Pilz ortet, politische Selbstdarstellung gehe über Sicherheitsbelange. Ex-Militär meint, Personalreduktion zugunsten der Technik bringe nichts.
Die Sicherheitsexperten Peter Pilz und Gerald Karner plädierten bei der sechsten Arbeitstagung des Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) am Freitag in Graz dafür, dass politische Selbstdarstellung von Parteien nicht auf Kosten der Sicherheit gehen dürfe. Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen, warnte z.B. vor dem Missbrauch "absurder Drohvideos". Der frühere Bundesheer-Brigadier und Chefstratege Gerald Karner wandte sich gegen Personalreduktion bei Nachrichtendiensten zugunsten technischer Ausstattung.
"Krise des Verfassungsschutzes in Österreich"
Pilz
widmete seine Ausführungen der "Krise des Verfassungsschutzes in
Österreich" und der Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung (BVT) in seiner Tätigkeit erfolgreich sei oder
versage. Der Grün-Abgeordnete sprach dabei über die Auseinandersetzung der
Regierungsparteien bezüglich der Aufgabe(n) des Verfassungsschutzes, aber
auch die ständige Konkurrenz zwischen BVT und HNA.
Beides behindere natürlich auf Dauer die sinnvolle Arbeit des Nachrichtendienstes (ND), wie Sammlung, Auswertung und Analyse von Informationen. Außerdem, erklärte Pilz, habe der Verteidigungsminister wissentlich die nachrichtendienstliche Analyse des HNA im Bezug auf den Tschad Einsatz von österreichischen Truppen nicht erwähnt, denn das Risiko sei laut HNA-Analyse hoch. "Ein klassisches Beispiel dafür, dass politische Selbstdarstellung über Sicherheitsbelange gestellt wird", so Pilz.
Gemeinsamer Nachrichtendienst vorgeschlagen
Wesentlich sei es,
so wie in Deutschland, einen gemeinsamen Nachrichtendienst zu erarbeiten,
der natürlich auch für politisch motivierte Kriminalität
Zuständigkeitsbereiche hat. Die Vermischung von ND und klassischer Politik,
so wie dies heute zum Teil der Fall sei, müsse im Bezug auf die Sicherheit
der Verfassung verhindert werden, forderte der Grüne Sicherheitssprecher.
Dazu zähle auch "der Missbrauch von absurden Drohvideos", um
zu bestätigen, dass es bereits Al Kaida-Zellen in Österreich gebe.
"Dilemma der staatlichen Nachrichtendienste"
Der
frühere leitende Militärstratege Brigadier Karner widmete sich der aktuellen
sicherheitspolitischen Lage sowie dem "Dilemma der staatlichen
Nachrichtendienste". Als neue Bedrohung für Nachrichtendienste sah
Karner neben dem internationalen Terrorismus, der meist im Zentrum des
öffentlichen Interesses stehe, die Instabilitäten gescheiteter Staaten wie
Jugoslawien, aber auch organisierte Kriminalität und die unkontrollierte
Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Daraus resultieren die "Dilemmata"
der ND, wie z.B. der Vollzug des strukturellen Wandels zur multinationalen
Vernetzung.
Private Dienste entstehen
Aber auch politische Vernachlässigung,
in finanzieller wie struktureller Hinsicht, führten zur Entstehung privater,
meist wirtschaftlich motivierter Dienste, sagte Karner. Personalreduktion
zugunsten der Technik bringe auf Dauer nichts, da analytische Fähigkeiten im
ND von Bedeutung seien. "Nicht nur 'intelligence' ist gefragt, sondern
auch Intelligenz ist vonnöten, um erworbene Informationen nutzbar zu machen",
so der frühere Chefstratege. Was die Zukunft der ND angeht, waren sich Pilz
und Karner einig: Politische Selbstdarstellung von Parteien dürfe nicht auf
Kosten von Problemlösungen und damit auf Kosten der Sicherheit gehen.
Am Nachmittag kamen noch Nico Prucha vom Institut für Arabistik der Universität Wien zu Wort und referierte über islamistische Online-Datenbanken. Christian Härringer vom Senior Security Consultant SICOM Austria führte als Alternative zum Überwachungsstaat die Möglichkeit von "Personal Security" an.
Sicherheits-Kompetenzzentrum
Das Kompetenzzentrum ACIPSS wurde
2004 gegründet und befasst sich sich mit den Problemkreisen Intelligence,
Propaganda und Sicherheit. Diese Forschungsbereiche von höchster Aktualität
und Handlungsbereichen von staatspolitischer Bedeutung werden an der Uni
Graz aufgegriffen. Träger des Zentrums ist die als Verein registrierte
Österreichische Gesellschaft für Geheimdienst-, Propaganda- und
Sicherheitsstudien (ÖGGPS). Die einzelnen Teilbereiche des Austrian Center
werden von Historikern, Juristen und Politologen betreut, die in
unterschiedlicher Intensität in Verbindung zum Institut für Geschichte der
Uni Graz stehen.