Poker um Jobs an EU-Spitze

Macht-Chaos nach EU-Wahl

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Nun droht Chaos im EU-Parlament: Die klare Mehrheit von Schwarz-Rot ist weg. 

Ein Europa, wie wir es kannten, gibt es nicht mehr. Es wird bunter. Die ­bisherigen Großkoalitionäre haben am Sonntag ihre schwarz-rote Mehrheit ver­loren, die konservative EVP, zu der auch die ÖVP gehört, und die Sozialdemokraten S&D sind nun auf mindestens einen weiteren Koalitionspartner angewiesen.

Vielleicht sogar auf meh­rere (siehe Grafik rechts). Im Parlament in Straßburg sitzen nun 150 Einzelparteien. Koalitionsbildungen werden noch komplizierter, ein Macht-Chaos droht.

Ein erstes Abtasten, wie es weitergehen soll, wird es bereits heute beim EU-Sondergipfel geben. Bis Ende Juni möchte man die Spitzenjobs besetzt haben. Manfred Weber, Chef der konservativen EVP, hat bereits seinen Führungsanspruch gemeldet. Frans Timmermans ebenso, der Chef der Sozialdemokraten (siehe Story ganz rechts).

Bisher war es üblich, dass der Chef der stärksten Fraktion auch Kommis­sionschef wird. Dagegen sträubt sich allerdings Frankreichs Präsident Macron, der bei der Wahl von der Partei der Rechtspopulistin Marine Le Pen geschlagen wurde.

Macron sondierte am Montag bereits mit liberalen Gruppen. Er möchte verhindern, dass Rechtspopulisten eine führende Rolle in Europa einnehmen.

Die Rechten gewannen bei der Wahl zwar 37 Mandate dazu. Der angekündigte europaweite Rechts-Rumms blieb aber aus.

In Frankreich holte Marine Le Pen mit ihrem Rassemblement National 23 Prozent und zog damit mit 0,9 Prozent an der En-Marche-Partei von Präsident Emmanuel Macron vorbei.

In Italien holte die rechte Lega Nord von Matteo Salvini 34,3 Prozent, ein Rekordwert und Erdrutsch.

In Polen und Ungarn konnten die rechts-autoritären Regierungsparteien PiS und Fidesz ihre klare Führungs­position behaupten. Ungarns Viktor Orbán könnte für die EVP sogar zum Königsmacher werden. Noch ist aber nicht klar, ob er in Zukunft mit den rechten Parteien gehen wird oder doch mit der konservativen EVP.

Auffallend ist: In zahlreichen anderen Ländern stürzten die Rechten ab: Der niederländische Islamhasser Geert Wilders fliegt aus dem EU-Parlament. In Deutschland kam die AfD auf nur 10,5 Prozent. In Finnland landeten die Rechten abgeschlagen an fünfter Stelle, in Dänemark wurden sie abgewatscht: 11 Prozent.

Die EU-Kommission sieht deshalb eine deutliche pro-europäische Mehrheit im EU-Parlament.

 

Wer künftig die Macht im EU-Parlament hat

Macht-Chaos nach EU-Wahl
© oe24

Die Mehrheit von EVP und Sozialdemokraten ist weg. Jetzt suchen die Parteien Bündnisse. Wichtigster Partner bei allen Verhandlungen werden Liberalen sein, die starke Zuwächse erzielten. Als Vertreter der stärksten Fraktion lud EVP-Chef Manfred Weber am Montag Liberale, Grüne und Sozialdemokraten zum Gespräch. Auch der französische Präsident Macron sondierte bereits.     

 

Großbritannien

EU-Feind Farage triumphiert: Brexit-Partei holt Sieg, May-Partei am Boden

Politischer Erdrutsch in Großbritannien. EU-Feind Nigel Farage, einer der größten Fans des Brexits, holte mit seiner neuen Brexit Party mit 31,7 Prozent überlegen den Sieg. Zweiter wurden die Liberaldemokraten (18,6 Prozent), die mehrheitlich auf einen EU-Verbleib hoffen. Die Wähler ließen ihren Unmut über das Brexit-Chaos an den Tories von Noch-Premierministerin Theresa May aus. Desaströse 8,7 Prozent reichen nur zu Platz 5, auch Labour verlor (14,1 Prozent)     

 

Deutschland

Absturz der GroKo: Merkel und Nahles von Wählern abgewatscht

Die Große Koalition von Unionsparteien und SPD wurde in Deutschland regelrecht abgestraft. Nur 28,9 Prozent für die CDU/CSU von Kanzlerin Angela Merkel, noch dramatischer die Verluste der SPD: Sie stürzte auf 15,8 Prozent ab, ist nur noch dritte Kraft. Großer Gewinner sind die Grünen, die auf 20,5 Prozent kamen, die rechte AfD holte 11 Prozent der Stimmen.     

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