UNO hatte, andere", sagte Nowak am Samstag dem Ö1-Mittagsjournal mit Blick auf das belastende Video. Dieses lässt wenig Zweifel daran, dass die österreichischen Blauhelme von einer Tötung der Syrer ausgingen. "Normal musst das de Hund sagen", sagte einer der Blauhelme seinem Kollegen, nachdem die Syrer den Checkpoint passiert hatte. Begründung: "Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab." Der Angesprochene kontert mit einer dem Geschehen widersprechenden Aussage: "Hob i eh g'sogt." Die Blauhelme filmten danach das erwartete Geschehen, versehen mit zynischen Kommentaren ("Jetzt geht's gleich los", "Ana is scho owegfoilln", "Ja, aber der überlebt das ned.")
 

Untersuchungskommission nahm Tätigkeit auf

Im Verteidigungsministerium nahm unterdessen die von Ressortchef Mario Kunasek (FPÖ) am Freitagnachmittag gleich nach Veröffentlichung des Videos eingesetzte Untersuchungskommission ihre Tätigkeit auf. "Als erster Schritt werden alle Meldungen, Befehle, Gesetze und Vorschriften, die für die Klärung relevant sein könnten, gesammelt, gesichtet und ausgewertet", schrieb Ministeriumssprecher Michael Bauer auf Twitter. "Die UN werden von uns zur Mitarbeit eingeladen." Mitglied der zunächst vierköpfigen Kommission seien auch zwei Völkerrechtsexperten, Brigadier Karl Edlinger und der Linzer Völkerrechtler Sigmar Stadlmaier. Die Kommission könne "jederzeit personell vergrößert werden".
 
Die Kommission soll laut einem Sprecher von Kunasek auch klären, ob der Vorfall etwas mit dem Mitte 2013 überstürzt durchgeführten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan zu tun hatte, der unter anderem vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer nachträglich als Fehler qualifiziert wurde. Vertreter der anderen Parlamentsparteien begrüßten die Einsetzung der Kommission. ÖVP-Europaabgeordneter Lukas Mandl betonte am Freitagabend, dass der Vorfall auch deshalb "lückenlos aufgeklärt" werden solle, weil weder "die vielen anständigen Soldat/inn/en noch die wichtigen UN-Missionen verdienen, in Generalverdacht zu geraten". Die Liste Pilz forderte eine Einbindung des Parlaments in die Arbeit der Kommission.
 

Damaliger UNO-Kommandant umstritten

Der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sagte der APA am Freitag, er habe aus dem Teletext von dem Vorfall erfahren. Der jetzige burgenländische Soziallandesrat zeigte sich verwundert, dass das Video gerade jetzt bekannt geworden sei. Er hatte jüngst im Streit um die Mindestsicherung deutliche Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geübt. Ein Sprecher von Darabos betonte aber gegenüber der APA, dass der Ex-Minister nicht über mögliche politische Hintergründe der Veröffentlichung spekulieren wolle.

Die UNO-Mission am Golan (UNDOF) stand zum Zeitpunkt des Zwischenfalls unter dem Kommando des indischen Generals Iqbal Singh Singha. Dieser hatte die Führung erst im Juli 2012 vom Filipino Natalio Ecarma übernommen. Singha kam zwei Jahre später ins Kreuzfeuer der Kritik, nachdem philippinischen Soldaten gegen ihn rebelliert hatten. Beim Grenzposten Quneitra lieferten sich die Soldaten heftige Gefechte mit syrischen Rebellen statt wie vom Kommandanten gefordert die Waffen niederzulegen. Kurz davor waren mehr als 40 Blauhelme von den Fidschi-Inseln von syrischen Islamisten als Geiseln genommen worden.
 
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