Diplomaten-Eklat

Türkischer Botschafter greift Österreich an

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Der türkische Botschafter übt scharfe Kritik an Wien und seiner Politik.

Der türkische Botschafter in Wien, Kadri Ecved Tezcan, hat in einem Interview scharfe Kritik an der österreichischen Integrationspolitik sowie an Österreich und seiner Bevölkerung selbst geübt. Den Österreichern bescheinigt Tezcan laut "Presse", sich nur im Urlaub für fremde Kulturen zu interessieren. Besonders ins Visier nimmt Tezcan Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). "Sie ist in der falschen Partei." Er riet zudem internationalen Organisationen indirekt, das Land zu verlassen.

"Türken sind glücklich, sie wollen nichts von euch"
Der Botschafter macht Österreich für die mangelnde Integration mitverantwortlich: "Wenn Türken in Wien Wohnungen beantragen, werden sie immer in dieselbe Gegend geschickt, gleichzeitig wirft man ihnen vor, Ghettos zu formen. Und österreichische Familie schicken ihre Kinder nicht an Schulen, in denen ethnische Minderheiten die Mehrheit stellen. So werden Türken in die Ecke gedrängt." "Die Türken sind glücklich, sie wollen nichts von euch. Sie wollen nur nicht wie ein Virus behandelt werden", so der Botschafter.

"Es steht jedem frei, was er auf dem Kopf trägt"
In Sachen Kopftuch greift Tezcan Österreich ebenfalls an: "Die Leute wollen hier keine Frauen mit Kopftüchern sehen. Ist das denn gegen das Gesetz? Nein, ihr habt da nichts zu sagen. Es steht jedem frei, was er auf dem Kopf trägt. Wenn es hier die Freiheit gibt, nackt zu baden, sollte es auch die Freiheit geben, Kopftücher zu tragen." Dass zu wenige türkische Frauen arbeiten gehen, streitet der Diplomat ab, denn: "Hausfrau zu sein ist auch ein Job."

Türken werden von Kritik nicht ausgenommen
Doch auch seine Landsleute nimmt er nicht von Kritik aus. "Ich sage meinen Leuten immer wieder: ,Lernt Deutsch und haltet die Regeln hier ein.'" Tezcan sprach sich auch dafür aus, Lehrer aus der Türkei zu holen, um die Kinder in Türkisch zu unterrichten.

Bei Innenministerin Fekter vermisst Tezcan eine liberale und offene Geisteshaltung. Sie solle "aufhören, in den Integrationsprozess zu intervenieren. Wenn man dem Innenministerium ein Problem gibt, wird dabei eine Polizeilösung rauskommen." Der Botschafter meint auch noch, wenn er der Generalsekretär der UNO, der OSZE oder der OPEC wäre, würde er nicht hier bleiben. "Wenn ihr keine Ausländer hier wollt, dann jagt sie doch fort. Es gibt viele Länder auf der Welt, in denen Ausländer willkommen sind. Ihr müsst lernen, mit anderen Leuten zusammenzuleben. Was für ein Problem hat Österreich?"

Spindelegger: "Völlig inakzeptabel"
Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hat bei seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu am Mittwochvormittag telefonisch kontaktiert und seien Unmut über die Äußerungen des Botschafters kundgetan. Er habe Davutoglu gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass es "völlig unverständlich" sei, wenn ein Diplomat "solche Angriffe gegen Regierungsmitglieder startet". Die "politischen Messages" des Botschafters seien "völlig inakzeptabel", betonte Spindelegger.

Faymann "empört" über Botschafter
Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich über "die inakzeptablen Aussagen" des türkischen Botschafters empört. Faymann wird sich laufend von Außenminister Spindelegger informieren lassen und die weitere Vorgehensweise festlegen.

Pröll: "Regierungsmitglied öffentlich abqualifiziert"

Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll hat die Aussagen des türkischen Botschafters Kadri Ecved Tezcan scharf zurückgewiesen. "Es ist absolut unangemessen und inakzeptabel, dass sich ein Diplomat in dieser Form über die Innenpolitik seines Gastlandes äußert und ein Regierungsmitglied öffentlich derart abqualifiziert", ließ Pröll über seinen Sprecher Dienstagabend ausrichten.

Strache fordert Tezcans Abzug
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat nach den provokanten Äußerungen des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan eine offizielle Entschuldigung der türkischen Regierung gefordert und verlangte dessen Abzug aus Wien. Dieser habe sich als "türkischer Nationalist entpuppt", der eine "verwerfliche und arrogante Geisteshaltung" an den Tag lege.

Van der Bellen: "Erfrischend undiplomatisch"
Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, zeigt sich überrascht über die heftigen Reaktionen. Tezcan habe "den Finger in erfrischend undiplomatischer Weise auf viele wunde Punkte im Umgang mit türkischen bzw. türkischstämmigen Menschen in Österreich gelegt". Die Reaktion durch Außenminister Michael Spindelegger hält Van der Bellen für überzogen.

Türkische Medien: "Ghettoisierungs-Krise"
Der Wirbel um die kritischen Äußerungen des Botschafters ist am Mittwoch in ersten Meldungen türkischer Internetmedien als "Krise" gewertet worden. Über eine "diplomatische Krise in Österreich" berichtete die Online-Ausgabe der Tageszeitung "Sabah". Beim Nachrichtenportal "Internethaber" war von einer "Ghettoisierungs-Krise" die Rede. Vom türkischen Außenministerium lag bislang keine Stellungnahme zu der Aufregung um Tezcans Äußerungen vor.

Tezcan: "Habe lediglich auf ungerechte Zustände hingewiesen"
Angesichts der heftigen Reaktionen in Österrreich betonte Tezcan am Mittwoch, er habe lediglich auf Fehler bei der Eingliederung von Zuwanderern hinweisen und eine Diskussion anstoßen wollen. Er habe auf "ungerechte und fehlerhafte" Zustände beim Thema Integration hingewiesen, wurde Tezcan am Mittwoch von türkischen Internetmedien zitiert. Zudem habe er konkrete Beispiele für solche Fehler genannt, um in der Öffentlichkeit eine Diskussion auszulösen.

Langjähriger Karrierediplomat
Der 61-jährige Kadri Ecvet Tezcan steht seit fast vier Jahrzehnten im Dienst des türkischen Außenamts. Er war türkischer Generalkonsul in Hamburg, diente in Budapest und war türkischer Botschafter in Aserbaidschan und in Polen. Seit dem vergangenen Jahr vertritt er die Türkei in Österreich. Seine jüngsten Äußerungen lassen den Diplomaten in neuem Licht erscheinen, denn mit aufsehenerregenden Äußerungen war Tezcan bisher nicht aufgefallen. Mit Blick auf Probleme des Zusammenlebens von Europäern und muslimischen Zuwanderern hatte er zuletzt zu mehr Toleranz und Gelassenheit aufgerufen.

Gebetsschnur für Strache
Anfang des Jahres schenkte Tezcan FPÖ-Chef Strache eine Gebetsschnur, nachdem dieser seinen Respekt "gerade vor der türkischen Kultur" bezeugt hatte und betonte, dass es mit Ausnahme der dritten Generation kaum Integrationsprobleme gebe. Gegenüber türkischen Medien dankte der Botschafter dem FPÖ-Chef, der "für unsere heilige Religion und für die Türken in der Welt einen großen Respekt verspürt".



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