Abschieds-Interview

Mit Josef Pröll auf letzter Dienstreise

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Großes ÖSTERREICH-Interview mit Isabelle Daniel im Zug nach Tirol.

Er sieht entspannt aus. Gut erholt. Freitag am Wiener Westbahnhof. Ich steige mit Josef Pröll in den Zug Richtung Innsbruck. Um 7.40 Uhr startete er seine letzte politische Dienstreise zum VP-Parteitag in Tirol.

Dort verabschiedete er sich offiziell – unter Standing Ovations – von seiner Partei: "Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe mich für meine Familie und Gesundheit entschieden", erklärte der 42-Jährige noch einmal, warum er am 21. April zurücktreten musste. Sein Lungeninfarkt am 17. März im Zillertal hatte ihm keine Wahl mehr gelassen.

Jetzt "habe ich mit der Politik abgeschlossen", sagt der Ex-VP-Chef im ÖSTERREICH-Interview auf der Fahrt nach Innsbruck.

Pröll: So lief sein politischer Rückzug

Alle glauben, er ist auf ­Reha. Tatsächlich sitzt Pröll ab 6:45 Uhr in 
seinem Büro im 6. Stock des Finanzministeriums 
in Wien-Landstraße.

Mit VP-General Kaltenegger. Er muss 
VP-Sonderparteivorstand vorbereiten.

Pröll bespricht mit Maria Fekter über die VP-Zukunft

Josef Pröll ruft SP-Kanzler Faymann an – zum ersten Mal seit drei Wochen.

Josef Pröll informiert seine Mitarbeiter.

Pröll zischt in den Redesaal. In der Hand hält er das 
Manuskript seiner letzten Rede.

Medienansturm: Pröll 
berichtet im Finanzministerium gefasst von 
seinem 
Rücktritt.

Am Ende seiner Rede sieht man Pröll die Rührung an.

Über seine Zukunft – Pröll verließ den Parteitag, ehe Michael Spindelegger zum Obmann gewählt wurde – will er nicht viel verraten. Aber: "Ich werde sicher keinen Versorgungsjob annehmen. Mit 42 Jahren werde ich mich am Arbeitsmarkt selber behaupten."

Die letzten Wochen hat er "endlich wieder Zeit mit meiner Familie verbringen" können. Mit Ehefrau Gabi – die Prölls sind seit 21 Jahren verheiratet – geht er "so oft wie möglich jagen". Seit dem Polit-Ausstieg arbeitet sie (studierte Bodenkulturwirtin) halbtags in einer Versicherung.

Die politische Zeit will Pröll "nicht missen". Der Rücktritt erfolgte aus gesundheitlichen Gründen – aber seine Enttäuschung über den "Stillstand in der Regierung" hat wohl auch mitgespielt. Enttäuschung über die eigene Partei, die ihn gebremst hat. Enttäuschung auch über SP-Kanzler Werner Faymann, mit dem er einst so etwas wie befreundet war.

Der Abstand von der Politik hat ihn aber auch milder gemacht: "Ich habe keine offenen Rechnungen."

Im Herbst will er in der Wirtschaft neu durchstarten. Und 2013 wirklich mächtig zurückkehren: als Raiffeisen-General  …
 

Pröll: "Ich habe mit der Politik abgeschlossen."

Isabelle DANIEL & Josef PRÖLL
© chrissinger

                                                                                         © chrissinger

ÖSTERREICH: Sie sind vor gut einem Monat aus allen politischen Ämtern ausgeschieden. War es der richtige Schritt?
Josef Pröll: Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe mich für meine Familie und für meine Gesundheit entschieden. Mein Lungeninfarkt hat mir keine andere Wahl gelassen.

ÖSTERREICH: Wann haben Sie für sich diese Entscheidung ­getroffen?
Pröll: Das erste Mal schon im Rettungshubschrauber, der mich nach Innsbruck geflogen hat. Da wurde mir klar, dass ich so nicht weitermachen kann. Als ich dann in der Reha war, die ja mehrere Wochen lang gedauert hat, habe ich mich auch emotional von der Politik zu lösen begonnen.

ÖSTERREICH: Hatten Sie echte Todesangst?
Pröll: Sagen wir so: Ich hatte echte Beklemmungsängste. Und mir wurde klar, dass ich mein Leben ändern muss. Ich glaube fest daran, dass man in der Politik 100 Prozent geben muss. Da kann ich nicht mit angezogener Handbremse weitermachen; und das hätte ich nach dem Lungeninfarkt tun müssen.

ÖSTERREICH: Wo waren Sie auf Reha?
Pröll: Ich war in der Nähe des Starnberger Sees.

ÖSTERREICH: Ist der Abschied aus der Politik eine Trennung auf Zeit oder eine dauerhafte Scheidung?
Pröll: Ich will die politische Zeit nicht missen. Aber klar ist, dass ich gerne mehr weitergebracht hätte. Jetzt habe ich aber mit der Politik abgeschlossen.

ÖSTERREICH: Welche Rolle hat die Familie bei Ihrer Entscheidung gespielt?
Pröll: Die Familie hat mich nicht gezwungen zu gehen, war aber ein Faktor. Sie hat gesagt: Du musst es für dich selber wissen. Das war’s.

ÖSTERREICH: War Ihr Onkel Erwin Pröll in die Entscheidung eingebunden?
Pröll: Er hat mich kurz nach dem Infarkt angerufen, auch später hatten wir Kontakt. Bei der Entscheidung habe ich kein Gespräch mit ihm geführt.
 

Lesen Sie Teil 2 des großen ÖSTERREICH-Interviews auf der nächsten Seite.

ÖSTERREICH: Wie geht Ihre Familie mit der neu gewonnenen Freizeit um?
Pröll: Ich kann jetzt viel mehr mit meiner Frau unternehmen. Wir gehen so oft wie möglich gemeinsam auf die Jagd. Ich kann auch mit meinem Sohn Alex Tennis spielen und habe mehr Zeit für meine beiden Töchter. Ich werde mir noch ein wenig Auszeit gönnen, meinen Weinkeller herrichten.

ÖSTERREICH: Was werden Sie nach dieser Auszeit machen?
Pröll: Ich werde jedenfalls sicher keinen Versorgungsjob annehmen. Mit meinen 42 Jahren werde ich mich am Arbeitsmarkt selber behaupten.

ÖSTERREICH: Wissen Sie schon fix, was Sie machen werden?
Pröll: Ich werde bald eine faszinierende Aufgabe übernehmen. Wie Sie wissen, habe ich Landwirtschaft studiert. Ich habe mich lange auch beruflich mit der Lebensmittelbranche auseinandergesetzt, und ich will dort, wo ich von meiner Ausbildung herkomme, wieder einsteigen.

ÖSTERREICH: Also keine Rückkehr in die Politik?
Pröll: Nein. Ich will mit meiner Entscheidung auch eine Botschaft an junge Menschen senden: Geht in die Politik!

ÖSTERREICH: Wie denken Sie über Ihre politische Zeit? In Bitterkeit, oder haben Sie schon Abstand gewonnen?
Pröll: Ich habe jedenfalls keine offenen Rechnungen zu begleichen.

ÖSTERREICH: Aber war es ­etwa rückblickend ein Fehler, gleich drei Jobs zu haben: Vizekanzler, Finanzminister und Parteiobmann?
Pröll: Nein. Man darf nicht vergessen, dass mein erstes Jahr als Vizekanzler (2009, Anm.) ein sehr erfolgreiches war – gerade weil ich Finanzminister war.

ÖSTERREICH: Tatsächlich hatten Sie in diesem Jahr die besten Umfragewerte, galten als kommender Kanzler. Was ist dann passiert?
Pröll: Der entscheidende Punkt war für mich, dass der Koalitionspartner nicht bereit war, einen mutigen Sanierungskurs für Österreich zu gehen. Das war die große Auseinandersetzung 2010 – und die ging, wie man heute sieht, für beide nicht gut aus.

ÖSTERREICH: Das klingt auch nach Enttäuschung über Kanzler Werner Faymann, mit dem Sie anfangs ja sehr gut waren?
Pröll: Enttäuscht ist das falsche Wort. Ich war eher überrascht, dass er so wenig Gestaltungswillen zeigt …

ÖSTERREICH: Aber haben Sie nicht auch politische Fehler gemacht?
Pröll: Die klassische Fehlentscheidung sehe ich nicht.

ÖSTERREICH: War nicht etwa die Nominierung von Ernst Strasser zum EU-Spitzen-Kandidaten ein solcher grober Schnitzer?
Pröll: Von Strasser bin ich natürlich persönlich sehr enttäuscht. Aber als wir ihn nominiert haben, konnten wir sein späteres Verhalten nicht erahnen. Dafür trägt er allein die Verantwortung.

ÖSTERREICH: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die Sie in die Politik geholt haben, würden Sie auch nicht als Fehlbesetzung bezeichnen?
Pröll: Nein. Ich finde, dass sie ihre Arbeit ordentlich erledigt hat. Ich kritisiere, wie man mit ihr umgegangen ist, auch vonseiten des Koalitionspartners.

ÖSTERREICH: Was halten Sie von Ihrem Nachfolger Michael Spindelegger? Kann er die ÖVP, die in Umfragen dramatisch verloren hat, wieder auf die Erfolgsspur bringen?
Pröll: Auf die Umfragen gebe ich nix. Michael Spindel­egger wird die Partei neu aufstellen, er hat das Zeug dazu, dass das ein Erfolgsprojekt werden kann.

ÖSTERREICH: Zum Schluss: Was meinen Sie zu den Aussagen von Erste-Chef Andreas Treichl, der früher immerhin in der ÖVP Parteikassier war, dass Politiker blöd, feig und ahnungslos seien?
Pröll: Nur kurz: Wir brauchen uns beide: Politik und Wirtschaft. Jeder, der kritisiert, ist eingeladen, es besser zu machen.

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